Einfluss von Investoren im Fußball: Kindische Vorstellungen

Im deutschen Fußball tobt eine lebhafte Debatte über die Aufhebung der 50+1-Regel, die den Einfluss der Investoren begrenzt.

Martin Kind von der Nase aufwärts im Bild, dahinter ein Teil des Logos von Hannover 95

Hat er jetzt die Mehrheit? Ein Dilemma! Foto: dpa

Christian Müller ist ein leidenschaftlicher Verfechter der 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren auf den Bundesligafußball begrenzt. Doch für den ehemaligen Geschäftsführer des Ligaverbandes DFL steht fest, dass die Klausel bedroht ist. „Es gibt ja ganz offensichtlich einflussreiche Kräfte im deutschen Fußball, die die Gelegenheit nutzen wollen, die Regel komplett abzuschaffen und die Liga für Investoren zu öffnen“, sagt er.

Tatsächlich deuten einige Aussagen aus der DFL-Spitze darauf hin, dass hinter den Kulissen Vorkehrungen getroffen werden, um 50+1 zu beerdigen oder weiter aufzuweichen. Schon beim Neujahrsempfang der DFL forderte Geschäftsführer Christian Seifert mehr Anstrengungen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Spitzenklubs zu ­verbessern. Es gelte, so Seifert, die Diskussion „offen zu führen und sich dabei nicht mit Fragen aufzuhalten, ob jetzt ein Scheich oder ein Russe als Investor kommt“.

Befürworter von 50+1 fragen sich nun, warum die DFL ein System hinterfragt, das noch vor gut drei Jahren mit einem 36:0-Votum von den Klubs modifiziert wurde – auch um endlich einen Schlusspunkt hinter die Diskussionen zu setzen und den Kerngehalt von 50+1 zu retten. Mit der damals ersonnenen Zusatzregel sollte gewährleistet sein, dass Investoren wie Hannovers Präsident Martin Kind doch Anteilsmehrheiten übernehmen dürfen, sofern sie ihren Verein über 20 Jahre dauerhaft und erheblich unterstützen.

Doch Kind scheint bislang schlicht nicht genug Geld investiert zu haben, damit das bei 96 greift. ProFans artikuliert am deutlichsten, was auch einige Manager in der Branche vermuten: „Das Problem von Martin Kind, dass er selbst aufgrund ungenügender Förderung keine Ausnahmegenehmigung für sich bekommen hat, ist nun zum Problem aller geworden“, schreibt das Fan-Bündnis.

Suche nach einer Zwischenlösung

Die Verbände stecken in einem Dilemma. Weil sie in der Vergangenheit Hoffenheim, Leipzig, Leverkusen oder Wolfsburg einen Ausnahmestatus zuerkannt haben, sind sie angreifbar geworden, auch juristisch. Nun wird eine Zwischenlösung diskutiert. Ziel ist es, sicherzustellen, dass keine Heuschrecken schnelle Renditen machen, dass Klubs nicht an andere Standorte versetzt oder Vereinslogos dem Corporate Design einzelner Unternehmen angepasst werden können.

ProFans wähnt den Verband trotz solcher Kompromissvorschläge auf einem Feldzug gegen 50+1. Die DFL habe vor, „eine Meinungshoheit herzustellen, um, erst wenn die Stimmung zugunsten einer Modifizierung gekippt ist, selbst aus der Deckung zu kommen“. Das mag dick aufgetragen sein, doch der Eindruck, dass 50+1 zur Disposition steht, eint die Kurven, die Woche für Woche Transparente für die Beibehaltung der Klausel hissen. Das Ganze, schreibt ProFans, sei „definitiv der sportpolitisch wichtigste Kampf in der nahen Zukunft für alle Fans.“

Es würden eher Mittelklasseklubs von Investoren übernommen werden

Im April treffen sich die 36 Bundesligisten, um sich über die Zukunft der Regel auszutauschen, denn längst nicht alle Klubs haben eine so klare Haltung wie Kind oder Christian Streich. Freiburgs Coach betont immer wieder, 50+1 sei „ein wichtiger Grund, warum wir noch ein bisschen Glaubwürdigkeit haben“. Ein Verein gehöre „den Menschen und Mitgliedern, die sich mit ihm identifizieren“.

Christian Müller wundert sich, dass viele Vereine, die kein Interesse an einer Abschaffung hätten, nicht offen opponieren: „Alle Klubs, die in den kommenden Monaten keinen Widerstand gegen die Aufweichung der 50+1-Regel leisten, müssen wissen: Sie werden entweder von weniger prinzipientreuen Konkurrenten überflügelt werden, oder sie müssen mitmachen.“ Zumal den Befürwortern offen formulierte und für die Mehrheit der 36 Klubs überzeugende Argumente für eine Investorenliga bislang fehlen. Die Interessen Einzelner sind bekannt, aber worin liegt der Gewinn des Gesamtprodukts Profifußball?

Dass plötzlich lauter Bundesligisten zu den besten Teams der Europapokale gehören würden, glaubt jedenfalls kaum jemand. „Solange Real Madrid und der FC Barcelona als eingetragene Vereine so erfolgreich sind, kann es nicht am Gesellschafts­kon­strukt liegen“, sagt etwa Hans-Joachim Watzke, der befürchtet: „Die Fans würden aber die Zeche zahlen.“ Eintrittspreise würden steigen, TV-Abos könnten noch teurer und die Zersplitterung der Spieltage könnte fortgesetzt werden. Schließlich wolle ein Investor ja Rendite, sagt der BVB-Chef bei Sky.

Die Dortmunder würden die Kon­trolle über das operative Geschäft demnach ebenso wenig verscherbeln wie der FC Bayern, der zwar für die Abschaffung von 50+1 ist, aber nur deshalb, „damit endlich diese Diskussion aufhört“, wie Präsident Uli Hoeneß versichert. Da beim Rekordmeister 70 Prozent der Mitglieder einem Verkauf zustimmen müssten, würde an der Säbener Straße auch ohne 50+1 alles beim Alten bleiben, argumentieren die Münchner.

Weder die Bayern noch der BVB würden also nach einer Modifizierung in neue Dimensionen vorstoßen, und mit Leverkusen, Leipzig, Hoffenheim und Wolfsburg sind bereits jetzt vier weitere Klubs mit europäischen Ambitionen von der Regel ausgenommen. Es sind also eher Mittelklassevereine wie Gladbach, Bremen oder Frankfurt, die von Investoren übernommen würden, und dass die dann zu Paris St. Germain aufschließen und den nächsten Neymar verpflichten würden, ist schwer vorstellbar.

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