Enteignungs-Debatte in Berlin: Initiative droht mit Boykott
Deutsche Wohnen enteignen kritisiert die vom Senat zusammengestellte Kommission. Diese würde „im Interesse der Immobilienkonzerne“ handeln.
Vor allem der SPD wirft die Initiative vor, mit der Kommission bereits eine Entscheidung gegen ein Enteignungsgesetz getroffen zu haben. „Die SPD hat die Dreistigkeit, Juristen in die Kommission zu entsenden, die klar dagegen sind“, heißt es weiter. Beim von der Initiative vorangetrieben Volksentscheid hatten im September 57,6 Prozent der Berliner*innen für die Enteignung großer Immobilienkonzerne gestimmt.
Am Dienstag hatte der Senat neun der vorgesehenen zwölf Mitglieder der Kommission sowie deren Vorsitzende benannt. Offiziell ist es eine gemeinsame Liste von SPD, Grünen und Linken überwiegend mit habilitierten Jurist*innen. Nach taz-Informationen ist aber klar, welche Partei welche drei Mitglieder ausgesucht hat. Drei weitere Mitglieder kann die Initiative benennen.
Den Vorsitz der Kommission wird die ehemalige SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin übernehmen. Die Kommission soll ein Jahr lang die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen prüfen und laut Senatsbeschluss „zunächst die Verfassungskonformität“ des Vorhabens prüfen.
Plenum am 12. April
Für die Initiative ist die Kommission, ihre Besetzung und wie diese verlief ein Affront. Deren Arbeitsweise sei völlig unklar, öffentliche Sitzungen seien nicht sicher. DW enteignen vermutet dahinter ein Motiv: „Es soll vertuscht werden, dass die Kommission im Interesse der Immobilienkonzerne handelt.“ Die Schlussfolgerung: „Unter diesen schwierigen Umständen müssen wir abwägen, was der beste Umgang mit dieser Kommission ist.“ Dafür hat sich die Gruppe zwei Wochen Zeit genommen bis zum nächsten Plenum am 12. April.
Von den drei Regierungsparteien unterstützt vor allem die Linke das Volksbegehren. Im Entwurf des Leitantrags für den am Samstag anstehenden Parteitag heißt es: „Wir werden mit dem erfolgreichen Volksentscheid ‚Deutsche Wohnen und Co. enteignen‘ im Rücken alle denkbaren Wege und Möglichkeiten in das politische Handeln der Koalition tragen, Mieten zu begrenzen, Verdrängung zu verhindern und Menschen Sicherheit zu geben, damit ihre Wohnung weiterhin ihr Zuhause ist.“ Man werde die Arbeit der Kommission öffentlich begleiten und „die Debatte über die Sozialisierung von wichtigen Lebensgrundlagen“ fortführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja