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Eintritt in VerteidigungsbündnisZypern will in die Nato

Mitglied der EU und der Eurozone ist die Republik Zypern schon, aber nicht in der Nato. Nun will sie dem Nordatlantikpakt beitreten. Die Türkei ist dagegen.

Eine riesige Flagge ist auf einen Berg im türkisch besetzen Gebiet Zyperns gemalt Foto: David Robertson/imago

Athen taz | „Wir diskutieren mit den USA, welche Möglichkeiten eine Nato-Mitgliedschaft der Republik Zypern bietet, so dass, wenn alles unter Dach und Fach ist, Zypern Nato-Mitglied werden kann“, sagte Zyperns Staatspräsident Nikos Christodoulidis am vorigen Donnerstag in Zyperns Hauptstadt Nikosia. Er sei „erfreut über die positive Antwort, die er von den USA erhalten hat“, fügte Christodoulidis hinzu.

Regional, aber auch geopolitisch wäre ein Nato-Beitritt Zyperns ein Paukenschlag. Denn seit der völkerrechtswidrigen Invasion regulärer türkischer Truppen im Sommer 1974 in den Inselnorden und der seither währenden Besetzung von etwa einem Drittel der Inselfläche ist Zypern faktisch geteilt. Rund 160.000 Zyperngriechen wurden aus dem Inselnorden in den Inselsüden vertrieben, Tausende Zyperntürken verließen den Inselsüden in Richtung Norden. Die Zyperngriechen kontrollieren den Inselsüden, die Zyperntürken den Inselnorden.

Die 1983 ausgerufene „Türkische Republik Nordzypern“ wird nur von der Türkei anerkannt. Die Republik Zypern wurde 2004 EU-Mitglied und trat 2008 der Eurozone bei. De jure gehört die ganze Insel zur EU. Die letzten bilateralen Gespräche zur Lösung der Zypernfrage scheiterten Mitte 2017.

Die Türkei will eine Zwei-Staaten-Lösung, das lehnt die Republik Zypern jedoch vehement ab. Der Inselnorden zählt 350.000 Bewohner, die Türkisch sprechen und fast alle Muslime sind. Der Süden hat 900.000 Bewohner, die Griechisch sprechen und fast alle orthodox sind. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt der Welt.

Strategische Kooperation mit den USA

Nach Russlands Invasion im Februar 2022 in die Ukraine hat sich die Republik Zypern endgültig von Moskau abgewandt, nachdem Nikosia jahrzehntelang enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zunächst mit der Sowjetunion und später der Russischen Föderation pflegte.

Unterdessen hat Zypern eine strategische Kooperation mit den USA gestartet, wie Zyperns Außenminister Konstantinos Kombos erst kürzlich in einem Interview der taz sagte. Sie beruhe auf sechs Grundpfeilern, darunter in den Bereichen Bildung, Forschung sowie Technologie.

Zu Zyperns strategischer Kooperation mit den USA in nicht-militärischen Feldern ist nunmehr eine strategische militärische Zusammenarbeit hinzugekommen: Wie Christodoulidis diesbezüglich nun bestätigte, wolle Zypern den USA einen Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung stellen.

Für die USA wäre ein Beitritt Zyperns zur Nato und der Aufbau eines Stützpunktes für die US-Luftwaffe durchaus bedeutend: Zypern wäre wegen seiner geostrategischen Lage im östlichen Mittelmeer für die Nato ein wichtiges Land, nicht zuletzt, um Russlands Einfluss, Militärpräsenz und militärischen Aktivitäten im Nahen Osten die Stirn zu bieten.

Regierung ohne Entscheidungsbefugnis

Schon jetzt werden die beiden exterritorialen britischen Militärstützpunkte im Inselsüden – Dekelia nahe Larnaka sowie Akrotiri nahe Limassol – während der Krisen in der Region wie jetzt ebenso von den USA genutzt. Die libanesische Hisbollah hatte bereits im Juni damit gedroht, Zypern mache sich zum Angriffsziel, falls es „seine Flughäfen und Basen für den israelischen Feind öffnet“. Dabei hat die Regierung in Nikosia keinerlei Entscheidungsbefugnis für die beiden britischen Stützpunkte auf Zypern. Denn sie sind Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs.

Erstmals hatte die griechische Tageszeitung Kathimerini über die Beitrittspläne Zyperns zur Nato berichtet. Darüber habe Christodoulidis bei einem Besuch im Weißen Haus am 30. Oktober mit dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden gesprochen, so Kathimerini. Hernach habe Christodoulidis auch den neuen Nato-Generalsekretär Mark Rutte über Zyperns Beitrittspläne in Kenntnis gesetzt.

Der Haken: das Nato-Schwergewicht Türkei sträubt sich mit Nachdruck dagegen. Ein Nato-Beitritt Zyperns sei „inakzeptabel“ und würde sich negativ auf eine Lösung des Zypernkonflikts auswirken, erklärte das türkische Verteidigungsministerium. Fest steht: Um ein neues Land in die Verteidigungsallianz aufzunehmen, bedarf es der Zustimmung aller 32 Nato-Mitglieder. Will heißen: Auch die Türkei muss ihr Plazet dafür erteilen.

Staatspräsident Christodoulidis erwiderte, es sei ihm klar, dass die Türkei gegen einen Beitritt seines Landes zur Nato sei. Dennoch werde Zypern „zum geeigneten Zeitpunkt“ eine Aufnahme in die Nato beantragen. Wann genau dies erfolgen werde, will Christodoulidis indes noch nicht verraten.

Für den Ende Februar 2023 ins Amt gewählten Ex-Karrierediplomaten Christodoulidis, der nur wenige Monate vor der nunmehr 50 Jahre andauernden Inselteilung auf Zypern zur Welt kam und von 2018 bis 2022 als Außenminister fungierte, ist deren Überwindung das oberste politische Ziel.

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4 Kommentare

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  • Wieso sind die beiden zyprischen Orte Dekilia und Akrotiri britisches Staatsgebiet? Ich dachte, die Kolonialzeiten sind vorbei. Oder habe ich etwas versäumt und die Uhren der Geschichte laufen rückwärts?

  • "Zypern will in die Nato"



    Die Nato soll sich noch ein Problem aufhalsen?



    Ausgeschlossen. Ich denke es reicht.



    Polen (1999) Mal schauen nach der nächsten Parlamentswahl.



    Tschechien (1999)



    Rumänien (2004)



    Slowakei (2004)



    Slowenien (2004)



    Bulgarien (2004)



    Albanien (2009)



    Kroatien (2009)



    Montenegro (2017)



    Nordmazedonien (2020)



    Ich denke diese Aufzählung reicht, um meine Bedenken zu unterstützen.



    Türkei ist noch nicht dabei.

    • @LeKikerikrit:

      Sie verwechseln gerade NATO und die EU. Die Türkei ist schon länger NATO Mitglied als Deutschland.

      • @Abraham Abrahamovic:

        So sollte es richtig heißen:



        Die Türkei ist in der Liste, der von mir als problematisch eingestuften Mitgliedsländer, noch nicht mit aufgezählt.