Ende von Freundschaften: Beziehung zweiter Klasse

Wenn Partnerschaften enden, dann dürfen wir trauern und weinen. Das ist gesellschaftlich akzeptiert. Warum ist das bei Freundschaften anders?

Eine Box mit Taschentüchern, aus der ein Tuch ragt

Hilft womöglich nicht nur beim romantischen Liebeskummer: Taschentuch Foto: plainpicture

Wenn sich der Partner oder die Partnerin trennt, steht sofort ein Spalier von Freun­d:in­nen mit Eis vor der Haustür bereit, um uns zu versichern, dass wir ohne den:­die Ex eh besser dran sind. Vergessene Pflichten und verquollene Augenlider werden mit verständnisvollen Blicken bedacht, schließlich kennt fast je­de:r diesen Ausnahmezustand des Grauens: Liebeskummer. Doch was ist eigentlich, wenn Freundschaften zu Ende gehen?

Die indisch-kanadische Dichterin Rupi Kaur schreibt in ihrem Gedicht „The Underrated Heartache“ sinngemäß: „Es ist die Art von Schmerz / die uns nicht trifft wie ein Tsunami / es ist ein langsamer Krebs“. Das Gedicht handelt vom Schmerz über den Verlust einer Freundschaft und davon, wie niemand sie vor diesem Gefühl warnte, wie sie vergeblich nach Songs und Büchern dazu suchte.

Tatsächlich kommt Freundschaftsliebeskummer in den gesellschaftlichen Narrativen von Trauer und Freundschaft kaum vor. Anerkannte Gründe zu trauern sind der Tod eines Familienmitglieds und die Trennung von einer romantischen Partnerin oder einem Partner. Wenn Freun­d:in­nen in popkulturellen Erzählungen vorkommen, sind sie die Nebenfiguren, die der Hauptfigur bedingungslos zur Seite stehen. Oder Leute, mit denen man sich besäuft.

Nach Rupi Kaur gibt es nur wenige Songs oder Filme, in denen Freundschaften als eigenständige Beziehung mit ihren eigenen Dynamiken und Konflikten vorkommen – und noch weniger, in denen es um das Ende einer Freundschaft geht. Wir lernen nur wenig darüber, dass auch Freundschaften Arbeit bedeuten, dass sie zu Ende gehen können und wie weh das tun kann.

Keine Worte für diese Art von Liebeskummer

Freundschaften werden in unserer Kultur neben romantischen Partnerschaften tendenziell wie Beziehungen zweiter Klasse behandelt. Deshalb laufen wir Gefahr, auf Unverständnis zu stoßen, wenn wir deswegen lange traurig sind.

Dazu kommt, dass das Ende einer Freundschaft nicht immer klar markiert ist. In Partnerschaften gibt es meist eine klare Trennung. Auch Freundschaften werden manchmal gekündigt. Oft ändern sich aber die Lebensumstände, Interessen und Prioritäten schleichend.

Jemand meldet sich kaum noch, weil sie viel arbeitet, jemand zieht um und plötzlich begegnet man sich nicht mehr im Alltag. Manchmal wendet sich jemand still ab aufgrund einer Verletzung oder ein ungeklärter Konflikt verhärtet sich. Manche Freundschaften gehen auch nicht zu Ende, aber verändern sich.

All das bedeutet Verlust und kann Trauer auslösen. Wenn wir aber keine Worte und Bilder für diese Art von Liebeskummer haben, schämen wir uns vielleicht eher dafür, als ihn auf eine gesunde Weise zu verarbeiten. Ich wünsche mir einen allgemeinen Konsens, mit Eis und Kleenex-Boxen parat zu stehen, sobald ein:e Freun­d:in an Freundschaftsliebeskummer leidet.

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Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

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