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Ende der EiszeitIndien und China wagen einen diplomatischen Neustart

In Peking vereinbart ein hoher indischer Diplomat die überfällige Wiederaufnahme von Direktflügen zwischen beiden Ländern.

Der See Manasarovar in Tibet, Ziel indischer Pilger Foto: Anton Yulikov/imago

Mumbai taz | Seit fast fünf Jahren ist der direkte Flugverkehr zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt ausgesetzt. Das zeigt, wie schlecht die Beziehungen zwischen Indien und China sind. Der Grund ist nicht nur eine Folge der Coronapandemie, sondern auch ein tödlicher Grenzkonflikt im Juni 2020. Dabei starben im Galwantal im Himalaja bei einem großen Handgemenge unbewaffnete Soldaten beider Seiten an der umstrittenen Grenze. Chinesische Soldaten waren nach indischer Lesart auf Indiens Gebiet vorgedrungen. Der Vorfall erschütterte Indiens Öffentlichkeit und führte zur diplomatischen Eiszeit zwischen den rivalisierenden Atommächten.

Doch damit könnte es jetzt vorbei sein. Indiens Außenstaatssekretär Vikram Misri reiste am Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in die Volksrepublik. Bei den Gesprächen ging es neben der Wiederaufnahme von Direktflügen auch um Reisen indischer Pilger zum See Manasarovar in Tibet ab dem Sommer. Auch einigten sich beide Seiten auf einen leichteren gegenseitigen Zugang für Jour­na­lis­t:in­nen.

„Indien ist bereit, mit China zusammenzuarbeiten, gemeinsam den 75. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu begehen, und China in seiner Rolle als rotierender Vorsitzender der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit voll zu unterstützen“, sagte Misri. Er war früher Indiens China-Botschafter.

Auch der Dialog über grenzüberschreitende Flüsse und der Austausch hydrologischer Daten, den China jahrelang ausgesetzt habe, solle wieder aufgenommen werden, hieß es. In Chinas autonomen Gebiet Tibet entspringen mehrere große Flüsse, die nach Indien fließen.

Chinas Außenminister: „Entgegenkommen statt Misstrauen“

Chinas Außenminister Wang Yi forderte ein Ende des „gegenseitigen Misstrauens und der Entfremdung“. Beide Staaten sollten „die Gelegenheit ergreifen, einander auf halbem Weg entgegenkommen […], statt einander zu misstrauen, sich zu entfremden“, so Wang.

Eine erste Annäherung hatte es schon in den letzten Monaten gegeben: Etwa am Rande des Brics-Gipfels in Russland im Oktober, wo sich Indiens Premier Narendra Modi mit Chinas Staatschef Xi Jinping erstmals seit fünf Jahren traf. Dem voraus gingen mehrere Verhandlungsrunden zwischen Militärs und Diplomaten über den Grenzstreit im Himalaja.

Für Indien scheint die Normalisierung der Beziehungen trotz bestehender Vorbehalte ein pragmatischer Schritt zu sein. Seit Sommer 2020 hat Indien etwa 400 Apps mit Verbindungen zu China gesperrt. Auch braucht es eine staatliche Genehmigung für chinesische Direktinvestitionen. Doch China bleibt ein unverzichtbarer Handelspartner.

Die Entspannung wird allerdings durch Pekings Ankündigung vom Dezember getrübt, in Tibet den Megastaudamm Zangmu bauen zu wollen. Der Fluss Yarlung Tsangpo, der dort entspringt und als Brahmaputra durch Indien fließt, ist für den Subkontinent nicht nur als Wasserquelle, sondern auch geopolitisch wichtig.

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2 Kommentare

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  • Fliegen ist Mist für die Umwelt, aber in diesem Falle ein Indikator für dort dringend nötige Gespräche und Klärungen. Das Recht ist eher auf Seiten Indiens, die Macht und das Bedürfnis eher auf Seiten Chinas. Ohne Wasser vom Himalaya ist der südöstliche Teil Asiens in Nöten. Da sollte man gerade eher auf gemeinsame Aktionen fürs Klima verfallen!

  • Das ist doch schön.