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Einkommen in DeutschlandJeder Fünfte hat kein Geld für Reisen

Raus aus dem Alltag und ab in den Süden? Für viele Deutsche bleibt das ein Traum. Das Geld fehlt. Unerwartete Ausgaben sind ebenfalls für viele ein Problem.

Sommerurlaub auf Balkonien muss für viele Deutsche die Alternative zum Strand sein. Bild: dpa

BERLIN rtr | Trotz boomender Wirtschaft und Rekordbeschäftigung können sich viele Deutsche keinen Urlaub leisten. Für knapp 22 Prozent reicht das Geld nicht für eine einwöchige Reise pro Jahr aus, geht aus einer am Dienstag vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten EU-weiten Befragung hervor.

Sogar jeder Dritte kann unerwartete Ausgaben wie Reparaturen oder größere Anschaffungen im Wert von mindestens 940 Euro nicht stemmen. 8,2 Prozent mussten 2012 auch beim Essen sparen: So viele gaben an, aus finanziellen Gründen nicht mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder einem vergleichbaren vegetarischen Essen einnehmen zu können.

In den meisten anderen der 28 EU-Länder fallen die Zahlen noch deutlich schlechter aus. Im EU-Schnitt können 40,2 Prozent unerwartete Ausgaben nicht selbst bezahlen, während 39,6 Prozent keine Urlaubsreisen unternehmen und 11,0 Prozent beim Essen knausern müssen.

Während sich in vielen Ländern die soziale Lage wegen der Finanz- und Schuldenkrise verschlechtert hat, hat sie sich in Deutschland verbessert. So lag der Anteil derjenigen, die sich 2008 keine Urlaubsreise gönnen konnten, mit 25,2 Prozent höher als aktuell. Auch mussten vor sechs Jahren noch häufiger Abstriche beim Essen gemacht werden (10,9 Prozent).

13 Millionen Deutsche gelten als armutsgefährdet

Verzicht üben müssen vor allem die Menschen in Deutschland, die als armutsgefährdet gelten. Fast drei Viertel von ihnen kann unerwartete Ausgaben nicht aus eigener Kraft stemmen (EU: 71,7). 57,6 Prozent können sich keine einwöchige Urlaubsreise leisten (EU: 70,4). Knapp ein Viertel der Armutsgefährdeten muss aus finanziellen Gründen häufiger auf vollwertige Mahlzeiten verzichten (EU: 25,9 Prozent).

Als armutsgefährdet gilt in Deutschland, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Das trifft auf 13 Millionen Menschen zu. 2011 lag der Schwellenwert für eine allein lebende Person in Deutschland bei 980 Euro im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2058 Euro.

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17 Kommentare

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  • "Jeder Fünfte hat kein Geld für Reisen - jeder Dritte kann unerwartete Ausgaben [...] nicht stemmen - 8,2 Prozent mussten 2012 auch beim Essen sparen"

     

    Es kommt noch doller, da seid ihr mal gewiss - all diese Gehirnwasch-Lügen von Weltmachthabern/Politik/Medien werden in Kürze in einer Riesenblase platzen. Aussteigen ist angesagt, und Widerstand!

     

    "Resistance can be: plant food!"

  • "Trotz boomender Wirtschaft und Rekordbeschäftigung(!) ..." - wächst und wächst die Armut in D ! Sozusagen "Wirtschaftswunder rückwärts" . Der Herr (Kapitalismus) hat's gegeben , der Herr nimmt es wieder von uns . Spricht uns aber auch Trost zu mit Neusprech : "Rekordbeschäftigung" , "Reform" , "Selbstverantwortung", "Freiheit" et al .

