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Entlastungspaket der BundesregierungEine neue Armutsdebatte

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Krisen und steigende Preise machen vielen Menschen Angst, in Armut abzurutschen. Wichtig wäre jetzt ein Inflationsschutz für Grundsicherungsempfänger.

Plattenbau in Leipzig-Grünau: immer mehr Menschen in Deutschland sind arm Foto: Thomas Eisenhuth/imago

E s gibt krasse Armutslagen. In London erzählte eine Rentnerin einem Stadtmagazin, dass sie nur noch jeden zweiten Tag ihre Toilettenspülung betätige, um Wasserkosten zu sparen. Ein zwangsgeräumter Rentner zieht als Obdachloser auf die Straße vor seinem Haus, um noch etwas Heimatgefühl zu spüren. So extrem ist es in Deutschland nicht, aber auch hier frisst sich die Armut von unten in die Gesellschaft hinein. Die neue Armutsdebatte unterscheidet sich dabei fundamental von der Diskussion um die Jahrtausendwende.

In den nuller Jahren war die Massenarbeitslosigkeit das politische Schreckgespenst. Heute suchen die Betriebe händeringend Arbeitskräfte. Aber das nützt jungen Leuten nichts, die zwar Jobs, aber in den Städten keine Wohnung für die Familiengründung finden. Alleinerziehende, chronisch Kranke, die in der Jobwelt nicht bestehen können, fürchten, zu verarmen – ebenso wie Alte, deren Rente nicht mehr für die steigende Miete reicht.

Pandemie, Ukrainekrieg, Klimakrise, Urbanisierung: Die sich überlagernden Krisen und dazu steigende Preise machen Angst. Das Paket mit Einmalzahlungen für Hartz-IV-Empfänger:innen und das 9-Euro-Ticket wurden am Donnerstag im Bundestag abgestimmt, beziehungsweise in erster Lesung beraten. Diese und andere Hilfen sollen Entlastung bringen. Vieles davon ist richtig, aber die Passgenauigkeit ist ein Problem: Tankrabatte und superbillige Nahverkehrstickets sind für Gutverdienende überflüssig. Wir brauchen vielmehr eine Diskussion über neue Abgaben auf hohe Vermögen und Erbschaften. Wann, wenn nicht jetzt, soll diese Debatte kommen?

Die Grundsicherung muss ausgebaut werden. Es ist richtig, wie schon in der Coronakrise, dass Menschen Grundsicherung beantragen können und dabei ein kleines Geldpolster und ihre Wohnung behalten dürfen. Doch überdies sollte zumindest ein Infla­tions­schutz für Grund­si­che­rungs­emp­fän­ge­r:in­nen eingebaut werden, der bei starken Preiserhöhungen die Regelsätze zeitnah anhebt. Das wäre ein Thema für künftige Armutsdebatten. Sie werden kommen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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6 Kommentare

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  • In Deutschland liegt die Inflationsrate bei 7,5 Prozent.

    EU-Durchschnitte etwa acht Prozent.

    In der Schweiz bei 2,5 Prozent.

    Zweidrittel der Inflation sind also hausgemacht.

    Deutschland und die EU generieren Armut.

    Das genau aufzulisten warum, würde hier den Rahmen sprengen. Doch warum sitzt Deutschland mittlerweile auf dem "größten Schuldenberg der Geschichte", summiert mit versteckten Schulden bei über 14 Billionen Euro. 14 Billionen Euro? Das ist ungefähr das Zehnfache des summierten Börsenwerts des Dax-40, der 40 teuersten und größten Konzerne Deutschlands.

    Und Frau vdLeyen schlägt grade einen europäischen Wiederaufbaufonds für die Ukraine vor. Toll, Putin wird sich freuen, dann kann er noch so richtig viel in der Ukraine kaputt machen und schädigt zeitgleich die EU.

    Die bisherigen Schäden dort liegen längst jenseits der Eine-Billion-Euro-Marke.

    Die EU ist seit langem pleite.

    Die Länder der Eurozone mit etwa 100 Prozent des BIPs verschuldet.

    Keiner von denen kann auch nur einen Euro locker machen ohne sich weiter zu verschulden.

