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Einsatz für Rechte von Sinti und RomaGeorge Soros erhält Europäischen Bürgerrechtspreis

Der US-Milliardär George Soros hat den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma erhalten. Er belohnt Einsatz für deren Rechte und Gleichstellung.

Alex Soros (M.) nimmt den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma stellvertretend für seinen Vater George Soros entgegen Foto: Maryam Majd/ap

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Pia Wieners aus Berlin

Wenn Alexander Soros über das Werk seines Vaters spricht, dann spricht er auch über dessen Kindheit: Dass George Soros sich als jüdischer Jugendlicher in Ungarn vor den Nazis habe verstecken müssen, habe in ihm eine grundlegende Solidarität „für all diejenigen angelegt, die aufgrund dessen, was sie seien, verfolgt werden“, sagt er am Mittwoch im gut gefüllten Saal des Berliner Nobelhotels Adlon. Dort nahm er für seinen Vater den mit 15.000 Euro dotierten Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma entgegen.

In seiner persönlich gehaltenen Dankesrede erzählte der Sohn des US-Philantropen von Treffen mit europäischen Roma, zu denen sein Vater ihn als Kind mitgenommen habe. Das Engagement für die Rechte von Sinti und Roma sei eines der Dinge gewesen, die ihn als Kind an seinem Vater am stärksten beeindruckt hätten. 2023 hat der 39-jährige Alexander Soros die Verantwortung für das Firmen- und Stiftungsimperium seines Vaters übernommen.

Mit den „Open Society Foundations“ unterstützen der mittlerweile 95-jährige Soros und sein Sohn seit Jahrzehnten in mehr als 120 Ländern zivilgesellschaftliche Projekte zur Beförderung sogenannter „offener Gesellschaften“. Beweggründe zum Engagement hat der 1930 in Ungarn geborene Soros nicht nur aus der Philosophie Karl Poppers, nach dessen Konzept der „offenen Gesellschaft“ er seine OSF benannt hat, sondern vor allem durch seine eigene Lebenserfahrung. Soros hat mit seiner Familie in Budapest den Holocaust überlebt, anschließend litten sie auch an Misshandlung unter sowjetischer Besatzung.

Wohl weniger bekannt ist, dass George Soros der aktuell größte nichtstaatliche Förderer von Sinti und Roma ist. Kein zivilgesellschaftlicher Akteur weltweit hat mehr Geld für die Rechte und die Gleichstellung der größten transnationalen Minderheit der EU gespendet.

Massive Diskriminierung

Die „Open Society Foundations“ unterstützen Sinti und Roma seit knapp vierzig Jahren, unter anderem durch Stipendien. So wurden bis heute 160.000 jungen Roma, die in Armut aufgewachsen sind, eine Ausbildung ermöglicht. 2023 wurden die verschiedenen Aktivitäten der OSF in der „Roma Foundation for Europe“ gebündelt.

Die OSF unterstützen auch das in Berlin ansässige Europäische Roma-Institut für Kunst und Kultur (ERIAC). Dieses soll Kunst, Kultur und Geschichte der Sinti und Roma vermitteln.

Rund 10 bis 12 Millionen Sinti und Roma leben in der Europäischen Union, nach Schätzungen etwa 80.000 bis 150.000 von ihnen in Deutschland, zum Teil seit 600 Jahren. Laut einer Statistik der Europäischen Kommission von 2020 waren 85 Prozent der europäischen Roma-Kinder armutsgefährdet, 41 Prozent hatten in den letzten fünf Jahren Diskriminierung erfahren.

Antiziganismus in Deutschland

In Ländern Mittel- und Südosteuropas wie Ungarn, Rumänien, Tschechien oder Bulgarien lebt die Volksgruppe teils noch immer in heruntergekommenen und abgeschlossenen Ghettos. Auch in Deutschland sind Sinti und Roma Stigmatisierungen ausgesetzt. Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes lehnt jeder dritte Deutsche Sinti und Roma als Nachbarn ab. 2023 hat die unabhängige Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) eine Verdoppelung der bundesweit erfassten Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr erfasst.

In seiner Rede bei der Preisverleihung erinnerte der Präsident des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, an jüngste rassistisch und antiziganistisch motivierte Anschläge in Deutschland, wie den Brandanschlag in Solingen 2024, bei dem vier Menschen starben. Mit ihrem Engagement hätten „George Soros und seine Stiftungen zur beruflichen Selbstbestimmung dieser Menschen beigetragen“, sagte Rose.

„Es wurden echte Fortschritte erzielt, aber der Kampf ist noch nicht vorbei. Jahrhunderte der Marginalisierung lassen sich nicht schnell ungeschehen lassen“, ließ George Soros selbst in einer schriftlichen Dankesbotschaft wissen.

Teilrückzug von Soros' Stiftungen aus Europa

Romani Rose betonte, der Europäische Bürgerrechtspreis erinnere daran, „dass Holocaust auch die Ermordung von 500.000 Sinti und Roma bedeutet“. An der Preisverleihung nahmen auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und die beiden Holocaustüberlebenden Dieter Flack und Christian Pfeil teil.

Während sich die Open Society Foundations seit der Übernahme durch Soros' Sohn in anderen Feldern verstärkt aus Europa zurückgezogen haben, bleibt das Engagement für europäische Sinti und Roma weiterhin Priorität. Die Stiftung ließ der taz durch einen Sprecher wissen, man habe in diesem Jahr über 60 Millionen Euro für Bildung, Menschenrechte und Demokratie in die nationalen Zweigstellen der OSF in der Ukraine, der Republik Moldau und dem Westbalkan investiert.

In den USA konzentriere man sich, wie auch vor Trumps Wiederwahl, auf die Stärkung der Demokratie und in der Verfassung verankerter Grundrechte. Soros steht aktuell im Fadenkreuz der MAGA-Bewegung, weil er die Anti-Trump-Bewegung „No Kings“ mitfinanziert.

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