    A propos Mahlzeiten und Geld . Ende der 1970er Jahre entstanden durch verfehlte Agrarsubvention in der EU Butterberge Fleischberge Milchseeen Weinseeen Getreideberge , deren Verwaltung , Verhökerung und teilweise Vernichtung Milliarden kosteten . Erwähnt sei das hier nur deshalb : An fehlenden Produktionsmöglichkeiten für all die schönen Sachen liegt es auch heute nicht . Es muß wohl an der "boomenden Wirtschaft und dem Beschäftigungsrekord" liegen , wenn in diesem Land die Zahl der Tafel-Esser wächst .

  • Stimmt, ich bin nicht wirklich ein typisches Beispiel (glaube aber auch nicht, daß ich ganz alleine bin).Allerdings kann ich aber auch sagen, daß ich über etwas spreche, daß mich auch betrifft. Würde ich jetzt gut verdienen und behaupten daß jene die über nicht-in-Urlaub-fahren meckern keine echten Probleme hätten, wäre ich schlicht arrogant.Wo das Geld meiner Eltern hin ist? Nun, wir haben mit 3 Generationen (Großmutter) im Haus meines Großvaters gelebt und meine Eltern haben es ausgebaut und saniert (Das Klo im Erdgeschoß ist nicht mehr hintern Haus, der Hühnerstall ist jetzt ein Badezimmer...) und gut 27 Jahre lang abbezahlt.

    • @Mephisto:

      War eine Antwort an Anomalie

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Urlaub kann man auch mit wenig Geld machen. Kommt halt darauf an was für Ansprüche man hat und wie gut man organisiert ist. Das Gejammer findet schon auf hohem Niveau statt.

  • Im Umkehrschluss heißt das, dass 80% Geld zum Verreisen haben! Das finde ich ausgesprochen gut. Fazit: Den Menschen ging es in der gesamten deutschen Geschichte noch nie so gut wie heute. Das ist eine echt positive Nachricht. In jedem sozialistischen System ging es den Menschen dreckiger. Sozialismus=Armut für alle. - Trotzdem ist es auch bei uns hier sicher nicht perfekt.....aber wir arbeiten erfolgreich daran.

    • @Nguyen:

      Schön, dass es Ihnen gut geht und arbeiten Sie weiter erfolgreich an der Perfektion unseres Systems! Ihren Kommentar finde ich ++gut!

  • Das heißt weniger "kann nicht" als "will nicht".... weil man eben auch sonst auf nicht einen einzigen Luxus verzichten mag.

  • Ich bekenne hiermit öffentlich: Ich bin fast 34 Jahre alt und habe in meinem ganzen Leben noch nie Urlaub gemacht. Ich fühle keinen Verlust und wüßte ehrlich gesagt nicht, wo ich denn mal "gerne hinfahren/fliegen" würde, selbst wenn ich es mir finanziell leisten könnte. Der "Traum" vom "mal irgendwo weit weg Urlaub machen" ist ein pures Luxusproblem.

    • @Mephisto:

      "mal irgendwo weit weg Urlaub machen"

       

      davon ist gar nicht die Rede. Urlaub muss nicht Südsee, Palmen oder Fiord-Reise bedeuten. Schon der Campingplatz im Nachbarbundesland ist schweineteuer geworden.

      Luxus ist für jeden etwas anderes. Der eine baut sich nen Haus und das verbraucht die Urlaubzeit und Geld und der andere kauft Markenklamotten und Luxuskutsche und beide könnten sich in der Rubrik Urlaub als Puritaner verkaufen.

      Wenn Sie Kinder hätten und nach den Ferien berichtet die ganze Klasse von Erlebnissen aus der "Ferne", dann würden die Ihren ganz traurig sein. Gerade im sozialen Brennpunkt sollten Kinder in den Ferien mal was anderes sehen und Luft schnappen können. Vll. kennen Sie das ja ? Ansonsten würden Sie nicht so abwertend über Urlaubswillige sprechen.

