Ende des Corona-Schuljahrs in Berlin: Abhaken oder aufarbeiten?
Für viele Eltern, Kinder und Lehrer*innen war es das schlimmste Schuljahr überhaupt. Die Schließung der Schulen darf sich nicht wiederholen.
A m Mittwoch ging in Berlin und Brandenburg das wohl seltsamste, aufregendste, besorgniserregendste, für manche schlicht schlimmste Schuljahr seit Jahrzehnten zu Ende. Die Coronapandemie hatte – allen Beteuerungen und Vorplanungen der Bildungsminister*innen im Herbst zum Trotz – geordneten, konzentrierten Unterricht seit Dezember weitgehend unmöglich gemacht und zu massiven Lücken im Unterrichtsstoff geführt.
Schlimmer noch: Das Alltagsleben und die Kontakte zu Freund*innen waren lahm gelegt mit Folgen, die wir erst in einigen Monaten oder Jahren endgültig einschätzen können.
Viele Kinder und Jugendliche gehen verunsichert in diese Ferien. Wie sollen sie mit den vergangenen Monaten umgehen: schlicht abhaken und möglichst vergessen, was schief lief in der Schule, im Elternhaus, in der Gesellschaft? Oder genau das aufarbeiten? Sich auf eine neue Normalität freuen? Oder, umgekehrt, verinnerlichen, dass es so etwas wie eine Normalität nicht (mehr) gibt?
Im besten Fall kann mit dem Ferienbeginn die Post-Coronaphase in Berlins Schulen beginnen. In den nächsten Wochen bieten sie Kurse an für jene, die übermäßig viel Stoff aufholen müssen. Mit etwas Glück sind Anfang August alle Lehrkräfte geimpft und können damit sorgenfreier vor die Klasse treten.
Und wenn die Schulen am 9. August wieder regulär und mit Regelunterricht öffnen, können sie ihren inhaltlichen Beitrag leisten zum Umgang mit den bis dahin eineinhalb Pandemiejahren: Sicherheit vermitteln und manch ausgelassenes Wissen, soziale Kompetenzen trainieren, die Klassen wieder zu jenen Einheiten formen, die für das Leben der Kinder und Jugendlichen so bedeutsam sind.
Nun hat vor wenigen Tagen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen erneuten Wechselunterricht mit geteilten Klassen und Homeschooling nach den Sommerferien explizit nicht ausgeschlossen. Das mag eine Lehre aus den Ungewissheiten der Coronazeit sein.
Sorgen macht dieser Vorstoß dennoch, auch wenn eine Entscheidung darüber letztlich weder von Spahn noch von seinem Ressort getroffen würde. Denn damit wird die politische Grundlage bereitet für etwas, das – um es ganz klar zu sagen – auf gar keinen Fall eintreten darf und nichts weniger wäre als die komplette Bankrotterklärung der deutschen Bildungspolitik.
Schlecht vorbereitet auf den erneuten Lockdown
Das vergangene Halbjahr hat gezeigt, wie unterschiedlich die Schulen auf die erneuten Schließungen vorbereitet waren. In machen – auch in ärmeren Kiezen – wurde intensiv Homeschooling auch via Computer gemacht. In anderen, auch in den sozial starken Kiezen, blieben die Bildschirme dunkel und die Kontakte zwischen Kindern und Lehrer*innen zaghaft. Lüftungsfilter in Klassenzimmern hatten vielfach Seltenheitswert.
Der eigentliche Skandal war aber ein anderer: Ein großer Teil der Verantwortung für einen gelungen Unterricht wurde an die Eltern delegiert, ohne sie im Gegenzug vom Berufsleben zu entlasten. Das zeigte: Die Wirtschaft hat politisch Priorität; wo deren gut ausgebildeter Nachwuchs herkommen soll, ist erst mal egal.
Dass es so kam, lag keineswegs allein an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und ihren Kolleg*innen in den Ländern. Damit es aber nicht mehr so kommt, braucht es nun verbindliche Ansagen und Konzepte.
Es muss klar sein, wie trotz möglicher weiterer Coronamutanten, einer auch im Herbst kaum geimpften Schüler*innenschaft und einem politischen Machtvakuum ab September, weil dann die Wahlen für den Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus stattfinden werden, das nächste Schuljahr nicht wieder ein seltsames, besorgniseerregendes, schlimmes Schuljahr wird.
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