Ende der Coronamaßnahmen: Lasst die Masken auf!
Es ist richtig, dass aktuell gelockert wird. Doch für viele ist die Pandemie noch nicht vorbei. Um sie zu schützen, sollten wir Masken tragen.
V or einer Woche verstarb mein Onkel. Ich rief meine Tante an, um mein Beileid auszusprechen und ihr zu sagen, wie traurig ich war. Ihre Tochter war extra angereist, um ihren Vater zu sehen. Sie erzählten mir, dass sie, als er starb, nicht zu ihm durften. Wegen der Coronabestimmungen. Pro Tag durfte nur eine Person für eine Stunde ins Krankenhaus. Und die war an dem Tag schon benutzt. Die Tage davor konnten sie nicht zusammen bei ihm sein; die Stunde aufteilen, das ging nicht. Dass sie nicht bei ihm sein konnten, dass er alleine starb, das lässt sie nicht los.
Für mich persönlich ist die Pandemie, ehrlich gesagt, ziemlich vorbei. Ich bin dreimal geimpft, danach infiziert, vor einer weiteren Ansteckung habe ich keine Angst, selbst wenn sie kommen sollte. Aber diese Pandemie ist für so, so viele Menschen nicht vorbei. Für Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten, die schwer erkranken oder Long Covid haben. Für Familien, weil die Kita mal wieder schließt. Für Menschen, die sterben. Oder für Menschen, die Angehörige in Krankenhäusern oder Pflegeheimen haben.
Es ist sinnvoll, in einer Situation, in der viele Menschen geimpft sind, die Kontaktbeschränkungen nicht aufrechtzuerhalten und alles zu lockern so weit nur irgend möglich. Aber wie die FDP die anderen Koalitionsparteien davon überzeugt hat, eine Maßnahme aufzuheben, die mit geringstem Aufwand maximale Wirkung hat, ist mir absolut schleierhaft: die Masken.
Das Gefasel von Freiheit
Eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft vom Dezember 2021 weist die erstaunlich hohe Effektivität von FFP2-Masken nach. Die Forscher:innen haben für zahlreiche Situationen das Infektionsrisiko berechnet. Wenn keine Masken getragen werden, steckt man sich laut Studie in Innenräumen sogar bei mehreren Metern Distanz an. Wenn aber beide Personen eine FFP2-Maske tragen, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten sogar bei kürzester Distanz gerade mal ein Promille. Es gibt wohl kaum irgendeine Präventionsmaßnahme, die derart gut schützt.
Masken sind nicht die einzige Lösung der Pandemie, aber eine Maßnahme, die leicht umzusetzen ist. Denn je höher die Infektionszahlen sind, umso größer die Belastungen für das Klinikpersonal, für alte Menschen, für Vorerkrankte, für so viele andere. Die scheinen der Ampelkoalition aber schlicht egal zu sein. Maskenpflicht? Weg damit. Diese Manche-Menschen-sind-uns-halt-egal-Haltung scheint gänzlich auf die FDP zurückzugehen. Die faselt währenddessen von „Freiheit“. SPD und Grüne folgen.
Freiheit ist für mich, wenn nicht nur Menschen wie ich frei sein können. Nerven mich Masken? Ehrlich gesagt, ja. Aber sie wirken halt. Blöd nur, dass Wissenschaftlichkeit in den Überlegungen der Ampelkoalition keinen Platz hat. Oder Solidarität. Oder Mitgefühl. Tolle Freiheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen