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Elternschaft im Realitäts-CheckDas Seifen­schalenproblem

Was man alles anders machen wollte, als man noch keine Kinder hatte. Und was man macht, wenn man Kinder hat. Das sind zwei verschiedene Welten.

Plastik! Wir brauchen mehr Plastik! Foto: Lai Leng Yiap/imago

W enn man selbst keine Kinder hat, erzählt man sich ja gern Dinge darüber, wie man als Eltern sein würde. Was man alles anders machen würde als die Leute, die man an ihrem Nachwuchs verzweifeln sieht. Was man besser machen würde als die Freunde mit Kindern, die ja bitte komplett die Kontrolle verloren haben.

Dass man sich einfach mal durchsetzen müsste. Kinder bräuchten schließlich Grenzen (lol). Dass man weiter sein normales Leben führen würde – nur halt mit Kindern. Die würden aber sicher nicht immer im Mittelpunkt stehen (Doppel-lol). Dass sich nichts ändern würde am Kleidungs- oder Einrichtungsstil und schon gar nicht an der Elternbeziehung. (Ich lachweine.)

Und natürlich die Klassiker: Kein hässliches grellbuntes Plastikspielzeug, überhaupt wenig Spielzeug, keine Süßigkeiten oder Fastfood, kein Fernsehen und keine Klamotten, die aussehen, als hätte der Hulk ein Feuerwehrauto gefressen, halb verdaut und wieder ausgekotzt. Schließlich hat man gewisse Standards und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit.

Viele Menschen kritisieren Eltern für banalste Dinge. Ich hab’s auch schon getan. Das ist wenig originell in seiner Häufigkeit, aber total entlarvend in seiner Naivität. Es zeigt, wie wenig Ahnung viele Leute davon haben, was es konkret bedeutet, Eltern zu sein. Dafür können sie oft gar nichts, denn die Großfamilien – das sprichwörtliche Dorf, das wir alle suchen – gibt es kaum noch. So kommen viele in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens gar nicht oder nur wenig mit Kindern in Berührung. Wissen nicht, wie man ein Baby hält, wickelt oder wie es sich anfühlt, sich auf dem Klo zu verstecken, beim Einkaufen zu erholen oder heimlich Dinge zu essen, die man nicht teilen will.

Eine Seifenschale aus Kunststoff muss her

Wie sehr ich selbst daran festhalte, diese Mutter zu sein, von der ich immer gedacht hatte, dass ich sie sein würde, ist mir letztens aufgefallen, als ich die Scherben der Seifenschale in den Müll geworfen habe. Es war die dritte zerbrochene Seifenschale in einem Jahr, dazu ein im Waschbecken zerschellter Seifenspender. Und es tut nichts zur Sache, dass es jedes Mal mein Partner war, der diese Dinge letztendlich zerbrochen hat, nachdem die Kinder sie bereits achthundertmal runtergeworfen haben. Denn die Seifenschale aus Keramik steht nur symbolisch für mein Festklammern an erwachsener Optik in unserer Wohnung.

Ich gebe mich geschlagen, es muss eine Seifenschale aus Kunststoff her. Nach den Nachttischlampen aus Plastik (was die beste Idee war, die ich je hatte), der jährlichen Antirutschmatte für die Badewanne und dem Plastikgeschirr nun eben die Seifenschale.

Die Kinder essen auch aus Keramikgeschirr und trinken aus Gläsern. Aber im Kinderzimmer kriegen sie nur Plastik oder Emaille. Raue Materialien ertrage ich nicht und zu hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Glas zerbricht und die Scherben dann unter dem ganzen hässlichen grellbunten Plastikspielzeug verschwinden.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wiederhol mich ungern - geb aber doch noch mal den ollen Cato - wa.



    Wir waren mit die ersten in den 70ern mit nem Kind unter den Studis Uni/Mbg/Lahn.



    Ja - wir bürgerlichen waren privilegiert mit Geld für ihre Anna - die Kinderfrau.



    But. Mir alles wie oben unbekannt. Bin offensichtlich mit meinen vier Kids in deiner exterristischen Zwischenwelt durch‘s Leben gebeamt! Woll.



    Und das Ganze in zwei recht unterschiedlichen Runden bis ins laufende Jahrhundert.



    Allerdings mach ich mir - the man with the dog and the two children - auch selten nen Kopp! Und wg Kiddies schon mal gar nicht. Vor allem aber nicht über die “Gebührlichkeit“ meines Lebens oder ähnlicher Dreibastigkeiten!



    & vor allem - Scherben -



    Wie mein Urgroßvater bereits humorvoll anzumerken wußte:



    “Nur weil James ab und an mal einen Teller zerbricht!



    Können wir schließlich nicht von Blech essen!“



    &



    unterm—— btw zB



    Ja - auch ich kenne Berichte von Kollegen von Kindern -



    die zB - den Arm ins Bücherregal und alles abgeräumt! Schonn.



    Aber unsere erste Runde - rückte - von Leib&MagenStücken mal ab -



    die sorgsam gehüteten Kinderbücher für die zweite Runde raus!



    Die dann später wieder retourniert wurden!



    Und heute die Enkelketten durchlaufen!



    Ala - Henriette Bimmelbahn - Das gelbe Haus usw usf

  • „So kommen viele in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens gar nicht oder nur wenig mit Kindern in Berührung."



    Wirklich? In ihren ersten Jahrzehnten??? Kann ich mir garnicht vorstellen.



    Viele wachsen mit Geschwistern auf, viele haben Nichten, Neffen, Cousinen, viele haben Freunde und/oder Verwandte mit Kindern, viele sitten Babys, alle waren selber Kinder und viele haben selbst welche.

    • @Martha:

      Unter den Familien ist der Anteil mit Einzelkind sehr hoch, unter den Kindern recht niedrig. Begreifen manche Innumeriker nie. Allerdings habe ich als Einzelkind wirklich erst spät an meiner eigenen Tochter (zu unserem Kummer aus medizinischen Gründen auch Einzelkind) lernen können. Und ich habe gelernt, schnell. Meinungen über andere Eltern hatte ich erst danach, Beobachtungen schon vorher. Nicht alle Fehler muß man selbst machen.

  • Zitat: heimlich Dinge zu essen, die man nicht teilen will.

    Made my day!

  • > Dass man sich [...] Es zeigt, wie wenig Ahnung ...



    Sie werden es vermutlich nicht glauben wollen, aber das alles, die komplette Liste, haben wir bei meiner Tochter tatsächlich erfolgreich durchgehalten. Sie ist jetzt geschätzte zehn Jahre jünger als Sie, Frau Hödl. Natürlich hat sie als Kind -- und erst recht als Jugendliche und junge Erwachsene -- Sachen zerbrochen, aber mehr als meine Frau und ich, und vermutlich als Sie Frau Hödl, war es auch nicht.