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Entschädigung für KohleausstiegGeld für Kohle ist nicht nötig

Betreibern steht laut Gutachten keine Entschädigung zu, wenn ihre Kraftwerke stillgelegt werden. Die Kommission will trotzdem zahlen.

Auch über seine Zukunft wird verhandelt: Braunkohlekrafterk Jänschwalde Foto: dpa

Die Betreiber von Kohlekraftwerken haben in der Regel keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn das Kraftwerk aus Klimaschutzgründen stillgelegt wird. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachen des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, das der taz vorliegt; zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet. Die Stilllegung stelle rechtlich gesehen keine Enteignung dar, schreiben die Bundestagsjuristen. Denn „bloße Umsatz- und Gewinnchancen für die Zukunft“ würden „nicht von der Eigentumsgarantie umfasst“.

Eine Kraftwerksstillegung sei lediglich eine „Inhalts- und Schrankenbestimmung“ des Eigentums, so das Gutachten. Und diese könne der Gesetzgeber jederzeit vornehmen, sofern das öffentliche Interesse überwiege. Die Einschränkungen seien dann „grundsätzlich entschädigungsfrei hinzunehmen“. Lediglich bei Anlagen, die noch nicht abgeschrieben sind oder kürzlich modernisiert wurden, komme in Einzelfällen ein finanzieller Ausgleich für die Betreiber infrage.

Für die Grünen, die das Gutachten angefordert hatten, begrüßte Fraktionsvize Oliver Krischer es als „Steilvorlage für die Arbeit der Kohlekommission“. Das Gutachten zeige, dass „Entschädigungen für Methusalemkraftwerke von RWE“, anders als von der Branche behauptet, nicht notwendig seien. Die Kommission, die im Auftrag der Bundesregierung bis Ende November einen Vorschlag für die kurzfristige Stilllegung von Kohlekraftwerken machen soll, scheint diese Vorlage aber nicht nutzen zu wollen.

Im Entwurf eines Kapitels des Abschlussberichts, der der taz vorliegt, empfiehlt das Gremium, die Stilllegungen durch eine „einvernehmliche Vereinbarung möglichst auf vertraglicher Grundlage mit den Betreibern“ zu regeln. Diese solle auch „Entschädigungsleistungen“ und Regelungen zur „sozialverträglichen Umsetzung“ enthalten, heißt es im Entwurf.

Breite Mehrheit für Abschaltung

Die Frage, wie viele Kraftwerke im Zeitraum von 2019 bis 2022 abgeschaltet werden und welche dies sind, bleibt im Entwurf noch offen. Im Entwurf steht statt Zahlen bisher an allen relevanten Stellen nur „[XX]“. Auch bei der jüngsten Sitzung am Freitag wurde noch keine Einigung darüber erzielt. Die in der Kommission vertretenen Umweltverbände hatten in einem Papier für 16 Gigawatt plädiert, um das deutsche Klimaziel – wenn auch etwas verspätet – noch zu erreichen. Bei Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften stieß dies aber auf deutliche Ablehnung.

Die Bevölkerung unterstützt den Vorschlag dagegen: In einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag von Campact stimmten 74 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Bundesregierung so viele Kohlekraftwerke abschalten soll, dass das Klimaziel für 2020 noch erreicht wird. Dafür plant ein Bündnis von Umwelt- und Entwicklungsorganisation für 1. Dezember auch zwei große Demos in Berlin und Köln.

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17 Kommentare

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  • Schon SPD-Minister Gabriel sprang als Tiger, um als Bettvorleger im lauen "Kohle-Kompromiss" 2015 zu landen, mit der fadenscheinigen "Sicherheitsbereitschaft" www1.wdr.de/archiv...schaltung-100.html :



    Eine auf Kosten der Stromkunden mit Netzentgelt subventionierte Ruhestandspension für einen wachsenden Park von unrentablen, abgehalfterten Meilern, die aufwendig eingemottet werden (statt einfach verschrottet), obwohl Experten einig sind, dass sie niemals wieder in Betrieb gehen werden: www.klimaretter.in...rve-zehn-tage-zeit "Nutzlose Reserve" (26.11.15)

    Für dieses Lehrstück willfähriger Kohle-Subvention hatten sich auch (wie jetzt wieder) IG-BCE u.a. Gewerkschaften vor den Karren gespannt, obwohl man fragen muss, wie mit Spinnweben eingemottete Kraftwerke in teuer bezahlter "Sicherheitsbereitschaft" angeblich die stets beschworenen Arbeitsplätze sichern: Sitzt da etwa die ganze Mannschaft zum Tariflohn beim Skat-Spiel und wartet auf ihren Einsatzbefehl, den es niemals geben wird ?



