Einführung der Gasumlage: Sozialverbände verlangen Entlastung
Die Gasumlage sei ein Chaos-Konstrukt, sagen Verbraucherschützer und Sozialverbände. Sie fordern Entlastungen für Verbraucher:innen.
Die Gasumlage soll die erhöhten Beschaffungskosten von Importeuren abfedern, die Kund:innen ihren Anteil tragen. Für Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, ist die Gasumlage aber schlicht ein Chaos-Konstrukt. Ob Haushalte und Unternehmen mit Festpreisverträgen und mit Fernwärmeversorgung die Umlage zahlen müssten, sei ungeklärt.
Ebenso die Frage, ob andere Haushalte die Mehrbelastung zusätzlich tragen müssten. Auch sei nicht eindeutig kommuniziert, wie und mit welchen Fristen die Energieversorgungsunternehmen die Preiserhöhung an ihre Kundschaft weitergeben. Die Folge, so Pop: Verunsicherung bei den Verbraucher:innen. Sie forderte die Bundesregierung auf, den Startschuss für die Gasumlage um einen Monat zu verschieben und die Kosten bis dahin selbst zu tragen. Also nachbessern, bevor die Kund:innen zahlen müssen.
Bundeskanzler Olaf Scholz auf Twitter
Wer wenig verdient, den treffen die gestiegenen Preise – wenig überraschend – am stärksten. Die Bundesregierung hat bereits Maßnahmen verabschiedet oder angekündigt, um Geringverdiener:innen, Studierende oder Rentner:innen zu entlasten. Mehr Wohngeld, mehr Kindergeld und höhere Steuerfreibeträge durch ein Inflationsausgleichsgesetz soll es geben. Für alle die steuerpflichtig erwerbstätig sind, gibt es in Kürze einen Zuschuss von 300 Euro, um die hohen Energiepreise abzufedern. Auch das neue Bürgergeld soll für mehr Entlastungen sorgen.
Forderung, Strom- und Gassperren auszusetzen
Sozialverbänden aber reicht das bei Weitem nicht aus – und sie rechnen damit, dass vor allem Menschen mit wenig Einkommen ihre Strom- und Gasrechnungen nicht zahlen können. „Wer wenig Geld hat, muss bei den Heizkosten gezielt unterstützt werden“, sagte Caritas-Präsidentin Eva-Maria Welskop-Deffaa der taz. Falls das neue Wohngeld zum Herbst nicht rechtzeitig komme, müssten die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer für eine weitere Einmalzahlung für Menschen mit wenig Geld genutzt werden. Die Caritas fordert daher Strom- und Gassperren so lange auszusetzen. Wenn Menschen wegen der Energieumlage oder der Inflation ihre Rechnungen nicht bezahlen könnten, dürfe trotzdem niemand im Dunkeln oder Kalten sitzen, so Welskop-Deffaa.
Ähnlich sieht das der Paritätische Gesamtverband und warnt vor einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust. Konkret fordert der Verband eine Anhebung des Regelsatzes auf 678 Euro und eine Ausweitung des Wohngeldes. Diese Maßnahmen müssten umgehend laufen, nicht erst ab Januar 2023.
Auch das evangelische Hilfswerk Diakonie spricht sich dafür aus, bei den Entlastungspaketen insbesondere die Menschen im Blick zu haben, die nahe am Existenzminimum leben, und ihnen die Zugänge zu Wohngeld- und Energiezuschüssen zu erleichtern. „Dafür müsste man die Bemessungsgrenzen verändern, nach denen jemand dazu berechtigt ist, Wohngeld zu empfangen“, sagte der Sozialpolitische Vorstand der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, gegenüber der taz. Ihr geht es um gezielte Entlastungen, Einmalzahlungen nach dem Gießkannenprinzip lehnt sie ab.
Bundeskanzler Olaf Scholz versucht sich in Pragmatismus und verspricht ein weiteres Entlastungspaket. „Es wird teurer – da gibt es kein Drumherumreden“, twitterte der Kanzler am Montag nach der Ankündigung der Gasumlage. „Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten.“ Wie genau ein solches Paket aussehen wird, ist aber offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana