Eindrücke vom „March for our lives“: „Wir bewaffnen uns mit Bildung“
Die RednerInnen auf der Demonstration in Washington sind direkt, emotional und visionär. Sie glauben daran, dass sie etwas ändern können.
Ryan Deitsch, der das Massaker an der Stoneman Douglas High School überlebte, forderte in seiner Rede Papier und Stifte statt Waffen für Lehrer. Wütend sprach der erst 18-Jährige, der bereits zwei Amokläufe miterlebte, ins Mikrofon: „Wir müssen unsere Lehrer mit Bleistiften, Füllern, Papier und dem Geld, das sie brauchen, bewaffnen“. Mit kräftiger Stimme setzte er nach: „Wir müssen auch unsere Schüler bewaffnen – mit Fakten, Bildung, und dem Wissen, das sie brauchen, um in der echten Welt zu leben“.
Empfohlener externer Inhalt
Das Wort ergriff auch die erst elf Jahre alte Naomi Wadler aus Alexandria in Virginia. Die afroamerikanische Grundschülerin lächelte zunächst verlegen angesichts der großen Menge an Demonstranten vor ihr, die ihr lautstark zujubelten. Dann sprach sie mit ernster Stimme über erschossene, schwarze Jugendliche in ihrer Nachbarschaft.
„Ich bin hier um die afroamerikanischen Mädchen zu würdigen und zu repräsentieren, deren Geschichten es nicht auf die Titelseite schaffen“, sagt Naomi Wadler. Mit ihrer Rede wolle sie auf die afro-amerikanischen Frauen Amerikas aufmerksam machen, die durch Waffengewalt ihr Leben verlieren. Auf Twitter wird die junge Aktivistin weltweit gefeiert.
Empfohlener externer Inhalt
Zu den stärksten Momenten gehörte wohl der Auftritt von Emma González. Fast sechs Minuten und 20 Sekunden lang, was der Dauer des Massakers vom 14. Februar 2018 entsprochen hätte, stand die Überlebende schweigend am Mikrofon, den Blick auf die Menschenmenge gerichtet, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.
Zu Beginn ihres Auftritts hatte González die Namen ihrer erschossenen SchulkameradInnen aufgezählt: „In wenig mehr als sechs Minuten sind uns 17 unserer Freunde genommen worden“ , sagt die 18-Jährige. Das Leben von jedem an ihrer Schule sei „für immer verändert worden“.
Empfohlener externer Inhalt
Eine andere junge Überlebende, die bei dem Massaker Schussverletzungen an Bein und Gesicht erlitten hatte, musste sich während ihrer Rede übergeben. „Hallo, ihr schönen Menschen Amerikas“, war Samantha Fuentes zuerst selbstbewusst an das Rednerpult getreten. Von ihren Emotionen überwältigt, tauchte sie kurze Zeit später dahinter ab, setzte ihre Rede aber wenige Sekunden darauf mit der Bemerkung fort: „Ich habe gerade vor den internationalen TV-Kameras gekotzt und es fühlt sich großartig an“.
Zum Schluss sang Fuentes ein Happy Birthday für den am 14. Februar erschossenen Nick Dworet, einen Freund, der am Samstag 18 Jahre alt geworden wäre. Die Menge sang – viele unter Tränen – das Geburtstagslied für den jungen toten Schüler mit.
Empfohlener externer Inhalt
Auf die Bühne trat auch die Enkelin des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King. 55 Jahre nach seiner historischen Rede „I Have a Dream“ am 28. August 1963 in Washington D.C., anlässlich des Marsches für Arbeit und Freiheit, an dem mehr als 250.000 Menschen teilnahmen, nahm die neunjährige Yolanda Renee King das Mikrofon in die Hand.
March for our lives
Die Neunjährige sprach über ihren Traum von einer waffenfreien Welt: „Mein Großvater hatte einen Traum, dass kleine Kinder nicht aufgrund ihrer Hautfarbe beurteilt werden, sondern aufgrund ihrer Charaktereigenschaften“. Sie träume von einer Welt ohne Waffen, sagte King. Zum Schluss ihrer Rede forderte sie die Demonstranten auf, drei mal ihre Botschaft in die Menge zu rufen. Sie lautete: „Wir werden eine große Generation sein“.
Empfohlener externer Inhalt
.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!