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Emissionshandel und WeihnachtenCO2 statt Gold­barren

Bitte schicken Sie unserem Autor zu Weihnachten keine geräucherte Rinderhälfte und auch keine fair gehandelten Goldbarren. Er hat eine bessere Idee.

Bitte ausnahmsweise dieses Jahr keine fair gehandelten Goldbarren zu Weihnachten verschenken Foto: Westend61/imago

I ch weiß doch, wie es Ihnen geht, liebe LeserInnen: Nächste Woche ist Weihnachten, jetzt sind die Läden zu und Sie haben wieder mal keine Idee, was Sie schenken sollen. Sie fragen sich: Mit welchen guten Gaben zeige ich zu Weihnachten Dankbarkeit und Zuneigung? Vor allem solchen Menschen, die a) nichts brauchen, b) nichts wollen, c) alles haben, aber d) insgeheim doch eine tolle Überraschung erwarten?

Ich selbst bin da ein gutes Beispiel. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit meldet sich mein Briefträger krank, weil er es nicht schafft, all die Kartons, Päckchen, Säcke und Container zu meinem Schreibtisch zu schleppen, mit denen mich meine LeserInnen überschütten.

Ich muss Sie deshalb dringend bitten, von Geschenken in diesem Jahr ausnahmsweise einmal abzusehen: An der geräucherten Rinderhälfte der letzten Weihnacht hat meine teilvegetarische Familie immer noch zu knabbern; in unserer Tiefgarage ist inzwischen einfach kein Platz mehr für das alljährliche neueste Tesla-Modell.

Und bitte schicken Sie auch keine fair gehandelten Goldbarren mehr an mein Postfach bei der taz. Der Kollege am Empfang hat’s im Rücken, und die Dinger sind wirklich unglaublich schwer.

Geld in Kohlendioxid anlegen

Aber es wird Weihnachten, und ich will Sie nicht ohne einen guten Tipp in die Dunkelheit des Shutdowns entlassen. Wenn Sie also mir, sich, der Welt, Ihren Kindern und der Zukunft ein Geschenk machen wollen, könnten Sie Ihr Geld in Kohlendioxid anlegen. Und ganz einfach und bequem mit ein paar Mausklicks am Europäischen Emissionshandel teilnehmen.

Auf der Website compensators.org können Sie ganz nach Lust, Laune und Kontostand CO2-Emissionen reduzieren. Einfach derzeit 35 Euro pro Tonne Klimagas überweisen, und – zack – schon haben Sie der Atmosphäre 1.000 Kilogramm Klimakiller erspart. Danke dafür!

Das Ganze ist seriös, keine Angst. Denn Sie machen, was sonst nur Chemiefabriken oder Kohlekraftwerke tun: Sie kaufen eine Lizenz zum Verschmutzen. Aber die nutzen Sie nicht. Nein, Sie lassen Sie einfach liegen. Die Vorteile: Sie helfen dem Klima, Sie entlasten Ihr Ökogewissen (wenn Sie Ihre jährliche Klimaschuld von 10 Tonnen abbüßen, ist für ein Jahr Ruhe), Sie unterstützen über den „Energie- und Klimafonds“ die Energiewende und Sie ärgern die Industrie, weil die Preise steigen. Außerdem können Sie bei Ihren Freunden angeben. Das ist schon mal 35 Euro wert.

Seit 2006 haben die Compensators, eine Idee von Klimawissenschaftlern, nach eigenen Angaben rund 40.000 Tonnen CO2 stillgelegt. Nicht schlecht. Allerdings gibt die EU jedes Jahr knapp 2 Milliarden Zertifikate aus. Da wartet also noch ein großer Schlitten voller Weihnachtsgeschenke. Sie können die Luftbuchungen schließlich auch für einen lieben Menschen tätigen und ihm oder ihr das gute Gewissen schenken.

Also, wie gesagt: Behalten Sie in diesem Jahr bitte die Rolex-Uhren, die Kästen voller Champagnerflaschen und die Krawatten mit Goldrand für sich – wenn Sie Ihrem Kolumnisten eine Freude machen wollen, überraschen Sie ihn mit einem romantischen CO2-Zertifikat. Und falls ich doch dringend etwas zum Einpacken unterm Weihnachtsbaum brauche, kann ich immer auf meine Nachbarn zählen: Bei nebenan.de gibt es nur zwei Straßen weiter ein Lillifee-Einhorn-Schaukelpferd zu verschenken. Nicht ganz mein Stil. Aber für die Rettung der Welt kann man zu Weihnachten schon mal ein Opfer bringen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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6 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wo sind die großen Wasserstoffproduzenten in Deutschland?



