Englands Niederlage im Finale: Wer scheitert als Nächstes?
Mit guten Spielern haben die Three Lions das Finale verloren. Nun wird über die Zukunft von Trainer Gareth Southgate diskutiert.
Schon wieder nichts! Man blickte im Berliner Olympiastadion auf der Seite, wo die Engländer nach dem Abpfiff standen, in leere Gesichter und leere Hände. Kein Siegershirt, kein Pokal, nichts. So vergrub Torhüter Jordan Pickford sein Gesicht in seine Hände. Der Geschichte des englischen Scheiterns wurde ein weiteres Kapitel angefügt. Dass das Team in den letzten Jahren dem Titeltraum vermehrt so nahe wie nie zuvor kam, macht das Ganze nur noch schlimmer. Der 30-jährige Stürmerstar Harry Kane, der weiter titellos bleibt in seiner Karriere, verkörpert die englische Trostlosigkeit in höchster Vollendung.
Während des Turniers hatte Trainer Gareth Southgate versucht, das Narrativ zu stärken, jede Erfahrung des Scheiterns bringe einen weiter und irgendwann ans Ziel. Und jede Schwierigkeit, die es bei dieser EM in Überzahl gab, kräftige die eigene Widerstandsfähigkeit.
Nun am Sonntag musste er sich ein wenig revidieren. Diese Verlängerungen gegen die Slowakei und die Schweiz hatten doch Kräfte gekostet, wie er einräumte. Obwohl England den Vorteil des leichteren Turnierbaums hatte, hangelte man sich mit Mühe und häufig in letzter Sekunde weiter nach oben.
Die zähen Spielverläufe wurden durch die Risikoscheu Southgates begünstigt. Und mit der Mär von der Widerständigkeit hat man sich auf englischer Seite viel Sand in die Augen gestreut. Dass im Viertelfinale der Schweizer Xherdan Shaqiri einen Eckball drei Minuten vor Ende der Verlängerung an die Latte setzte, das kann sich das englische Team genauso wenig auf seine Fahnen schreiben wie die erfolgreiche Verteidigungsschlacht in den letzten Minuten der Verlängerung gegen die Slowakei.
Trainerproblem in England
Gareth Southgate
England hat tolle Spieler, wie Southgate mit Blick auf die Zukunft noch einmal zu Recht feststellte. Umso nachdenklicher stimmte es aber gerade die heimische Presse, wie häufig das Team auf den Faktor Glück angewiesen war. Mit dem englischen Ergebnis könnte man trotz der großen Geschichte des Scheiterns zufrieden sein, mit der Entwicklung aber nicht.
So kam natürlich nach dem verlorenen Finale die Frage nach der Zukunft von Gareth Southgate auf. Wird er bei der WM 2026 wieder auf der englischen Bank sitzen? Der 53-Jährige sagte: „Es ist schwer, nach einer solchen Niederlage darüber nachzudenken.“ Er machte es dann aber doch und wägte die Pro- und Contra-Argumente ab.
England zwei Mal hintereinander ins EM-Finale zu bringen, das sei vor ihm noch niemandem gelungen, führte er einerseits ins Feld. Man sei aber nach Deutschland gekommen, um das Turnier zu gewinnen. Das habe man nicht geschafft. Er wolle sich nicht öffentlich erklären, bevor er nicht mit den Verantwortlichen des Verbands gesprochen habe.
Gerade angesichts der deutlichen Unterlegenheit gegenüber den Spaniern spricht einiges für einen Neuanfang. Es ist gut möglich, dass der Verband wieder wie einst mit dem Italiener Fabio Capello auf eine ausländische Lösung setzt. England hat ein Trainerproblem. Die besten sechs Teams der Premier League in der vergangenen Saison wurden alle von ausländischen Fachkräften betreut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste