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Einigung um Nordirland-ProtokollRote Spur und grüne Spur

Im Streit um das sogenannte Nordirland-Protokoll zum Brexit gibt es eine Einigung. Jetzt sind Nordirlands Unionisten am Zug.

Endlich einig: der britische Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Dan Kitwood/Pool via ap

Dublin taz | Nordirland kommt künftig wieder in den Genuss britischer Würstchen. Das verkündete der britische Premierminister Rishi Sunak am Montagabend, nachdem er sich mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einen Kompromiss im drei Jahre andauernden Streit um das Nordirland-Protokoll geeinigt hatte.

Das Protokoll regelte, dass Nordirland faktisch Teil des EU-Binnenmarkts blieb und sich den EU-Zollregeln unterwerfen musste. Das vermied eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland, stattdessen aber entstand eine EU-Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien – also innerhalb des Vereinigten Königreichs.

Dieses Problem habe man durch das neue Abkommen gelöst, sagten Sunak und von der Leyen. Große Überraschungen gab es dabei nicht, die Einzelheiten waren längst durchgesickert. Es ging zum Schluss vor allem um die Formulierungen, damit man den Deal den nordirischen Unionisten und den harten Brexit-Verfechtern bei den Tories verkaufen kann.

Das fängt schon beim Namen an: Das Nordirland-Protokoll ist tot, stattdessen gibt es den Windsor-Rahmenplan. Der sieht unter anderem vor, dass es eine rote und eine grüne Spur für Waren aus Großbritannien nach Nordirland geben wird: grün für Waren, die ausschließlich für Nordirland bestimmt sind und daher nicht durch den Zoll müssen; rot für Waren, die in die Republik Irland, also in die EU, exportiert werden sollen und deshalb den Zollbestimmungen unterliegen.

Jetzt müssen die Unionisten dem Deal zustimmen

„Das heutige Abkommen sorgt für den reibungslosen Handelsverkehr innerhalb des Vereinigten Königreichs“, twitterte Sunak am Montag. „Wir haben jede Wahrnehmung einer Grenze in der Irischen See ausgeräumt. Lebensmittel, die in den Supermärkten Großbritanniens erhältlich sind, werden auch in Nordirland erhältlich sein – einschließlich Würstchen.“ Sunak spielte damit auf den sogenannten „Würstchenkrieg“ an, wonach gekühlte Fleischprodukte laut Nordirland-Protokoll nicht von Großbritannien nach Nordirland geliefert werden durften.

Außerdem kann das nordirische Regionalparlament mit Hilfe Londons ein Veto gegen künftige EU-Lebensmittelrichtlinien – sofern sie Nordirland betreffen – einlegen, wenn 30 Abgeordnete von mindestens zwei Parteien das wünschen. Die EU kann ein Veto gegen das Veto einlegen, woraufhin die Sache von einem Vermittlungsausschuss geklärt werden muss.

Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs war heftig umstritten, vor allem die Unionisten lehnten jede Zuständigkeit in nordirischen Angelegenheiten ab. Im Windsor-Rahmenplan ist vorgesehen, dass beide Seiten in einem Streitfall durch bilaterale Gespräche eine Lösung suchen. Von der Leyen schien dem zu widersprechen. Ihre Aussage, dass der Europäische Gerichtshof die höchste Instanz bleibe, wenn es darum gehe, ob Nordirland die Regeln des Binnenmarktes einhalte, dürfte den Unionisten kaum gefallen.

Alle Augen sind nun auf die Democratic Unionist Party (DUP) gerichtet. Wie wird sich Parteichef Jeffrey Donaldson entscheiden? Die Belfaster Tageszeitung Irish News frohlockte bereits am Montag in einem „Exklusiv-Artikel“, dass Donaldson dem Deal zustimmen werde. Der twitterte postwendend, dass „die Geschichte komplett erfunden“ sei: „Lasst uns bei den Fakten bleiben. Wir nehmen uns die Zeit, um die Details zu studieren.“

Das Unterhaus soll „zu gegebener Zeit“ abstimmen

Donaldson und seine Partei sind gebrannte Kinder. Sie unterstützten 2019 Boris Johnsons Bemühungen, Theresa May zu stürzen und selbst Premierminister zu werden. Johnson scherte sich aber nicht um die Befindlichkeiten der Unionisten und stimmte der Grenze in der Irischen See zu, um den Brexit über die Bühne zu bringen.

Der DUP-Unterhausabgeordnete Sammy Wilson sagte denn auch zu Sunak, er begrüße zwar dessen „18 Minuten langes Geständnis“, dass das von seiner Regierung unterzeichnete Nordirland-Protokoll großen Schaden angerichtet habe. Er fürchte jedoch, dass Nordirlands Stellung im Vereinigten Königreich noch nicht ausreichend wiederhergestellt sei.

Sunak hat angekündigt, dass das angedrohte Gesetz, wonach seine Regierung Teile des Brexit-Vertrags aufkündigen kann, wenn „schwere wirtschaftliche, gesellschaftliche oder umweltpolitische Schwierigkeiten“ drohen, eingemottet werde.

Außerdem versprach er, dass die Unterhaus-Abgeordneten „zu gegebener Zeit“ über den Windsor-Rahmenplan abstimmen dürfen. Das ist eine Formsache. Da der Labour-Oppositionsführer Keir Starmer versprochen hat, den Deal abzusegnen, können die Unionisten und die Brexit-Hardliner, die Sunak im Vorfeld vor zu großen Zugeständnissen an die EU gewarnt hatten, die Sache nicht mehr zu Fall bringen.