    Hohe Schulden sind ein Garant für Armut. Was jeder weiß.

    Armut in Deutschland wird seit einer Reihe von Jahren billigend in Kauf genommen.

    Gebt den Armen was sie brauchen! Es kommt eh nicht mehr drauf an.

    Abgaben auf hohe Vermögen? Wird nur wenig bringen. Geld ist wie Quecksilber. Wenn es den Reichen zu viel wird, gehen sie in ein anderes Land.

    Vielleicht mal schauen wie es Hollande ging als er in Frankreich die Reichen zur Kasse bitten wollte? Letztlich war weniger in der Kasse als vorher. Hollande hat alles zurückgenommen.

    Die Regierungen der EU-Länder finden die hohe Inflation toll. Da lässt sich doch auch etwas von den Staatsschulden entwerten.

    Die Armut der Menschen ist vorprogrammiert.

    www.faz.net/aktuel...nerstag%20zusammen.

  • Vielen Dank für diesen Artikel Frau Dribbusch.



    Bleibt nur noch anzuhängen: Und 3 Tage später wundert sich die SPD darüber dass sie ihr Wählerpotential in NRW nicht mehr mobilisieren kann.



    Ja, wie das denn nu?

  • Was eine hohe Inflation bedeutet, kann man sich in betroffenen Ländern wie der Türkei anschauen. Dagegen gibt es keinen Schutz. Besser wäre es (gewesen) weniger Schulden zu machen und höhere Zinsen zu akzeptieren.

  • 4G
    47261 (Profil gelöscht)

    Das stimmt:...Wir brauchen Abgaben auf hohe Vermögen und Erbschaften. Letzteres haben wir auch nur deshalb nicht, weil zu viele der Politiker*innen und auch zahlreiche der aktiven Linken aus wohlsituierten Familien kommen.



    Das 9,-Euro Ticket finde ich auch hinsichtlich der Klimakatastrophe überfällig.



    Nur deshalb halte ich es für richtig. Ansonsten sollte es ein vernünftiges Pogram zur Armutsverhinderung geben und keine pauschalen Begünstigungen für Alle, ob mit viel Geld oder wenig. Ich erinnere mich an die 200 Euro extra Kindergeld wegen Corona, die völlig unabhängig vom Einkommen der Eltern einfach so ausgezahlt wurden. Viele Eltern brauchten die dringend. Aber auch Eltern mit überdurchschnittlichem Einkommen bekamen sie. Diese Art der "wir streuen Bombons in die Menge" verringert nicht die Armut und ist auch nicht dazu gedacht. Es soll vielmehr befrieden und täuscht einen Aktionsismus gegen Armut vor, obwohl es damit rein gar nichts zu tun hat.

  • "Vieles davon ist richtig, aber die Passgenauigkeit ist ein Problem: Tankrabatte und superbillige Nahverkehrstickets sind für Gutverdienende überflüssig. Wir brauchen vielmehr eine Diskussion über neue Abgaben auf hohe Vermögen und Erbschaften. Wann, wenn nicht jetzt, soll diese Debatte kommen?"

    Äh nein, es ist ein grundsätzliches Problem. Wie auch im vorliegenden Artikel, wird ständig so getan, als wäre alles in Butter und man müsse nur ein wenig Feintuning veranstalten.. und genau, mal ein bisschen diskutieren, gerade jetzt, wegen dieses brandneuen, bislang vollkommen unbekannten Problems.

    Zum Einfluss sozialer Ungleichheit auf die Lebenserwartung RKI 2019 DOI 10.25646/5868, oder hier in der taz, Frau van Dyk, taz.de/Soziologin-...htigkeit/!5789872/

    BTW: Bitte werfen Sie hinsichtlich der Anpassung der Grundsicherung einen Blick in §§ 7 RBEG, 28a SGB XII sowie der jeweils aktuell geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung des BMAS.



    Vielen Dank.

  • Das wird ein großes Thema in der Zukunft. Finde dasBedingungsloses Grundeinkommen in diesem Kontext sehr spannend, auf wenn es noch hier und da verbessert werden sollte.