    8,2 Mio vom Wirtschaftsministerium für Siemens Engergy + Porsche! Gut für die Portokasse.

    „Das sieht nicht revolutionär aus, ist es aber“, sagte Altmaier in einer Online-Pressekonferenz in Berlin. Die beiden Unternehmen Siemens Energy und Porsche nähmen eine Pionierrolle ein."

    Bei 8,2 Milliarden sähe die Sache anders aus.

  • solange reiche grossverursacher*innen von co2 und arme die wenig co2 verursachen gleich viel pro tonne co2 zahlen müssen wird aus dem klimaschutz nichts werden.dass die grünen das nicht verstanden haben und auch nicht verstehen wollen ist der hauptgrund dafür warum sie versagen werden

    • @satgurupseudologos:

      Das nennt man "Mengenrabatt", ab gewissen Mengen werden die Stückkosten halt geringer und der Großabnehmer muß weniger pro Einheit bezahlen. Damit das nicht so auffällt, wird am Peis für Kleinabnehmer ein wenig angepasst.



      Wer Ironie findet, darf sie gerne weiterverwenden.

      • @Wundersam:

        Ich bin kein Sokrates und weiss nicht wie man ironie weiterverwendet



        -aber eines weiss Ich ganz sicher



        dass reiche leute für die unterlassung der gleichen für die gesellschaft schädlichen aktivität eine höhere geldstrafe brauchen als arme leute.



        deshalb wird von gerichten bei der verhängung von geldstrafen für schädliche aktivitäten die alle unterlassen sollen nach der höhe des einkommens gefragt.



        die co2 steuer nicht als sanftes marktkonformes umerziehungsmittel sondern explizit als eine strafsteuer für unverantwortliches verhalten zu konzipieren wäre der schwere der krise und der grösse der gefahren die mit dieser verbunden sind angemessener und würde eher und schneller zum erfolg führen.



        Ich schlage darum vor die individuellen co2 emissionen aller eu-bürger*innen zu erfassen und diese in abhängigkeit von ihrer höhe und von der höhe des einkommens ihrer verursacher*innen zu besteuern



        dieses modell der doppelten progression generiert auch die einnahmen die man braucht um den beschleunigten ausstieg aus dem fossilismus sozial gerecht abzufedern.



        man könnte beispielsweise die mehrwertsteuern für alle nicht oder nicht allzu-umweltschädlichen angebote des marktes senken oder sogar abschaffen .davon profitieren die massen einschliesslich der armen.

  • Wenn man dann noch die 35 Euro von der Steuer absetzen und so seine Einkommensteuer kürzen könnte, wie die Unternehmen die Steuern auf Gewinne wegen der Zertifikatskosten, dann hätten auch die Schenkenden was davon. Eine win-win Situation.



    Und wer schon weiß, wohin die Freund*innen ihre Flüge in den Oster- und Sommerurlaub gebucht haben, der könnte ja, alternativ, auch den CO2 Ablass bei den Ablasshändlern übernehmen; dem Klima zuliebe. Diese Ablässe wären auch für die künftigen Erben ein besonderer Beweis, wie verantwortungsvoll das Handeln ihrer Eltern war und wie klimafreundlich ihre Reisen waren.

  • Diese halbernst gemeinte Kolumne zeigt, wo das Problem liegt.

    1. Gibt es offensichtlich Mängel in der Berechnung und sei es einfache Mathematik:

    "35 Euro pro Tonne Klimagas überweisen, und – zack – schon haben Sie der Atmosphäre 1.000 Gramm Klimakiller erspart."

    2. Hat der Emissionshandel irgendwie noch kein einziges Gramm CO2 gespart, sondern im Gegenteil durch den Handel erstmal welches "generiert". Und sei es per Kühlung der notwendigen Server. Es gibt offensichtlich nahezu unendlich viele

    "gibt die EU jedes Jahr knapp 2 Milliarden Zertifikate aus. "

    und die Kosten werden einfach auf den Verbraucher umgelegt.

    Was macht die EU eigentlich mit den 70 Mrd Euro, die sie jedes Jahr von ihrer eigenen Wirtschaft einnimmt? Subventionen auszahlen, um die niedrigeren CO2 Preise anderswo auszugleichen? Alles im Sinne des Wettbewerbs.