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11-jährige Influencerin in Gaza getötetSie war ein Leuchtfeuer der Hoffnung

Yaqeen Hammad war Influencerin und vermittelte Hoffnung im überbordenden Leid von Gaza. Am vergangenen Freitag wurde die 11-Jährige getötet.

Yaqeen Hammad zeigte auf Instagram Gaza von einer anderen Seite. Nun ist die 11-Jährige bei einem Luftangriff gestorben Foto: Instagram: yaqeen_hmad

Berlin taz | „Gibt es etwas Schöneres als das Lächeln der Kinder von Gaza?“, schreibt am 15. Mai Yaqeen Hammad auf Arabisch an ihre damals rund 90.000 Follower auf Instagram. Dazu teilt sie ein Video, in dem sie und Dutzende andere Kinder in einem Zeltlager im belagerten Küstenstreifen klatschen, tanzen und singen. Eine Person in einem Super-Mario-Kostüm schießt eine Konfettikanone auf die jubelnde Menge. Es ist ein flüchtiger Moment der Freude in einem brutalen, 20-monatigen Krieg, der Gaza in Trümmern hinterlassen und Zehntausende Menschenleben gekostet hat. Das Video hat mehr als 25.000 Likes.

Am vergangenen Freitag wurde Hammad durch einen israelischen Luftangriff getötet, der ihr Familienhaus in Deir al-Balah im Zentrum Gazas traf. Am Montag wurde ihr Tod bekannt, wie mehrere internationale Medien bereits berichteten. Sie wurde 11 Jahre alt.

Die junge Palästinenserin wurde oft als „humanitäre Influencerin“ bezeichnet, sie hielt viele solcher Momente fest. Hammad dokumentierte ihr ehrenamtliches Engagement in Schulen und Küchen in den sozialen Medien, sie gab Überlebenstipps bei Bombardierungen und improvisierte Kochtipps für Menschen ohne funktionierende Gasherde. „Gaza: Nein zum Unmöglichen“, sagte sie.

Hammad ist eine von Dutzenden Kindern in Gaza, die alleine in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen sind. Der Luftschlag ist Teil einer intensiven Angriffskampagne der israelischen Armee, um Premier Benjamin Netanjahus versprochenen „totalen Sieg“ im Kampf gegen die islamistische Terrororganisation Hamas zu liefern, die bis heute noch 58 Geiseln hält und nicht kapitulieren will. Viele Zivilistinnen und Zivilisten zahlen dafür den Preis. Seit Oktober 2023 sind in Gaza Tausende Kinder wie Hammad getötet worden.

Sie dokumentieren den Krieg selbst

Israel und Ägypten, die eine Grenze mit Gaza teilen, verwehren seit Kriegsbeginn internationalen Journalistinnen und Journalisten den Zugang zum Küstenstreifen. Deshalb dokumentieren Palästinenserinnen und Palästinenser den Krieg nahezu vollständig selbst. Manche arbeiten zusammen mit internationalen Medienorganisationen wie Reuters oder The New York Times, als Reporter oder Fotografen. Andere wie Hammad setzen auf Social-Media-Formate, die online Millionen Menschen erreichen.

Die palästinensischen Gebiete, zu denen Gaza zählt, sind auf Platz 163 von 180 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen – wegen Druck von der israelischen Armee, der regierenden Fatah-Partei im Westjordanland sowie von Terrororganisationen wie der Hamas und Islamischer Dschihad in Gaza, „die für ein Klima der Repression“ sorgen. Seit Kriegsbeginn sind laut Reporter ohne Grenzen fast 200 Medienschaffende in Gaza getötet worden.

Yaqeen Hammads Instagram-Seite zeigt eine andere Seite von Gaza als die verheerenden Kriegsbilder, die in den Medien kursieren. Ihre Beiträge zeugen von Zusammenhalt, Solidarität und Hoffnung. In einem Video bereitet sie Frühstück für 2.500 Fastende während Ramadan vor, nachdem sie mit der NGO Ouena Collective mehr als 260.000 Dollar in Spenden gesammelt hatte. In einem weiteren Video verteilt sie Eisbecher an Kinder: „Gaza-Eis der Extraklasse“, schreibt sie dazu.