      • @lions:

        Nun gut, "Luxus" definiert jeder anders, da stimme ich zu. Ich definiere Luxus gemeinhin in etwa so: "Etwas das ich nicht direkt zum Überleben brauche, was nicht heißt, daß ich es nicht durchaus gerne hätte, wenn ich es mir leisten könnte." Für mich stehen nunmal sehr viele Dinge an weit höherer Stelle, bevor ich auf den Punkt "Urlaub" komme. Zugegeben, ich habe keine Kinder (war aber selbst mal Eines, ganz ohne Urlaub).Was habe ich in den Ferien gemacht? Mal ins Schwimmbad, mal mit den Eltern einen Tag ans Rheinufer, mal 2-3 Tage bei Verwandten übernachtet (haben ein haus direkt am Wald)...sowas zum Beispiel.Ferien hieß normalerweise die Zeit, in der wir (die Familie) Zeit hatten gemeinsam Dinge zu tun (meine Eltern waren beide voll berufstätige Schichtarbeiter).

        • @Mephisto:

          Oh, da fliegen Sie Sie sehr tief. Luxus ist definitiv allgemein das, was sich nur sehr wenige leisten können und kommt relativ gesehen ohne Bezug auf einen duchschnittl. Standard nicht aus. Der damit verbundene Armutsbegriff ist nicht umsonst auf unter 60 % des Duchschnittseinkommens festgelegt. Wenn H4 200 % Steigerung für Sie bedeuten, kann ich jetzt Ihre Meinung als ein sehr ausgefallen individuelle einordnen.

          Ihre Eltern waren beide Schichtarbeiter ? Irgendwo muss das Geld ja geblieben sein, wenn nicht im Urlaub.

    • @Mephisto:

      Na bravo, dann reicht Ihnen auch Wasser und Brot zum Überleben. Verraten Sie es nicht Ihrem Chef. Er könnte Ihr Jahresgehalt auf unter € 500,00 kürzen. Steaks, Gemüse etc. und ein solides Dach überm Kopf sind pures Luxusproblem.

      • @ignorant:

        Nunja, zum Überleben reichen tatsächlich Wasser und Brot.Zum Verdienst nur soviel: der Hartz 4 Satz würde für mich eine Einkommenssteigerung von gut 200% bedeuten (circa).Mein letztes Steak hatte ich glaube ich vor etwas über einem Jahr.

        Ja, ich sehe den Wunsch nach Urlaub machen durchaus als Luxusproblem.

        • @Mephisto:

          Es gibt dann doch wohl einen Unterschied zwischen selbstgewählter Askese und unverschuldeter Armut.

          Einige Kommentare machen den Eindruck als ob das Sparen reicherer in den Einkommenskassen der weniger gut gestellten allgemeines Wunschdenken ist. Besser noch wünschenswert ist. Lebenszeit vieler Wegwerfzeit in den Augen der Unternehmer sein darf.

           

          Die Drittelgesellschaft ist angekommen. Ein Drittel incl. Superreiche Luxusleben. Ein Drittel gutes Leben mit Aufstiegspotential. Ein Drittel lebt von der Hand in den Mund wie man so sagt - Armut bis zum Betteln

          • @conny loggo:

            Hand in die Mund? Es gibt massenhaft Schwarzarbeit. Überhaupt ein lohnendes Konzept: Hartz 4 + Schwarzarbeit. Dazuhin sind Essen und Pauschalreisen extrem billig.

             

            Ich denke, es ist oft ein Bildungsproblem oder eine Frage, auf was man sich arbeitstechnisch einlassen kann.

            Ich bin jedoch auf jeden Fall für eine aktive Sozialpolitik.

          • @conny loggo:

            Selbst gewählte Askese...naja, nicht ganz...gut, ich hätte auch einen anderen Weg einschlagen können, das ist richtig, allerdings ist meine Situation nicht unbedingt beabsichtigt sondern ist den Umständen geschuldet.Ich lebe tatsächlich von der Hand in den Mund, betteln mußte ich bisher nie (und habe auch nicht vor es soweit kommen zu lassen).Ich kann im Durchschnitt mit 100€ im Monat zum leben rechnen (Nachdem Miete+Versicherungen bezahlt sind).