Entdeckung in Bolivien: Folterzelle im Innenministerium
Im Keller des Innenministeriums wurden Folterzellen und Knochen gefunden. Präsdient Morales bezeichnet die Anlage als "Friedhof" derer, die sich für ihr Land eingesetzt haben.
PORTO ALEGRE taz Marcos Farfán erinnert sich genau: "Sie haben den Wasserhahn aufgedreht, die Zelle voll Wasser laufen lassen und dann zwei Stromkabel angeschlossen. Sie wollten, dass man zu reden anfing. Wir sollten unsere Genossen verraten." Der 52-jährige Mann mit dem dichten Schnurrbart führt durch den ehemaligen Folterkeller des bolivianischen Innenministeriums.
1972, erzählt er, wurde er als junger Guerillero des von Che Guevara gegründeten "Heers zur nationalen Befreiung" (ELN) eines Nachts um drei Uhr festgenommen und in diese Keller gebracht: "In der ersten Nacht schlugen sie mich nur." Nach 14 endlosen Tagen im Keller wurde er in den zweiten Stock verlegt: "Dort war die Geheimdienstzentrale, dort wurde systematischer gearbeitet." Doch Farfán hatte Glück im Unglück: Nach Protesten kam der damals 16-Jährige frei.
Heute ist Marcos Farfán als Staatssekretär für Boliviens Polizei zuständig. Als der Anwalt vor knapp zwei Jahren sein erstes Büro im Innenministerium von La Paz bezog, suchte er vergebens nach den Zellen im Keller: "Da war nichts, es war so, als hätte ich das nur geträumt". An der persönlichen Bestrafung seiner Folterer, die er als bedauernswerte Handlanger der USA betrachtet, zeigt er kein Interesse. Doch auf seine Anregung geht es zurück, dass die früheren Folterzellen im Zuge von Renovierungsarbeiten freigelegt werden.
Anfang dieser Woche wurden zum ersten Mal Knochen gefunden - vermutlich von einigen jener 155 Regimegegner, die in den Militärdiktaturen zwischen 1964 und 1982 spurlos "verschwanden". Die finsterste Zeit war das Regime des deutschstämmigen Generals Hugo Banzer (1971-78), unter dem Altnazi Klaus Barbie als Militärberater amtierte. Rund 200 Menschen wurden ermordet, jeweils um die 15.000 verhaftet oder ins Exil getrieben. Banzer beteiligte sich auch an der grenzüberschreitenden Hatz der südamerikanischen Diktaturen auf linke Oppositionelle, der berüchtigten Operation Cóndor.
Präsident Evo Morales bezeichnete die Anlagen jetzt als "Friedhof" von Menschen, die sich für ihr Vaterland eingesetzt hätten, und forderte die Bestrafung der Verantwortlichen. Er wirft seinen Vorgängerregierungen und den rechten Oppositionsparteien Komplizenschaft mit den Diktaturen vor. Jorge Quiroga, der Chef der rechtsliberalen Partei "Podemos", war während Banzers zweiter Amtszeit ab 1997 Vizepräsident und folgte ihm 2001 nach.
"Wenn unsere Regierung nicht gekommen wäre, wäre das nie untersucht worden", sagt Evo Morales, "nie wieder darf es Diktatoren, Repression oder Folter geben." Mit Hilfe argentinischer Experten will die Staatsanwaltschaft nun die Spurensuche fortsetzen. Die Herkunft der Knochen sollen durch DNA-Analysen identifiziert werden. Vermutlich befinden sich unter den freigelegten Zellen noch zwei weitere Ebenen.
Morales hofft zudem, dass bald die sterblichen Überreste des 1980 ermordeten Sozialistenführers Marcelo Quiroga Santa Cruz gefunden werden, dessen Spuren sich im Hauptquartier der Streitkräfte verlieren. Nach chilenischem, argentinischem und paraguayischem Vorbild ist nun auch in La Paz ein "Museum der Erinnerung" geplant.
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