Ein Monat Krieg in Sudan: Der Himmel über Khartum brennt
Seit einem Monat herrscht Krieg in Sudan. Khartum wird jede Nacht bombardiert. Widerstandskomitees organisieren eine Notversorgung.
Nicht nur die Hitze zwingt Menschen ins Freie. Viele Menschen sind seit Wochen ohne Wasser. Das zwingt einige, sich das Wasser aus dem Nil zu holen. In der Region Darfur ist bereits die Cholera ausgebrochen. Die Befürchtung, dass sie auch bald in Khartum ausbrechen könnte, ist groß. Der Tod in den Straßen verschlimmert die Hygienebedingungen. In den besonders umkämpften Nachbarschaften haben Anwohner:innen Gruppen gebildet, die die in der Hitze liegenden Leichen entsorgen. In den Morgenstunden zwischen sieben und neun Uhr – das kurze Zeitfenster nach den Bombardierungen und vor dem Straßenkampf – sammeln sie die toten Körper auf.
Auch wenn die offiziellen Todeszahlen bei etwas über 600 liegen, ist von einer sehr viel höheren Dunkelziffer auszugehen. Fehlende Möglichkeiten der Identifizierung, die humanitäre Krise und die medizinische Unterversorgung haben bereits viele Leben gefordert, die in diesen Zahlen nicht erscheinen.
Seit 15. April bekriegen sich in Sudan die Regierungsarmee (SAF) unter Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan und die Miliz RSF (Rapid Support Forces) unter Burhans Stellvertreter Hamdan Daglo Hametti. Der Machtkampf zwischen Sudans beiden mächtigsten Generälen hat insbesondere Khartum in ein Schlachtfeld verwandelt. Hunderttausende sind auf der Flucht.
Berichte über Verbrechen der RSF
Dass sich Vertreter beider Seiten vergangene Woche auf die Ermöglichung humanitärer Hilfe einigten, ändert daran nichts. Das in Dschiddah in Saudi-Arabien geschlossene Abkommen erwähnt explizit keinen Waffenstillstand. Und so sieht auch die tägliche Realität in Khartum aus: Noch immer wird geschossen, noch immer bombardiert. Besonders schlimm ist es in letzter Zeit in Bahri in Khartum-Nord. „Es ist schrecklich, die RSF ist überall“, sagt ein Anwohner. „Wir gehen zwar vor die Tür, aber wir müssen sehr vorsichtig sein, weil sie jeden, den sie für Militär oder Polizei halten, verhaften oder töten.“ Anwohner:innen berichten in sozialen Medien von Bombardierungen ihrer Wohnhäuser durch die SAF auch dort, wo es keine RSF gibt. Die Opfer sind Zivilist:innen.
Auch über die Verbrechen der RSF gibt es inzwischen etliche Berichte, Videos und Fotos auf Social Media. Sie berichten von Vergewaltigungen, Entführungen, Hauseinbrüchen, Überfällen und Zerstörung.
Auch wenn Hunderttausende die Stadt bereits verlassen haben, bleiben noch viele Menschen vor Ort. Wer jetzt noch hier ist, dem fehlen häufig die finanziellen Mittel zur Flucht. Dies sind zumeist auch die Menschen, die den Straßengefechten besonders ausgesetzt sind, weil sie täglich raus müssen, um Geld zu erwirtschaften und um Wasser oder etwas zu essen zu finden. In einem Video wird eine Frau, die am Straßenrand Tee verkauft, gefragt, warum sie nicht fliehe. Ihre Antwort: Eine Flucht koste eben Geld, und wenn sie Geld hätte, dann wäre sie nicht hier auf der Straße, sondern zu Hause bei ihren Kindern.
Wie schon nach der Revolution 2018/19 und dem Militärputsch 2021 sind es die Widerstandskomitees und andere Organisationen, die das Leben in der Geisterstadt aufrechterhalten. Um Notfallmaßnahmen zu koordinieren, haben sie Sub-Komitees für verschiedene Aufgabenbereiche gegründet: In den stark umkämpften Nachbarschaften konzentrieren sie sich auf Flucht- und medizinische Notfallhilfe. In den weniger umkämpften Nachbarschaften verteilen sie Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente. Sie unterstützen Menschen bei der Flucht, indem sie Routen, Autos und Benzin organisieren.
Kaum noch Krankenhäuser
Außerdem kooperieren die Basisorganisationen mit den wenigen Krankenhäusern, die noch in Betrieb sind. Sie nehmen die Krankenwagen und fahren mit ihnen durch die Straßen, um Verwundete aufzusuchen und in die Krankenhäuser zu fahren.
Anfang vergangener Woche hat das Militär zwei Mitglieder der Widerstandskomitees aus Bahri festgenommen. „Die Soldaten sagten, dass wir, die Komitees, mit der RSF kooperieren“, erklärt einer der beiden. Dabei seien sie auf dem Weg gewesen, einen Notfallraum zu errichten, um den Menschen zu helfen.
Bei ihrer Freilassung einige Tage später hatten beide Mitglieder rasierte Köpfe. Gefangenen die Köpfe zu rasieren ist ein für den sudanesischen Sicherheitsapparat altbekanntes Mittel der Demütigung. Sie zielt besonders auf junge Männer, die als potenzielle Bedrohung für den eigenen Machterhalt angesehen werden – also vor allem Protestierende, Widerstandskomitees und Kommunisten. Auch die sudanesische Ärzt:innengewerkschaft berichtet von Drohungen durch das Militär sowie anonymen Todesdrohungen.
Trotz aller Bemühungen der Komitees: Ein normales Leben ist in Khartum nicht mehr möglich. Aber wie so oft bleibt den Menschen nichts anders übrig, als zu warten und zu hoffen.
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