    Gleichzeitig verspielt man ein vielfaches an Arbeitsplätzen in erneuerbaren Branchen, die künftig verteilte BHKW + Nahwärme-Netze, Wechselrichter, Windkraft- & Biogasanlagen herstellen + warten möchten.

  • Dieses Thema geht mir so auf den Sack! Natürlich will auch ich den Kohleausstieg aber den hätte man vor dem Atomausstieg machen müssen! Nur mit erneuerbarer Energie funktioniert es momentan noch nicht und Atomstrom war auch vor 20 Jahren schon umweltschonender als Kohle. Jeder der sich mal fünf Minuten damit auseinandergesetzt hat konnte das wissen.







    Dennoch hat sich Deutschland in Geisterfahrer-Manier als einziges Land für den Atomausstieg beschlossen. Kann ich im Prinzip ja auch nachvollziehen aber man kann nicht beides gleichzeitig machen und wenn man die Wahl hat zwischen "Vielleicht gibt es in 200 Jahren gar keine Menschen mehr" und "Vielleicht fliegt mal eins in die Luft und x Menschen sterben" dann nimmt man doch lieber die ~9.000 - ~1.5Mio (so die Zahlen zu Tschernobyl) Toten in Kauf, als die Ausrottung der ganzen Menschheit!

    • @Januß:

      Die Kapazität unserer Gaskraftwerke könnte Braunkohle voll ersetzen, wenn man berücksichtigt, dass wir jetzt noch sehr viel Strom exportieren: www.dw.com/a-41892504 "Warum Deutschland seine Gaskraftwerke nicht nutzt"



      Müsste man natürlich erstmal wollen: www.taz.de/!5549746 Streit in der Kohlekommission (13.11.18)

  • Man könnte die Arbeiter, die ihren Job verlieren werden, unterstützen! Aber den Aktionären und Vorstandsmitgliedern die Taschen noch mehr füllen - nein danke! Sie haben entweder nicht vorausschauend investiert oder gearbeitet!

  • "Notfalls ohne eine Einigung."



    Hoffe ich auch.

  • Es gibt die beiden Begriffe "Kompromiss" und "Konsens". Ein Konsens wäre begrüßenswert, einen faulen Kompromiss würde ich nicht gut finden. Ich hoffe, dass die Umweltvertreter in der Kommission keinem faulen Kompromiss zustimmen und sich angesichts der deutlichen Mehrheitslage in der Bevölkerung selbstbewusst vertreten. Notfalls ohne eine Einigung.

  • Ich hoffe, dass die Kommission hier gut abwägt und zu den richtigen empfehlungen kommt.



    Für zukünftige langfristige Investitionen könnte eine erzwinge Stilllegung ohne Kompensation ein sehr hinderliche Signal sein.



    Als windkraftinvestor hätte ich zum Beispiel die Befürchtung, dass bei regierungswechsel (z.b. windkraftgegner mit der schredderargument) eine mögliche Stilllegung aus artenschutzgründen droht. Dies wäre ein Hemmnis auch für sinnvolle Investitionen.



    Eine Schlacht gewinnen ist nur eine Seite.



    Vorhandenen eine andere.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Demokrat:

      Mit Hoffen allein ist es sicherlich nicht getan.

      Für mich zeigt sich im vorliegenden Beispiel mal wieder sehr deutlich die Scheinheiligkeit, mit der getätigte oder verhinderte Zahlungen in diesem Land begründet werden. Politische Unkultur vom Allerfeinsten!

      Hier zeigt sich, dass ökonomische Begründungen häufig vorgeschoben werden. Geld ist da. Mehr als genug. Wenn erst Konstruktionen geschaffen werden müssen, um Zahlungen (zum Schein) zu begründen, ist alles gesagt.

      All die vielen Opfer von emotionalen, körperlichen und sexuellen Übergriffen, die wenig elegant abserviert wurden und ohne Entschädigung leben müssen, danken lakonisch.

      DANKE, Deutschland.

      In einem anderem Portal las ich heute, dass die Lebenserwartung in Westeuropa bei deutschen Männern am niedrigsten und bei deutschen Frauen mit am niedrigsten ist. Warum wohl?

      "Den Deutschen geht es gut" (Frau Merkel). Ach!

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Man kann unendlich diskutieren.



        Ich finde es aber gut, wenn man eine gemeinsame Datenbasis hat, um hier lebt. Unterschiede zu debattieren.



