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Einfuhrstopp für NahrungsmittelLukaschenkos lächerlicher Erlass

Kommentar von Barbara Oertel

Der Importstopp ist eine billige Retourkutsche des Machthabers. Sein Vorbild sitzt in Moskau.

Mal sehen, was er sich als nächstes ausdenkt: Alexander Lukaschenko Foto: Maxim Guchek/dpa

O riginalität war noch nie eine Stärke des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Jüngstes Beispiel dafür ist die Ankündigung, zu Jahresbeginn einen Einfuhrstopp für bestimmte Waren aus westlichen Ländern zu verhängen – darunter Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Süßwaren.

Diese Entscheidung ist eine billige Retourkutsche angesichts der Strafsanktionen, mit denen der Westen auf die Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle in Belarus und Lukaschenkos Zweitjob als Reisebegleiter für Mi­gran­t*in­nen auf ihrem Weg in die EU reagiert hat.

Als Vorbild für derartige Vergeltungsmaßnahmen dient Russland. Nachdem der Westen 2014 die völkerrechtswidrige Annexion der Krim sowie das Kriegsgeschehen in der Ost­ukraine mit Sanktionen beantwortete, machte Moskau für westliche Lebensmittelimporte die Schotten dicht.

So manche/r dürfte sich noch an Bilder der staatlichen Fernsehsender erinnern, als bereits eingeführte landwirtschaftliche Produkte vor laufender Kamera vernichtet wurden. Gleichzeitig gab Russlands Regierung bekannt, die eigene Produktion ankurbeln zu wollen. Das gelang, wenn man einmal von Qualitätsstandards absieht.

„Belarussische Krevetten“

Dennoch waren vor allem betuchte Rus­s*in­nen nicht auf gestreckten Käse angewiesen – Belarus sei Dank. Plötzlich tauchten in russischen Supermarktregalen „belarussische Krevetten“ und weitere eher landesuntypische Waren auf, die im Westen hergestellt, in Belarus jedoch einfach umetikettiert worden waren.

Damit ist wohl erst einmal Schluss, eher zum Leidwesen russischer Bür­ge­r*in­nen als ihrer leidgeprüften Nach­ba­r*innen. Die meisten können sich eh keinen Camembert leisten.

Die bestraften Staaten jedenfalls dürften den temporären Wegfall des belarussischen Absatzmarktes verkraften. Auch das zeigt, wie lächerlich der Erlass von Lukaschenko ist. Man darf gespannt sein, was er sich als nächstes ausdenken wird. Der Kreml hat da bestimmt noch die eine oder andere Anregung parat.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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9 Kommentare

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  • Als nächstes verschränkt er die Arme und schiebt die Unterlippe vor. Und dann foltert er weiter.

  • Wen es hart treffen würde, wenn der Camembert ausbleibt, lesen wir hier.



    Wen Sanktionen am meisten treffen, eher nicht, nämlich die normale Bevölkerung.



    Wenn dieser Artikel aussenpolitischer Konsens würde, bewahre uns Baerbock.

  • Importverbote sind natürlich lächerlich. Aber was soll der ständige Verweis auf Russland? Das ist wohl auf Lukas eigenem Mist gewachsen.

  • Na, Aljaksandr Lukaschenka ist ein skrupelloser Diktator, der seinem Volk massiv schadet, so viel ist klar.

    Warum man aber im Speziellen ausgerechnet diese Aktion Lukaschenkas kritisieren sollte, verstehe ich nicht. Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Süßigkeiten lassen sich fast überall herstellen, auch in Belarus. Sie als Welthandelsprodukt zu behandeln, stärkt einige wenige Großbetriebe und schwächt die kleinere Landwirtschaft überall. Außerdem ist es eine enorme Verschwendung von Treibstoffen, eine sinnlose Belastung des Klimas, wenn man Produkte international transportiert, die man fast überall auch vor Ort herstellen könnte.

    Nein, ich stehe nicht auf Lukaschenkas Seite, aber diese "billige Retourkutsche" an und für sich hat ihr gutes.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Das behagliche Dasein in Deutschland ermöglicht es, aus der Ferne Lukaschenko lächerlich zu finden.



    Aus der Nähe betrachtet stellt es sich wohl etwas anders dar.



    Jenseits von Camembert & so.

  • Wenn der Westen Import- oder Exportbeschränkungen macht, sind das "Strafsanktionen". Wenn Lukaschenko dasselbe macht, ist es billig und mies und erfunden hat solche Aktionen Russland. Aha. Und lächerlich ist es, weil die im Gegensatz zu uns im Westen so arm sind. Das macht uns doch gar nichts aus, pff! Verstehe!

    Also man kann Lukaschenko meiner Meinung nach mit Recht scheiße finden, aber dann nehmt doch bitte das als Überschrift für den Kommentar. Diese Analyse hier aber ist so offensichtlich unsinnig, dass ich mich frage ob unsere freien westlichen Medien das nötig haben.

    • @Soda:

      Die Sanktionen sind lächerlich, nicht weil Belarus "arm" ist, sondern weil sich der Staat damit selbst bestraft.



      Belarus und auch Russland decken decken mit der eigenen Nahrungsmittelproduktion nur den Grundbedarf ab. Der Konsument kann daher nicht auf "heimische" Produkte umsteigen.



      Da muss die Vaterlandsliebe schon gewaltig sein, dass man klaglos auf die Schokolade verzichtet.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Schon mal in einem russischen Spezialitätenladen gewesen? Offenbar nicht. Da gibt es jede Menge russischer Schokolade... Natürlich schmeckt die Schweizer Schokolade am besten, aber die leiste ich mir in Deutschland auch eher selten, weil 4 € für eine Tafel einfach etwas zu teuer für mich sind. Und das ist der Punkt: Sanktionen treffen nie die Eliten, immer nur den "kleinen Mann". Und im Fall der EU-Sanktionen auch uns. Vermutlich muss der Ölpreis erst so teuer werden, dass die GRÜNEN die AKW wieder anschalten, aus Angst von den eigenen frierenden Wählern gelyncht zu werden. P.S. das LNG aus Amerika geht nach China, da sind die Preise nämlich noch höher...

        • @Holger Knaak:

          Haben Sie denn schon einmal in einem russischen oder weißrussischen Dorfladen eingekauft?



          Wenn im Laden eines 8000 Seelen Dorfes auf Kamtschatka ausschließlich deutsche und englische Schokoladentafeln verkauft werden aber keine "russische" Schokolade (die in ihrem "russischen Spezialitätenladen" von der der Monolith-Gesellschaft stammt) oder in einem 5000 Einwohner Dorf in Belarus die Kekse im Laden allesamt von Bahlsen und De Beukelaer sind, ist die Zielgruppe wohl nicht nur die dortige Oberschicht.



          Was ihr Verweis auf Energiepreise und " die Grünen" aussagen soll erschließt sich mir nicht wirklich.