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Einführung der GasumlageSozialverbände verlangen Entlastung

Die Gasumlage sei ein Chaos-Konstrukt, sagen Verbraucherschützer und Sozialverbände. Sie fordern Entlastungen für Verbraucher:innen.

Ist Heizen Luxus? Die kommende Gasrechnung wirds zeigen Foto: Thomas Trutschel/imago

Berlin taz | Spätestens im November oder Dezember dieses Jahres werden es Ver­brau­che­r:in­nen merken: Gas wird deutlich teurer. Je nach Anzahl der Personen, Quadratmeterzahl und Zustand der Wohnung werden manche Haushalte stärker belastet sein als andere. Was aber alle gemeinsam haben werden: Die Gasrechnung wird es in sich haben.

Die Gasumlage soll die erhöhten Beschaffungskosten von Importeuren abfedern, die Kun­d:in­nen ihren Anteil tragen. Für Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, ist die Gasumlage aber schlicht ein Chaos-Konstrukt. Ob Haushalte und Unternehmen mit Festpreisverträgen und mit Fernwärmeversorgung die Umlage zahlen müssten, sei ungeklärt.

Ebenso die Frage, ob andere Haushalte die Mehrbelastung zusätzlich tragen müssten. Auch sei nicht eindeutig kommuniziert, wie und mit welchen Fristen die Energieversorgungsunternehmen die Preiserhöhung an ihre Kundschaft weitergeben. Die Folge, so Pop: Verunsicherung bei den Verbraucher:innen. Sie forderte die Bundesregierung auf, den Startschuss für die Gasumlage um einen Monat zu verschieben und die Kosten bis dahin selbst zu tragen. Also nachbessern, bevor die Kun­d:in­nen zahlen müssen.

Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten

Bundeskanzler Olaf Scholz auf Twitter

Wer wenig verdient, den treffen die gestiegenen Preise – wenig überraschend – am stärksten. Die Bundesregierung hat bereits Maßnahmen verabschiedet oder angekündigt, um Geringverdiener:innen, Studierende oder Rent­ne­r:in­nen zu entlasten. Mehr Wohngeld, mehr Kindergeld und höhere Steuerfreibeträge durch ein Inflationsausgleichsgesetz soll es geben. Für alle die steuerpflichtig erwerbstätig sind, gibt es in Kürze einen Zuschuss von 300 Euro, um die hohen Energiepreise abzufedern. Auch das neue Bürgergeld soll für mehr Entlastungen sorgen.

Forderung, Strom- und Gassperren auszusetzen

Sozialverbänden aber reicht das bei Weitem nicht aus – und sie rechnen damit, dass vor allem Menschen mit wenig Einkommen ihre Strom- und Gasrechnungen nicht zahlen können. „Wer wenig Geld hat, muss bei den Heizkosten gezielt unterstützt werden“, sagte Caritas-Präsidentin Eva-Maria Welskop-Deffaa der taz. Falls das neue Wohngeld zum Herbst nicht rechtzeitig komme, müssten die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer für eine weitere Einmalzahlung für Menschen mit wenig Geld genutzt werden. Die Caritas fordert daher Strom- und Gassperren so lange auszusetzen. Wenn Menschen wegen der Energieumlage oder der Inflation ihre Rechnungen nicht bezahlen könnten, dürfe trotzdem niemand im Dunkeln oder Kalten sitzen, so Welskop-Deffaa.

Ähnlich sieht das der Paritätische Gesamtverband und warnt vor einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust. Konkret fordert der Verband eine Anhebung des Regelsatzes auf 678 Euro und eine Ausweitung des Wohngeldes. Diese Maßnahmen müssten umgehend laufen, nicht erst ab Januar 2023.

Auch das evangelische Hilfswerk Diakonie spricht sich dafür aus, bei den Entlastungspaketen insbesondere die Menschen im Blick zu haben, die nahe am Existenzminimum leben, und ihnen die Zugänge zu Wohngeld- und ­Energiezuschüssen zu erleichtern. „Dafür müsste man die Bemessungsgrenzen verändern, nach denen jemand dazu berechtigt ist, Wohngeld zu empfangen“, sagte der Sozial­politische Vorstand der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, gegenüber der taz. Ihr geht es um gezielte Entlastungen, Einmalzahlungen nach dem Gießkannenprinzip lehnt sie ab.

Bundeskanzler Olaf Scholz versucht sich in Pragmatismus und verspricht ein weiteres Entlastungspaket. „Es wird teurer – da gibt es kein Drumherumreden“, twitterte der Kanzler am Montag nach der Ankündigung der Gasumlage. „Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten.“ Wie genau ein solches Paket aussehen wird, ist aber offen.

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12 Kommentare

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  • G
    Gast

    Entlastungen wären der falsche Weg, sogar kontraproduktiv. Gas und Öl sind immer noch zu billig. Damit endlich Energie gespart wird, muss es im Geldbeutel richtig weh tun. Die Ober- und Mittelschicht jammert da auf hohem Niveau. Die Armen bekommen die Heizkosten schon jetzt vom Amt bezahlt. Die anderen jetzt richtig zur Kasse zu bitten, ist sozial gerecht und dient dem Klimaschutz.