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6 Kommentare

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  • Heute morgen wurde im Radiointerview des WDR der Deutschlandkorrespondent der Irish Times dazu befragt. Anscheinend klappt bei Ausländern das ÖR-Briefing zur richtigen Meinung nicht so reibungs- und spurlos wie sonst gewohnt. Er erwähnte, exakt dasselbe, wie jetzt vereinbart wurde, war vor mehreren Jahren bereits von Boris Johnson genau so vorgeschlagen. Damals war es der EU noch komplett indiskutabel. Aber natürlich kämen nur Verschwörungstheoretiker auf die abwegige Idee, das interpretieren zu wollen.

  • Abgesehen davon, dass dieser “neue” Deal schon 2021 zu haben gewesen waere, enthaelt die jetzige Fassung eine bitter-suesse Ironie fuer die DUP. (Bitter fuer die DUP, eher suesslich fuer alle, die noch klar denken koennen.)



    Seit 25 Jahren stellt die DUP den First Minister, Sinn Féin den Deputy First Minister im N’Irischen Regionalparlament, basierend auf dem jeweiligen Wahlergebnis – wer die meisten Stimmen kriegt, wird First Minister. Bei der letzten Wahl im Mai 2022 und zum ersten Mal seit dem Karfreitagsabkommen hat nun aber Sinn Féin die meisten Stimmen, und damit FM-Position. Die DUP weigert sich seit Mai letzten Jahres, das Regionalparlament zu konstituieren – offiziell wegen des Nordirland-Protokolls, aber jedem ist klar, dass sie einfach nicht den FM-Posten hergeben und sich schon gar nicht hinter Sinn Féin anstellen wollen.



    Wenn mit diesem “Rahmenabkommen” nun das N’Irische Regionalparlament eine Art Veto-Recht bekommt, muss das Parlament aber auch endlich mal zusammenkommen. Ohne Parlament kein Veto. Das heisst, die DUP hat die Wahl – entweder stellen sie sich hinter Sinn Féin an, oder der Europaeische Gerichtshof hat weiterhin das letzte Wort in Nordirland. Beides ist eine so bittere Pille fuer die DUP, da gibt es nicht mal die Wahl des kleineren Uebels. Bin gespannt, wie sie sich entscheiden…

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    UK scheint sich langsam vom Wahnsinn des Johnson & Truss-Regime und von der hässlichen Dummheit von Arlene Foster, DUP und Farage, der sein Gehirn vollständig verloren hat, zu entfernen.

    Warum fällt es den Engländern so schwer, sich von absoluten Idioten wie Jacob Rees Mogg und anderen zu emanzipieren, welche UK in einen Scherbenhaufen verwandelt haben?

    Der neue NIP - Deal - der eigentlich der Alte ist, verhindert lediglich, dass sich der Brexit zu einem Handelskrieg entwickelt, den Johnson in sein Nordirlandprotokoll eingebaut hatte. Leichte Erleichterungen an der irischen Seegrenze lassen das Vereinigte Königreich und seine große Brexit-Katastrophe immer noch dort, wo es war, aber stellt UK zumindest nicht schlechter.

    Sunak hat keine andere Wahl, als sich gegen die Idiotie des Brexits zu stellen. Das neue Abkommen überlagert das alte Protokoll, aber es wird nicht ersetzt – was bedeutet, dass der alte Text die Richtung der neuen Vereinbarung vorgibt und den Europäischen Gerichtshof als ultimativen Schiedsrichter behält. Genau das wollten sowohl die ERG und die DUP vermeiden.

    Die eigentliche Ironie:



    Trotz all seiner politischen Probleme hat das ursprüngliche Protokoll, das die Unionisten ablehnen, Nordirland die beste aller Welten gebracht: Offener Zugang zu Großbritannien und gleichzeitig zum riesigen EU-Binnenmarkt über seine Grenzen hinweg. Dies hat zu hohen ausländischen Direktinvestitionen geführt, die nur noch von London übertroffen werden.

    Das Nationale Institut für Wirtschafts- & Sozialforschung stellt fest, dass NI „bessere Handels- und Investitionsbedingungen als Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion“ post Brexit hat. Die Produktion in Nordirland wird voraussichtlich um



    2,2 % stärker steigen, als wenn es keinen Brexit gegeben hätte. (In der Zwischenzeit verliert Großbritannien laut dem Office for Budget Responsibility durch den Brexit



    4 % des BIP)

    England ist der große Verlierer des Brexits - NI ist es offensichtlich nicht.

  • Da tut sic eine blendende Geschäftsidee auf: Ich gründe eine Im-Exportfirma in NI, bestelle Waren aus UK, labele sie um und weiter geht's in die EU.



    Dagegen ist der Klondike Gold Strike ein Bettelnäpfchen.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Perkele:

      Grundlage des neuen NIP - Deals ist eine rote Zollfahrbahn für Waren aus UK die überprüft werden für Waren, die in die EU über Nordirland weiter geliefert werden ----



      und eine grüne Zollfahrbahn für Waren die nicht zollüberprüft werden weil diese Waren in Nordirland verbleiben.

      Um diese Regelung immer und überall überprüfen und kontrollieren zu können ist das Vereinigte Königreich verpflichtet, per digitaler Mitteilung die EU Kommission über sämliche Lieferungen nach Nordirland zu informieren - es bleibt also bei der Zollgrenze in der Irischen See.

      Tut mir sehr leid wenn ich mit diesen Infos dazu beigetragen haben sollte, frühzeitig zu erkennen, das Ihre Geschäftsidee wie vorgetragen nicht funktionieren wird.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Wetten, dass jemand Lücken findet um halblegal oder gerne auch illegal einen Weg zu finden? Wie soll das Ganze denn kontrolliert werden??