Berliner Senat reagiert auf Gasknappheit: Kühler, aber nicht ganz dunkel

Die rot-grün-rote Landesregierung beschließt einen 10-Punkte-Plan, um den öffentlichen Energieverbrauch um mindestens zehn Prozent zu senken.

Das Foto zeigt einen wenig erleuchteten Potsdamer Platz in Berlin mit hell erleuchteten Straßenverkehr im Vordergrund.

Dunkler und kühler sind angesichts der Gasknappheit die zentralen Begriffe für Herbst und Winter Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Kühlere Büros und Sporthallen, keine geheizten Freibäder mehr und schnelleres Umstellen der Straßenbeleuchtung von Gas auf LED-Leuchten: Das sind zentrale Maßnahmen eines am Dienstag beschlossenen 10-Punkte Programms, mit dem der rot-grün-rote Senat den Energieverbrauch in seinem Zuständigkeitsbereich um mindestens zehn Prozent senken will. Vorgaben für Privatunternehmen oder -haushalte sind dabei nicht vorgesehen: „Wir werden nicht zu Verboten oder Vorgaben kommen“, sagte Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), „ich finde es besser, auf Kooperation zu setzen.“ Für Ende September kündigte sie eine ebensolche Vereinbarung mit der Berliner Wirtschaft an.

Der Energieverbrauch der sogenannten öffentlichen Hand, also der Landes- und Bezirksverwaltungen, Schulen, öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmbäder und Sportstätten, macht nach Schätzung von Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, SPD-nah) rund ein Zehntel des gesamten Verbrauchs im Land aus. Sowohl Giffey als auch Schwarz erhoffen sich von den nun beschlossenen Vorgaben für den öffentlichen Bereich auch eine Vorbildwirkung in Berlin. Das Ganze soll „ab sofort“ gelten – was auch heißt: In bislang beheizten Freibädern wird es schon in den nächsten Tagen kühler.

Aus Giffey Sicht sind die jeweiligen Lebensumstände zu unterschiedlich, um Privatpersonen gleichfalls ein konkretes Einsparziel vorzugeben – analog zu den nun angestrebten zehn Prozent im öffentlichen Bereich. Zum wiederholten Male sprach die Regierungschefin am Dienstag von „Achtsamkeit“ als Maßstab für das persönliche Handeln – was für sie heißt: Immer im Kopf haben, wo sich unnötiger Energieverbrauch vermeiden lässt.

Dabei griff sie ein Beispiel auf, das am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion Caritas-Chefin Ulrike Kostka genannt hatte – eigentlich habilitierte Moraltheologin und nicht Umweltberaterin – und das Giffey weiterzutragen versprochen hatte: nur halb gefüllte und dadurch mehr Strom verbrauchende Kühlschränke mit leeren Flaschen aufzufüllen. Konkret sollen Büros von Land, Bezirken, nachgeordneten Behörden und Landesunternehmen nur noch auf maximal 20 Grad geheizt werden. Bislang gibt es laut Senator Schwarz eine „Soll-Temperatur“ von 21 Grad. Weniger ist wegen der bundesweit geltenden Arbeitsstättenverordnung nicht möglich: Falls die sich aber ändert, sollen es 19 statt 20 Grad sein. Auf Fluren ist künftig 16 Grad das Maximum – wobei Wartebereiche davon ausgenommen sein sollen. Sporthallen sollen auf höchstens 17 Grad beheizt werden.

Ausnahme für Kitas und Grundschulen

Nicht betroffen von diesen Temperaturvorgaben sind laut Giffey auch Grundschulen und Kitas. Nach taz-Informationen sind Flüchtlingsunterkünfte ebenfalls ausgenommen. Die Regierungschefin machte klar, dass im Zweifelsfall Gesundheitsschutz vor Energiesparen geht: Wenn es die Coronapandemielage erfordert und zu kühle Außentemperaturen normales Lüften nicht mehr ermöglichen, sollen in den Schulen Luftfilter trotz Stromverbrauchs wieder zum Einsatz kommen.

Grundsätzlich mühten sich beide Senatsmitglieder, die Einsparungen als vertretbar darzustellen. „Das heißt doch nicht, dass wir Dunkeltuten haben in der Stadt“, sagte Giffey. Dunkel soll es auch beim – privat finanzierten – „Festival of Lights“ nicht werden. Laut Senator Schwarz wollen die Veranstalter aber die Dauer der Beleuchtung verkürzen.

Giffeys Vorstoß, Verbote und Vorgaben auszuschließen, könnte für Unmut in der Koalition sorgen. Insbesondere Sozialsenatorin Katja Kipping (Linkspartei) hatte stets betont, dass auch die Unternehmen reguliert werden müssten. Konkret ins Spiel gebracht hatte Kipping etwa ein Moratorium für Strom- und Gassperren sowie das Abschalten von Leuchtreklamen.

Aus der Linkspartei hieß es dann auch am Dienstag, in diesen Fragen sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Was der Senat heute beschlossen hat, ist ein notwendiger, aber nur ein kleiner Teil dessen, was getan werden muss“, sagte Linken-Fraktionschef Carsten Schatz der taz. Man werde auch über Regulierungen reden müssen. Hier könne Berlin auch eigenständig tätig werden, obwohl in vielen Fragen der Bund gefordert sei. Denkbar ist laut Schatz etwa ein Räumungsmoratorium für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften oder Zuschüsse für Privathaushalte, um Strom- und Gassperren zu verhindern.

Zu diesen Fragen war bei der Pressekonferenz mit den Senatsvertretern nichts zu hören. Giffey bekräftigte allerdings erneut ihre Position, den vereinbarten Energie-Notfallfonds von 380 Millionen Euro aufzustocken. Vergangene Woche hatte sie bei einer Abendveranstaltung eine mögliche Summe von einer Milliarde Euro genannt und als Weg dahin einen Nachtragshaushalt in Aussicht gestellt. Am Dienstag mochte sie nicht erneut so konkret werden.

Explizit erwähnte die Regierungschefin hingegen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und sagte, Berlin müsse dort gegensteuern, wo der Bund nicht ausreichend handle – auch mit Blick auf die Berliner Unternehmen. Vermieden werden solle eine „Entlastungspolitik mit der Gießkanne“, sagte Giffey. Es brauche aber Instrumente, um Menschen zu entlasten, die angesichts der Energiepreise an ihre finanziellen Grenzen stoßen. Wie, das ließ sie offen: „Das müssen wir ausloten.“

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