    • @Gast:

      Mieterverbund rechnet damit, daß 1§ der Haushalte die höheren Heizkosten nicht begleichen können.



      Die Energiearmut reicht also mittlerweile weit über die HartzIV- und GrundsicherungsbezieherInnen hinaus.

      Preisdeckel für Gas und Strom ist eher angemessen.

      Und Gassparen vonseiten der Industrie, z.B. BASF und Düngemittelhersteller Yara.

      Statt Gasumlage: Übergewinnsteuer.



      Außerdem: Vergesllschaftung der Energieversorgung.



      rwe-enteignen.de/

      • @Brot&Rosen:

        statt 1§ muß es 1/3 heißen.

        • @Brot&Rosen:

          Klimaschutz ist ein Wohlstandskiller. Da kann man nix ausgleichen. Die Deutschen verbrauchen nun mal zu viel. Von diesem hohen DurchschnittsVerbrauch müsste man runter. Da geht nur in der Massen der unteren 90% der Bevölkerung. Die Reentsma-Erben und andere gut Betuchte fallen als Personen nicht ins Gewicht.

    • @Gast:

      Sie schreiben nur von Gas und Öl. Was ist mit Strom? Und wie sparen Sie Energie im Winter bei Minusgraden? Sollen die Wasserrohre platzen und der Schimmel übernehmen?

    • @Gast:

      Jein - "die Armen" bekommen die Heizkosten nur dann vom Amt bezahlt, wenn sie zur "alten Armut" gehören.

      Die "working poor" gehen momentan noch weitgehend leer aus.

    • @Gast:

      Zuerst sollen mal Reiche und Superreiche ihren Verbrauch halbieren (vgl. zur Annäherung Oxfam), die Yachten an den Kai legen und die Autosammlung stillegen, sowie den SUV einmotten, aufhören zum Friseur nach Paris zu fliegen pp. . Diese Umweltschmarotzer haben jahrelang die Umwelt und die allgemeine Gesundheit vergiftet. Danach Einkommens- und Vermögenssteuer mit Freibeträgen und alternative Energieträger und Städte klimagerecht ausbauen.

      • G
        Gast
        @Gerhard Krause:

        Alle gesellschaftlichen Schichten müssen ihren Verbrauch reduzieren und bei den Nicht-Reichen erreicht man das nunmal am besten über den Preis.



        Das funktioniert aber nur wenn der Preis auch persönlich weh tut. Wenn sich alle weiterhin den selben Verbrauch finanziell leisten können wie bisher, wird es keine ausreichende Einsparung geben. Jede Ausgleichszahlung oder künstliche Preissenkung/-deckelung wirkt dem entgegen und ist klimaschädlich.

        Für Strom, Benzin, Fleisch, usw. gilt das ganz genauso. Der Preis muss so hoch sein, dass es sich eben nicht mehr jeder im gewohnten Umfang leisten kann. Das trifft notwendigerweise einen großen Teil der Bevölkerung, denn der Reiche wird sich diese Dinge immer leisten können. Eine Klimapolitik nur zulasten der Reichen wird nicht funktionieren, erhebliche Einschränkungen im Lebensstil und Lebensstandard des größten Teils der Bevölkerung sind notwenig. Dieses Opfer sollte es uns wert sein. Tun wir das nicht, wird der Klimawandel langfristig ein weiter so ohnehin unmöglich machen.

  • Gelddrucken in die Inflation hinein ist keine Lösung, sie macht uns nur alle noch ärmer. Der so frei entfaltete Kapitalismus ruiniert Existenzen. Viele werden schlecht ausgebildet und bekommen so keine Chance, andere werden als zu teuer aus dem Produktionsprozess aussortiert und durch Automaten und Roboter ersetzt, die Billigsten als Wanderarbeiter prekär beschäftigt und danach wieder in die Wallachei geschickt, alles geduldet und ohne Einfluß gefügiger Politiker. Wer stellt diese kaputte Maschinerie ab? Wo keine Kaufkraft mehr ist, brauchen wir auch kein Werbefernsehen mehr !

    • @Dietmar Rauter:

      Richtig. Wem nichts anderes einfällt, als über die soziale Stellung (Einkommen, Vermögen pp.) die s.g. Gaskrise zu bearbeiten, der soll seinen Kanzler - oder Ministerposten zur Verfügung stellen.

  • Die deutsche Wohlstandsparty ist mit der verkorksten Energiewende und der Gaskrise vorbei. Wir können uns schon mal auf eine Sozialniveau von Italien und Portugal einstellen. Jetzt rächt sich die mangelnde Beteiligung der Mittelschicht am Vermögensaufbau und der Stau beim Ausbau unserer Infrastrukturen. Wer jetzt noch soziale Entlastungen für ein Weiterso fordert, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.

    • @Taztui:

      Jawohl! 👍