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Ende von rot-grün in HannoverAufbruch abgesagt

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Hannovers rot-grüne Koalition zerlegt sich vordergründig wegen des Streits um die autoarme Innenstadt. Dahinter steckt eine Profilneurose der SPD.

Zurück auf normal null: OB Belit Onay bei der Pressekonferenz zum Ende der Koalition in Hannover Foto: dpa | Michael Matthey

A ch, es hätte ja so schön sein können. Endlich mal ein OB, der was hermacht, bundesweit Gehör findet, ein Hauch von Aufbruchstimmung weht durch das als langweilig verschriene Hannover.

Nee, sagt da die SPD, aber nicht mit uns. Nun haben sie also wirklich die grün-rote Koalition im Rathaus platzen lassen. Vordergründig, weil sie das Innenstadtkonzept des Oberbürgermeisters nicht mittragen wollten, hintergründig spielten wohl auch viele persönliche Befindlichkeiten und eine wuchernde Profilneurose eine Rolle. Die gute alte Wer-ist-hier-Koch-und-wer-Kellner-Frage, die hat ja Tradition in diesem Bündnis.

Es war schon darüber spekuliert worden, die SPD könnte künftig mit CDU und FDP eine Koalitionsmehrheit formen und dem grünen Oberbürgermeister Belit Onay das Leben sehr schwer machen. Aber nein, mit wechselnden Mehrheiten im Rat wolle man es jetzt versuchen, sagt SPD-Parteichef Adis Ahmetović. Da zähle dann die Kraft des Arguments.

Das klingt doch erst einmal hübsch, demokratietheoretisch jedenfalls, nach Wettstreit der Ideen und so. Der Haken ist nur: Fragt man nach konkreten Ideen, Konzepten, Visionen, die man da in den Wettstreit werfen wollte, werden einem schnell die Augen glasig und die Ohren schalten ganz von allein auf Durchzug.

Welches Profil die SPD hier zu gewinnen glaubt, bleibt ein Rätsel

Die Sache mit dem großen Wurf haben die Sozialdemokraten nämlich bisher ganz gern den Grünen überlassen, beschränken sich selbst lieber aufs Rummosern und kleines Karo. Auch jetzt wieder bei der großen Pressekonferenz zum Koalitionsbruch. Das einzige konkrete Beispiel, das kam: Eine Buslinie auf der Waldchaussee. Hm. Ansonsten beschränkt sich die Kritik auf: „Das muss man breiter diskutieren“ (nämlich mit Wirtschafts- und Sozialverbänden) und: „Was wird denn das kosten?“ (als ob so ein grundlegendes Konzept schon bis ins Letzte durchgerechnet sein könnte).

Die SPD scheint vollkommen darauf fixiert zu sein, dem grünen OB auf gar keinen Fall sein Prestigeprojekt zu gönnen. Aber welches Profil glaubt sie damit zu gewinnen? Wäre es nicht klüger, eigene Akzente zu setzen? Sich auf soziale Fragen zu konzentrieren, bei denen in der Stadt immerhin auch einiges im Argen liegt? Als totale Autofahrer-Partei und oberste Parkplatzverteidiger wollen die Genossen ja auch nicht durchgehen. Sie wissen, dass diese Rolle längst besetzt ist. Aber bei wem punktet man, wenn man zu allem „ja, schon, aber nicht so“ sagt?

Aber gut, auf der anderen Seite muss man den hannoverschen Grünen wohl vorwerfen, eine paar grundlegende Spielregeln nicht ganz verstanden zu haben: Nämlich, dass man in einem demokratischen Prozess halt Kompromisse machen und Mehrheiten organisieren muss.

Sind die jungen Wilden zu eifrig vorgeprescht? Haben sie die Beharrungskräfte unterschätzt? Oder die Woge der Zustimmung überschätzt, die sie durch die Oberbürgermeisterwahl 2019 und die Kommunalwahl 2021 getragen hat? Haben – wie es manche Sozialdemokraten behaupten – die multiplen Krisen der letzten zwei Jahre die Veränderungsbereitschaft der Bürger aufgezehrt? Ist das jetzt zu viel verlangt, wenn die auch noch woanders parken sollen?

Mal sehen, welche Erzählung am Ende hängen bleibt. Die eine geht so: Diese Grünen wollen ja immer nur auf Teufel komm raus ihre ideologischen Ziele durchsetzen, dabei ist nichts zu Ende gedacht und schon gar nicht durchgerechnet. Die andere geht so: Die SPD will alles zu Tode verwalten und in Hinterzimmern kleinquatschen bis kein Fortschritt mehr sichtbar ist.

So demontiert man sich gegenseitig. Das ist das traurige Ende eines Bündnisses, das irgendwann einmal für Aufbruch und Fortschritt stand. Man ahnt schon, wer dabei am Ende der lachende Dritte ist: Die, die früher sowieso alles besser fanden. Willkommen in der Hauptstadt des Stillstandes.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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3 Kommentare

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  • spd als partner für sozial progressive politik war schon in zeiten Rosa Luxemburgs vergeblich!!!



    und so beherrscht weiterhin das kleine karo und sonstige soziale begrenzungen das land ...

  • Nach hundert Jahren hat alles mal ein Ende.



    Am selbigen arbeitet grad intensiv die Verräterpartei "SPD".



    Der Name bedeutet übrigens: _Sozialdemokratische Partei Deutschland_



    Keine Sorge, das nur ein Name, das hat nichts zu bedeuten.



    Ursprünglich angetreten, um soziale Missstände zu beheben und die Verteilgerechtigkeit zu erhöhen, hat sie sich recht schnell zu einer Zuträgerpartei für Wirtschaftsbosse und Strickrundenkumpels entwickelt und ihre interne Personalpolitik auch intensiv auf diese Aufgabe eingestellt.



    Die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD wird wegen eines Unvereinbarkeitsbeschlusses der Parteileitung aufgelöst, die entsprechende Vollversammlung findet nächsten Freitag Abend in der Kneipe Ulenspegel statt, am Tisch beim Fenster, wie immer.



    Die beiden letzten Sozialdemokraten der SPD, Herr Dieter P. aus Hamburg und Frau Gundula M. aus Berlin, gehen in Rente und ziehen sich aus der Parteiarbeit zurück.

  • Und ich Blödmann habe geglaubt, dass sich hier endlich mal was bewegt. Nicht das ich ein Fan der Grünen bin, aber die SPD kann man komplett vergessen.