Energieknappheit in Berlin: Am Ende motiviert nur Geld
Der Senat macht Privathaushalten keine Vorgaben zum Sparen. Das ist realistisch, weil eine Kontrolle kaum machbar wäre. Ein Wochenkommentar.
S icher, es gibt sie. Jene Menschen, die sich wirklich mitverantwortlich für die Gemeinschaft fühlen, für das große Ganze und die Zukunft des Planeten. Die die Heizung runter drehen werden und nicht acht Minuten unter der heißen Dusche stehen, wie es angeblich zwei von drei Deutschen täglich durchschnittlich tun. Und weil Berlin fast vier Millionen Einwohner hat, werden in der Hauptstadt sogar einige zehntausend so bewusst handeln.
Aber ob auch der der große Rest tatsächlich jene Achtsamkeit entwickelt, die Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung erneut einforderte, so wie sie es seit Wochen tut? Achtsamkeit im Sinne von: Sich immer bewusst sein, was man oder frau da gerade macht und was das für Umweltfolgen für sich und – noch wichtiger – andere hat?
Abstrakt betrachtet ist das Kants kategorischer Imperativ, konkret sind das Fragen wie: Muss das Licht in der Küche brennen, wenn ich die ganze Zeit im Wohnzimmer in? Bin ich jetzt unter der Dusche nicht auch nach zwei, drei Minuten sauber und aufgewärmt? Und schon immer: Muss ich mit dem Auto zum Brötchenholen fahren?
Giffey ist jemand, der nach eigenem Bekunden das Glas immer für halb voll statt halb leer hält. Doch ein Blick auf das bisherige Verhalten der großen Mehrheit macht es schwer, die Dinge ähnlich optimistisch zu betrachten wie die Regierungschefin. Die hat vor einiger Zeit auf eine taz-Frage dazu mal sinngemäß gesagt, ohne diese Haltung könnte sie ihren Job gar nicht machen. Denn das, was nun allenthalben als schier bahnbrechende Energiespartipps zu lesen oder hören ist, ist uralt. Dass es überhaupt Zeilen- und Sendeplatz findet, deutet nicht darauf hin, dass es bislang sonderlich beherzigt wurde.
Energiesparmöglichkeiten sind lange bekannt
Schon in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte beispielsweise das Wuppertaler Klimainstitut von Ernst Ulrich von Weizsäcker vorgerechnet, wie viel Strom sich ohne sonderliche Einschränkungen, sondern lediglich durch bewussten Umgang mit Beleuchtung, Heizung und Elektrogeräten sparen lässt. Mit jener Achtsamkeit also, die heute Giffey einfordert.
Hat es was gebracht? Leider nicht oder zumindest nicht genug. Gas und Strom waren ja ausreichend verfügbar und für die meisten auch so gut bezahlbar, dass der Blick auf die Abrechnung oft bloß deshalb passierte, um zu einem noch günstigeren Anbieter zu wechseln. Das fügte sich ein in das allgemeine Umweltverhalten, unterbrochen bloß durch die Corona-Pandemie: Immer mehr Passagiere an den Berliner Flughäfen und anderswo, immer mehr spritfressende SUVs auf den Straßen, kaum gesunkener privater Energieverbrauch.
Das mag nun eine äußerst pessimistische Betrachtung sein. Eine, die zur Frage führt: Was bleibt dann noch, wenn staatliche Reglementierung wünschenswert, aber kaum zu kontrollieren wäre und zugleich Spareffekte durch persönliche Achtsamkeit nicht massenhaft zu erwarten sind? Verzweifeln?
Nein. Denn das Sparen wird auf dem Wege kommen, der immer für Motivation sorgt: übers Geld. Wenn das bislang so reichlich verfügbare Gut Energie über Knappheit deutlich mehr als bisher kostet, ergibt sich zwangsläufig ein sorgsamerer Umgang. Staatliche Hilfsprogramme, ob von der Bundesregierung oder vom Senat, werden sich auf die konzentrieren müssen, die grundsätzlich zu wenig im Portemonnaie haben. Alle anderen werden selbst sehen müssen, dass sie ihre Energiekosten verringern, egal ob Öko oder Umweltsau. Das ist traurig, aber wohl wahr.
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