Energiewende europaweit: Keine Parteien, nur noch Ökos
Eine ganz große Koalition in Berlin kämpft dafür, dass in der EU Wind- und Sonnenstrom ausgebaut werden. Brüssel und London sind dagegen.
BERLIN taz | Wenn die deutsche Energiewende aus Brüssel bedroht wird, reagiert im Bundestag eine Allparteienkoalition: Einhellig war am Mittwoch die Empörung über Meldungen, die EU-Kommission wolle ein europaweites Ziel zum Ausbau erneuerbarer Energien aufgeben.
Ein klares „verbindliches EU-Ausbauziel für 2030 ist wichtig für den Umbau der Energiesysteme in Deutschland und Europa“, sagte Bundesenergieminister Sigmar Gabriel. Seine Umweltkollegin Barbara Hendricks betonte in der gemeinsamen Erklärung, Ziele für CO2-Minderung, Erneuerbare und Effizienz seien „entscheidend für Planbarkeit und Investitionssicherheit“.
Von der Linken hieß es, Europa „demontiert seine immer mehr angekratzte Vorreiterrolle im Klimaschutz“. Und auch für die Grünen „entziehen die Vorschläge aus Brüssel der deutschen Energiewende die Grundlage.“
Hintergrund für die Aufregung: Am 22. Januar will die EU-Kommission ihr Konzept für die Energie- und Klimapolitik bis 2030 vorlegen. Bis 2020 gilt, dass die EU 20 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen will, erneuerbare Energien 20 Prozent des Strombedarfs decken sollen und die Energieeffizienz um 20 Prozent steigen soll.
Ähnliche Fronten bei Klimazielen
Die Mitgliedstaaten sind darüber zerstritten, ob es solche Ziele bis 2030 geben soll. Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, Österreich und andere haben starke Industrien bei den Erneuerbaren und wollen ein Ausbauziel für Sonnen- und Windstrom. Länder wie Großbritannien, Polen, Tschechien und Zypern sind dagegen. Sie setzen auf Kohle und auf Atomkraft. Ähnliche Fronten gibt es bei den Klimazielen.
Eine interne Umfrage der EU-Kommission zeigt, wie tief die Gräben sind. „Es gibt keinen Konsens unter den Befragten, ob Ziele für Erneuerbare und Effizienz bis 2030 etabliert werden sollten“, heißt es. Zwar haben die Ziele bis 2020 zu Klimaschutz, Beschäftigung und Technologie-Führerschaft geführt, das sei aber durch hohe Kosten erkauft worden.
Diese Machtkämpfe spiegeln sich auch in der EU-Kommission. Während die Abteilungen Klima und Umwelt für verbindliche Ziele kämpfen, hält der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger die deutsche Energiewende für einen Fehler. Kommissionspräsident Barroso ist offenbar ebenso ein Gegner fester Ziele, wie Wettbewerbskommissar Almunia die Finanzierung der deutschen Wind- und Solaranlagen ein Dorn im Auge ist. „Soweit wir hören, ist da noch nichts entschieden“, heißt es von deutscher Seite.
Entschieden wird ohnehin erst frühestens im März, wenn sich die Chefs der EU-Länder zum Gipfel treffen. Da müsse sich dann Bundeskanzlerin Angela Merkel einschalten, forderten gestern Umweltverbände wie Germanwatch oder die European Climate Foundation (ECF). „Wenn Merkel die Energiewende wirklich will, muss sie sie in der EU umsetzen“, so Jörg Haas von der ECF. Immerhin wurden auch die 2020er Ziele vor sieben Jahren von der „Klimakanzlerin“ in der EU durchgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann