Einladung zum „Dieselgipfel“: Ökos müssen leider draußen bleiben
Verbraucher- und Umweltverbände wurden zum Dieselgipfel nicht eingeladen. Die Aktivisten wollen vor Gericht Fahrverbote erreichen.
Auffällig ist, wer fehlt: sämtliche Umwelt- und Verbraucherverbände. Obwohl sie mit eigenen Untersuchungen viel zur Aufdeckung des Abgasskandals beigetragen haben und mit Klagen auf Luftreinhaltung überhaupt erst den Handlungsdruck erzeugt haben, auf den die Politik mit dem Dieselgipfel reagiert, ist ihre Anwesenheit ausdrücklich nicht erwünscht. Eine wirkliche Begründung dafür gibt es nicht.
Man habe diejenigen eingeladen, die für die notwendige Reduzierung der Schadstoffemissionen verantwortlich sind, sagte der Sprecher von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Montag in Berlin. „Und das sind die Automobilkonzerne.“ Das den Gipfel mitveranstaltende Bundesumweltministerium sieht im Fehlen der Umweltverbände ebenfalls kein Problem. „Es sind diejenigen dabei, die direkt von den Problemen betroffen sind“, sagte ein Sprecher der taz.
Wieso das etwa auf den Arbeitgeberverband mehr zutrifft als auf die Umweltverbände, die seit Jahren intensiv zum Abgasskandal arbeiten, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung. Entsprechend empört reagieren die betroffenen Verbände: Ohne Beteiligung von Kritikern sei das geplante Treffen „die Fortsetzung der Kungelei des Dieselkartells mit der Politik“, kritisierte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die ihr Interesse an einer Teilnahme beim Gipfel bekundet hatte. Er kündigte an, am Mittwoch auch ohne Einladung auf Einlass zu drängen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte: „Millionen Autofahrer sind von den Dieselmanipulationen, Fahrverboten und möglichen Kartellabsprachen betroffen.“ Ihre Stimme müsse beim Gipfel der Bundesregierung gehört werden. „Ein Austausch nur zwischen Politik und Autoindustrie wird der Dimension der Probleme nicht gerecht.“
Softwarekosmetik reicht nicht
In der geplanten Form erwarten die Verbände vom Gipfel nicht viel. Im Mittelpunkt solle der Versuch stehen, die überhöhten Stickoxidwerte allein durch eine Veränderung der Motorsteuerungs-Software zu senken. Dadurch sollen die in mehreren Städten drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhindert werden.
Dass das gelingt, bezweifelt Greenpeace-Experte Niklas Schinerl. „Softwarekosmetik allein kann die Gesundheit der Menschen nicht schützen“, erklärte er. „Die Hersteller müssen auch an die Hardware ran.“ Das sieht auch Umwelthilfe-Chef Resch so – mit Verweis auf ein Urteil das Verwaltungsgerichts Stuttgart von Freitag: Das hatte ausdrücklich festgestellt, dass die derzeit diskutierte „Nachrüst-Lösung“ nicht ausreichend sei.
Jürgen Resch, Umwelthilfe
Die Behörde sei „nicht befugt“, das zur Einhaltung der EU-Grenzwerte erforderliche Fahrverbot für ältere Dieselautos mit Verweis auf solche Pläne aufzuschieben. Für Resch steht darum fest: „Wir werden uns nicht mit einem Schummel-Beschluss abspeisen lassen, sondern dagegen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.“
Statt nur auf Software-Änderungen zu setzen, fordern Umwelthilfe und Greenpeace Änderungen an der eingesetzten Technik. Versuche mit einem VW Passat hätten gezeigt, dass die Kosten für eine wirklich wirksame Nachrüstung bei 1.500 Euro pro Fahrzeug liegen, sagte Resch. Die Gesamtkosten von 13,5 Milliarden Euro seien für die Branche angesichts ihrer Gewinne verkraftbar.
Das Verkehrsministerium hält von genereller Hardware-Nachrüstung nichts. Allenfalls „für einzelne Modelle“ könnte dies „geprüft werden“, so der Sprecher. Und auch die Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer stellte sich schützend vor die Konzerne: Bei aller Kritik müsse berücksichtigt werden, „dass es sich um einen strategisch wichtigen Industriezweig in Deutschland handelt“.
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