        Ich las in einem anderen Portal *wiki), das die lebenserwartung in Deutschland in Europa Platz 4 ist.



        Ob das stimmtbweiss ich nicht. Ist wohl eine andere Datenquellen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Demokrat:

          Wir brauchen nicht unendlich zu diskutieren. Die Zahlen sind evident. Meine Vergleiche sind nachprüfbar.

          Quelle: WHO-Studie "Deutsche haben die niedrigste Lebenserwartung in Westeuropa", Tagesspiegel.de, 12. Nov. 2018. (Eine Quelle, die linker Umtriebe gänzlich unverdächtig ist ... außer vielleicht für Herrn Trump.)

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Evident ist, dass sie für Weglassen falsch informieren.



            Ursache der kürzeren Lebenserwartung ist nicht Kohle oder CO2 oder...sondern falsche Ernährung, zu wenig Bewegung ....



            im Vergleich zu den anderen Ländern. Nachzulesen in der Studie siehe aktuell Fokus..



            Sollten sich schämen.

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @JoFre:

              Knapp daneben ist auch vorbei. (Alte Fussballerweisheit von Sepp Herberger)

              Potzblitz, da haben Sie es mir aber zu nächtlicher Stunde mächtig gegeben! Wo schrieb ich denn darüber, die kürzere Lebensserwartung habe primär mit der deutschen Hauptenergiequelle Kohle oder dem CO2-Ausstoß zu tun? Eine Anleihe bei Sozialwissenschaftlern wird Ihnen zeigen, dass es einen Zusammenhang mit dem sozialen Klima dieses Landes gibt. Der sozialen Eiszeit.

              Ihr Schlusssatz ist albern. Wie jeder Andere entscheide ich selbst, wann ich mich schäme - und wann nicht.

              Grund zum Schämen haben hier übrigens Andere: die politischen und ökonomischen "Eliten".

              'Focus' ist mir übrigens zu seicht. Chaqun à son gôut.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Danke für die Info. Ich hätte hier falsch gelesen. Die wiki Daten waren für ganz Europa. Daher wohl der Grösse Unterschied. Die lebenserwartung in den osteuropäischen Ländern ist deutlich schlechter. Sind wohl noch die Auswirkungen der ehemaligen Diktaturen. Deutschland scheint hier also evident ein zwitterstaat zu sein



            Der Teil der ehemaligen DDR hätte eine deutlich schlechtere lebenserwartung. Ist aber mittlerweile verbessert.



            Evident halt

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @Demokrat:

              Gerne. Wir sind alle nicht Mr. oder Mrs. Perfect.

              Auf den großen Unterschied zwischen West- und Osteuropa stieß auch ich bei meiner Recherche.

              Was die frühere DDR angeht: ich erinnere mich noch an Besuche im früheren Ost-Berlin, wo mich in den 1980ern der Braunkohlegeruch empfing, den ich aus meiner Kindheit im Westen kannte.

              Diese Verbesserung kann wohl auf der Haben-Seite der Vereinigung verbucht werden.

              • @76530 (Profil gelöscht):

                Da sind wir leider wieder im spekulativen Bereich.



                Auch ich habe hier keine Daten, aber der braunkohleduft war nicht überall.



                Der Mangel an südfrüchten schon.



                Dem Sozialismus will ich hier nicht eine generelle Verpestung durch Braunkohle unterstellen.

                • 7G
                  76530 (Profil gelöscht)
                  @Demokrat:

                  Kommunikation - das letzte, große Abenteuer.

                  Auf deutsch: ich sprach von meinen persönlichen Erinnerungen, die natürlich keinen statistischen Anspruch haben. (Spekulativ sind sie auch nicht, sie sind halt persönlich.)

                  Ich sprach ferner von Ost-Berlin - oder Berlin, Hauptstadt der DDR, laut damals offiziellem Sprachgebrauch. In dem gesicherten Wissen, dass dies "nicht überall" und damit auch keine "generelle" Aussage ist.

                  Was die Bananen angeht, muss es für frühere DDRler ein immenser Fortschritt sein, jetzt in einer Bananenrepublik leben zu dürfen. Damit meine ich nicht nur das üppige Vorhandensein der Früchte in Geschäften.

                  Unsere österreichischen Nachbarn nennen uns nicht grundlos "Piefkes".

  • So es noch kein wirkmächtiges Kostenargument für Laufzeitverlängerung für Kohlekraftwerke auf X Jahre gibt, basteln wir uns eines - oder so ähnlich. Oha.