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Entführungsprozess in HamburgSchlammschlacht und kindliche Todesangst

In Hamburg startet der Prozess um die Entführung zweier Kinder. Die Mutter, Millionenerbin Christina Block, soll dafür den Auftrag gegeben haben.

Angeklagt: Christina Block soll die Entführung ihrer Kinder beauftragt haben Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Selbst als am Freitagmorgen im Gerichtssaal des Hamburger Strafjustizgebäudes der letzte Platz besetzt ist, die Fo­to­gra­f:in­nen auch die letzten Prozessbeteiligten abgelichtet haben und die Verhandlung endlich startet, vermischen sich die Ebenen ständig weiter: zum einen die juristische Suche nach der Wahrheit, wie und durch wen es dazu kommen konnte, dass zwei kleine Kinder vor eineinhalb Jahren gewaltsam von ihrem Vater entführt wurden, und zum anderen die damit einhergehende, erbittert geführte Schlammschlacht mit Beteiligung von mehr oder weniger prominenten Persönlichkeiten.

Allen voran muss sich Christina Block, 52, vor dem Landgericht in insgesamt 37 Verhandlungstagen verantworten, weil die Staatsanwaltschaft ihr vorwirft, die Entführung zweier ihrer Kinder vom in Dänemark lebenden Ex-Mann beauftragt zu haben. Block ist Tochter des millionenschweren „Steak House“-Gründers Eugen Block und mittlerweile mit dem wohl noch bekannteren früheren Fußballmoderator Gerhard Delling zusammen. Auch er sitzt seit Freitag auf der Anklagebank, wegen Beihilfe zur Entführung.

Je näher der Prozessauftakt rückte, desto intimer und verstörender wurden die Vorwürfe, die sich sowohl gegen Block und ihr Umfeld richten als auch gegen Stephan Hensel – Blocks Ex-Mann, Vater der gemeinsamen Kinder und in diesem Prozess Nebenkläger. Hensel wird vorgeworfen, in Wahrheit derjenige zu sein, der eine strafbare Entziehung Minderjähriger begangen hat, indem er zuvor die Kinder von der Mutter „isoliert“ habe, obwohl ihr das Sorgerecht zugestanden habe. Ihm steht deshalb auch noch ein Prozess bevor.

Sorgerechtsstreit seit über zehn Jahren

Die der Entführung vorangegangen Umstände des Sorgerechtsstreits, so behauptete zu Prozessauftakt Blocks Verteidiger Otmar Kury, habe Christina Blocks Mutter, die Großmutter der Kinder, derart „psychisch vernichtet“, dass sie daran letztlich gestorben sei.

Doch die schon vor Prozessbeginn publik gewordenen Vorwürfe gegen Block wiegen schwerer. So soll sie nicht erst mit der Entführung, sondern deutlich früher mit grenzüberschreitenden Mitteln versucht haben, ihrem Ex-Mann zu schaden. Nach der Trennung 2014 ging der Sorgerechtsstreit um die insgesamt vier gemeinsamen Kinder los.

Einerseits hatte das Hanseatische Oberlandesgericht der Mutter 2021 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die zwei jüngsten Kinder zugesprochen, dänische Behörden wiederum erklärten, dass es für die Kinder besser wäre, wenn sie beim Vater blieben.

Sicherheitsfirmen mit Ex-Agenten

Über Sicherheitsfirmen soll Block ihren Ex-Mann und dessen Familie in Dänemark anschließend ausspioniert haben, auch sollen Pädophilie-Vorwürfe gegen Hensel und seinen Anwalt konstruiert und publik gemacht worden sein. Schließlich soll sie die Entführung der beiden Kinder beauftragt haben.

An der Umsetzung, so wurde es medial umfassend berichtet, sollen ehemalige Mossad-Agenten beteiligt gewesen sein – von denen einer neben Block und Delling nun ebenfalls vor Gericht steht. Zuvor soll Block auch mithilfe deutscher (Ex-)Spitzenpolitiker versucht haben, Einfluss auf die dänischen Behörden zu nehmen.

All diese Aspekte erklären, warum sich am frühen Freitagmorgen eine lange Schlange vor dem Zuschauerbereich bildete und auch internationale Medien Re­por­te­r:in­nen nach Hamburg schickten.

Erschütternde Details

Um die andere – wie die Entführung durch welche Ak­teu­r:in­nen vonstattenging und was die Kinder dabei durchlitten – ging es beim Prozessauftakt auch immer mal wieder. Aber höchstens zwischendurch: Einige erschütternde Details der Entführung kamen während der Verlesung der Anklage zu Wort. „Gequält und misshandelt“ worden seien die Kinder bei der Entführung, nachdem die Tä­te­r:in­nen Hensel und seine Kinder abgepasst, den Vater niedergeschlagen und die Kinder mit sich genommen hatten.

Geknebelt und gefesselt worden seien sie und als sie versucht hätten sich zu wehren, sei ihnen mit dem Tod gedroht worden. Angst vor dem Ersticken ihres Bruders habe das ältere Kind gehabt, als es bei der Flucht im Auto auf den Bruder gedrückt wurde.

Doch bis zum Ende des ersten Verhandlungstages hatten die Ver­tei­di­ge­r:in­nen der insgesamt sieben Angeklagten das Wort für Eröffnungsstatements, die zwar immer wieder mal auf das Leid der Kinder zu sprechen kamen, sich aber ansonsten großteils im Angriffsmodus auf die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage befanden: Eine Vorverurteilung habe es gegeben, weil Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit durchgestochen wurden, auch das Recht der Angeklagten auf rechtliches Gehör sei missachtet worden.

Beide Seiten sind sich keiner Schuld bewusst

Schon vor Prozessbeginn machten vor allem die beiden Anwälte von Block deutlich, dass ihre Mandantin nicht schuldig sei. Auch Hensel schilderte jüngst öffentlich seine Sicht auf die langjährige Auseinandersetzung.

Beide Seiten, so zeigt es sich auch nach dem ersten Verhandlungstag, sind sich keiner Schuld bewusst. Und noch bevor bald die Kinder aussagen sollen – nach dem Willen der Verteidigung nicht nur über die Entführung, sondern auch über den vorangegangenen Sorgerechtsstreit –, gibt es über deren Ansichten schon Streit: Jeweils beeinflusst worden seien sie vom anderen Elternteil. Was sie wirklich denken und fühlen, glauben offenbar beide Seiten jeweils nur ganz allein am besten zu wissen.

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2 Kommentare

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  • ffdfddfdfdf

  • "Block ist Tochter des millionenschweren „Steak House“-Gründers Eugen Block"



    Die falsche Schreibweise des Firmennamens offenbart gleichermaßen jugendliche Ahnungslosigkeit, Ekel vor dem Kapital und den Unwillen, sich auf sein Rechercheobjekt einzulassen. Oder es war Absicht. Umso schlimmer