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Eine ganze Familie im Visier

SAUDI-ARABIEN Samar Badawi, die Schwester des Bloggers Raif Badawi, ist nach Festnahme und Verhör wieder frei. Sie kämpft für die Freilassung ihres Bruders und ihres Ehemanns

25. 1. 2013: Samar Badawi nimmt den Olof-Palme-Preis für ihren Mann entgegen Foto: Anders Wiklund/Scanpix/dpa

Von Jannis Hagmann

BERLIN taz | Einen Tag nach ihrer Festnahme ist die Schwester des inhaftierten saudischen Bloggers Raif Badawi nach Angaben von Aktivisten wieder auf freiem Fuß. Das berichteten die Organisation Zentrum für Menschenrechte und der Twitter-Account des Ehemanns von Samar Badawi am Mittwoch. Das Konto des inhaftierten Menschenrechtlers Walid Abu al-Chair wird von Vertrauten des Aktivisten geführt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die zuvor Samar Badawis Festnahme gemeldet hatte, bestätigte die Freilassung. Badawi soll aber weiter verhört werden.

„Das Risiko muss ich eingehen“, antwortete die saudische Aktivistin Samar Badawi auf die Frage der taz, ob sie Angst habe, im Gefängnis zu landen. „Wenn alle den Mund halten“, sagte sie im vergangenen Jahr, „wer redet dann noch?“

In der saudischen Küstenstadt Dschidda, wo die 34-jährige Mutter zweier Kinder ein Make-up-Studio betrieb, wurde sie am Mittwoch laut saudischen Aktivisten zunächst in Polizeigewahrsam genommen und vier Stunden lang verhört.

Mit Samar Badawi haben die saudischen Behörden nun eine ganze Familie im Visier. Walid Abu al-Chair war vor seiner Festnahme Raif Badawis Anwalt ­gewesen. Im Sommer 2014 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Im selben Jahr wurde Raif Badawi zu zehn Jahren Haft und 1.000 Stockhieben verurteilt. Angeblich soll er den Islam beleidigt haben. Er wurde er mit dem Sacharow-Preis des Europaparlaments ausgezeichnet, nachdem er im vergangenen Januar die ersten 50 Stockhiebe erhalten hatte. Die weiteren Hiebe wurden vorläufig ausgesetzt – offiziell aus Gesundheitsgründen.

Beobachter vermuten, dass die saudischen Behörden Samar Badawi auch wegen ihrer angeblichen Rolle bei der Organisation verschiedener Social-Media-Accounts im Auge haben, auf denen die Freilassung Abu al-Chairs und Raif Badawis gefordert wird. Dass die saudischen Behörden sie genau beobachten, war der Aktivistin bewusst. „Die Regierung weiß, wo ich bin und was ich tue“, sagte sie während eines Interviews in einem Restaurant in Dschidda. „Sie warten nur darauf, dass ich einen Fehler begehe.“

Badawi hoffte jedoch, dass man ihr nichts vorwerfen könne. „Ich mache nichts“, beteuerte sie, „ich kämpfe einzig und allein für meinen Bruder und meinen Ehemann“. Alle anderen Menschenrechtsaktivitäten habe sie eingestellt. Vor der Festnahme Abu al-Chairs hatte Badawi gemeinsam mit ihrem Ehemann andere Oppositionelle und Freidenker zu politischen Diskussionsveranstaltungen zu sich nach Hause geladen.

„Die Regierung weiß, wo ich bin und was ich tue“

Samar Badawi

Seit Dezember 2014 durfte Badawi das Königreich nicht mehr verlassen – was sie allerdings auch nicht vorhatte: „Ich kann nicht im Exil leben“, sagte sie, „ich bleibe lieber hier und sende meinen Mitbürgern die Nachricht: ‚Auch wenn ihr Angst habt, ich habe keine, ich kämpfe weiter.‘ “

Der Bundesregierung kommt der zunehmende Druck der saudischen Behörden auf die Familie Badawi ungelegen. In drei Wochen eröffnet in Riad das staatliche Kulturfestival Janadriyah, auf dem in diesem Jahr Deutschland als Ehrengast vertreten sein wird. Das Auswärtige Amt in Berlin fordert aber auch die Freilassung Raif Badawis und steht mit Samar Badawi in Kontakt.

Erst am 2. Januar waren in Saudi-Arabien 47 Menschen hingerichtet worden, darunter der bekannte schiitische Oppositionelle Nimr al-Nimr.

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