Kämpfe in Sudan dauern an: „Die Zerstörung eines Landes“

Die Kämpfe in Sudan dauern an, für die Menschen ist keine Versorgung in Sicht. Deutschland bestätigt: 600 Pässe wurden in der Botschaft zurückgelassen.

Geflüchtete in Goungour, Tschad: Gefechte in Sudans Westen treiben Flüchtlinge in Nachbarländer Foto: Zohra Bensemra/reuters

BERLIN taz | Trotz des offiziell seit Montagabend geltenden Waffenstillstands in Sudan ist eine humanitäre Hilfsaktion für die notleidende Bevölkerung nach wie vor in weiter Ferne. Hilfswerke beklagen weiterhin, dass die Lage zu unsicher sei, um die in der Hafenstadt Port Sudan gelagerten und dort eintreffenden Hilfsgüter in die Hauptstadt Khartum zu bringen.

Dort dauerten auch am Mittwoch Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und der in den Aufstand getretenen paramilitärischen RSF (Rapid Support Forces) an, wenngleich weniger intensiv als an den Vortagen. Die beiden Vermittlerstaaten USA und Saudi-Arabien hatten zuvor den Kriegsparteien das Nichteinhalten ihrer am Samstag getroffenen Vereinbarung über eine siebentägige Waffenruhe zwecks Ermöglichung humanitärer Hilfe vorgeworfen.

Besonders schwere Gefechte und hohe Opferzahlen werden aus Sudans Westregion Darfur gemeldet. Die Provinzhauptstädte El-Geneina, Zalingei und Nyala sollen allesamt umkämpft sein, Flüchtlingsströme in die Nachbarländer nehmen zu.

Die humanitäre UN-Koordinierungsstelle Ocha schlug am Mittwoch Alarm über die Lage in der Zentralafrikanischen Republik, die selbst von bewaffneten Konflikten erschüttert ist: Lebensmittelimporte aus Sudan würden ausbleiben, in bereits notleidenden Gebieten hätten sich die Lebensmittelpreise verdoppelt und wenn dies so weitergehe, sei dort ab August mit einer Hungersnot zu rechnen. In der Stadt Birao im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik kostet eine kleine Schüssel Hirse demnach umgerechnet inzwischen rund 1,50 Euro. Das entspricht oftmals dem Tageseinkommen einer ganzen Familie.

Doch auch in Sudan selbst wird die Versorgungslage der Bevölkerung immer dramatischer. Laut UN sind inzwischen 25 der 45 Millionen Einwohner des Landes von humanitärer Hilfe abhängig, aber die gibt es nicht. Die UN zählt mittlerweile über eine Million neue Binnenvertriebene in Sudan seit Ausbruch der Kämpfe und 319.000 neue Sudan-Flüchtlinge in Nachbarländern.

Der UN-Experte Radhouane Nouicer, der für die UN-Menschenrechtskommission die Lage in Sudan beobachtet, griff am Dienstag in Genf zu drastischen Worten.

„Dies ist die Zerstörung eines Landes in einer Weise, die sein Volk entmenschlicht“, sagte der Tunesier, der seit über 30 Jahren für die UN arbeitet. „Was geschieht, gehört zum Schlimmsten, was ich in meiner langen Laufbahn in Konfliktgebieten gesehen habe […] Die Menschen fühlen sich alleingelassen und verlassen inmitten eines chronischen Mangels an Lebensmitteln und Trinkwasser, zerstörten Häusern, wahllosen Angriffen in Wohngebieten und verbreiteten Plünderungen.“

600 Pässe in der deutschen Botschaft zurückgeblieben

Die deutsche Bundesregierung bestätigte mittlerweile, dass bei der Evakuierung der deutschen Botschaft in Khartum im April Hunderte Reisepässe von Menschen, die dort gerade ein Visum beantragten, zurückgelassen wurden, was den Betroffenen die Ausreise aus Sudan unmöglich macht (die taz berichtete).

Es befänden sich „noch ca. 600 Pässe in der deutschen Botschaft“, beantwortete das Auswärtige Amt eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger. „Derzeit besteht keine Möglichkeit, die Pässe ohne erhebliche Gefährdung von Leib und Leben der lokal Beschäftigten aus der Auslandsvertretung zu holen. Das Auswärtige Amt beobachtet fortlaufend die Lage und prüft einzelfallbezogene Lösungen.“

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