Yaqeen Hammad dokumentierte ihr Engagement in den sozialen Medien

Erst im März startete Yaqeen Hammad ihre Instagram-Seite. Unterstützt hat sie dabei ihr älterer Bruder Mohammad, ein humanitärer Helfer. Er soll sie nach und nach darauf vorbereitet haben, ihre Seite irgendwann selbst zu übernehmen, berichtet ein Journalist aus Rafah in Gaza auf der Social-Media-Plattform X.

Seit ihrem Tod hat Hammad mehr als 20.000 neue Follower. Unter ihren Videos sind Trauerbekundungen auf vielen Sprachen. Der palästinensische Fotojournalist Mahmoud Bassam, auch aus Gaza, schrieb auf X: „Ihr Leib mag verschwunden sein, aber ihr Einfluss bleibt ein Leuchtfeuer der Menschlichkeit.“

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14 Kommentare

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  • Eine solche Meldung zeigt die Brutalität, Menschenverachtung und Sinnlosigkeit der Ereignisse besser als alles Andere. Leider.



    Schön, dass es sie gab.

  • Sicher wieder so eine verdeckte Hamas-Terroristin, oder?

    Als wäre es nicht sowieso schon zum kotzen, dass man dieses Geschehen machtlos mit ansehen muss, leben wir auch noch in einem Staat, der dieses israelische Unrechtsregime und seine Kriegsverbrechen tatkräftig unterstützt und Menschen, die dagegen protestieren, mit der Scheinbehauptung, es seien Antisemiten, einspert oder anderweitig bestraft.

  • Dieser Konflikt ist Psycho-Terror für die ganze Menschheit, und genau das liegt im Interesse beider Kriegsparteien. Es geht darum, der ganzen Menschheit so unfassbare Schmerzen in den Kopf zu setzen, dass sie handlungsunfähig wird, weil dann kann man machen was man will und niemand hält einen auf.

    Es geht nur darum.

  • 😢 mein Beileid möge Gott sie für so frühes Engagement für die Menschlichkeit belohnen

  • Die Taten der Israelis sprechen für sich.



    Es gibt über Israel nichts mehr zu sagen und mit Israel nichts mehr zu besprechen. Gleiches gilt für die Israel-Apologeten allerorts und für die Reste der Hamas.

  • Ohne das Massaker der Hamas in Israel , dem Festhalten der Geiseln durch die Terroristen hätte auch Yaqeen Hammad eine gute Zukunft haben können ! Bitte keine Täter/Opfer- Umkehr !

  • Kollateralschaden?



    Nein, der Tod dieses Kindes und vieler anderer unschuldiger Menschen im Gaza-Streifen ist schon lange kein Kollateralschaden mehr. So sehr ich zu Beginn des Konfliktes den Kampf gegen die Terrororganisation als solches verstehen konnte, so sehr widert mich die "Wahl der Mittel" von Netanyahus Regierung und seines Militärs heute an. Der Krieg wandelt sich immer mehr von berechtigtem Kampf gegen die Hamas zum Kampf gegen ein Volk.



    Dieser Krieg ist schon lange Völkerrechtswidrig!

  • Nur ein Opfer von Netanyahus "totalen Sieg". Täglich sterben mehrere Dutzend Personen in Gaza durch feige Angriffe Israels. Deutschland unterstützt Netanyahu natürlich weiter.

  • Unsagbar schrecklich, das Gesagte und das nicht Gesagte.

  • "Am vergangenen Freitag wurde Hammad durch einen israelischen Luftangriff getötet, der ihr Familienhaus in Deir al-Balah im Zentrum Gazas traf."



    Mit welcher Begründung wurde dieses Wohnhaus bombardiert? Hamas Kommandozentrale, oder weil dort Propaganda produziert wurde? Oder macht sich die IOF inzwischen nicht mal mehr die Mühe sich eine Lüge auszudenken?

    • @Residente:

      Da es kaum jemanden in der Welt interessiert und Staaten wie Deutschland lustig weiter: Israel darf das! Skandieren, wirds wohl einfach unnötig sein damit die Hasbara Zentrale zu beschäftigen. Kostet ja auch geld ne.

    • @Residente:

      Das wird die übliche Behauptung sein. Man muss den Fokus nur weit genug hinauszoomen, dann passt es immer. In Gaza gibt es irgendwo Menschen, die gegen Israel mit Waffengewalt vorgehen (man kann sich gar nicht vorstellen, wo dieser Hass gegen das israelischen Unterdrückungsregime herkommt), also darf man Gaza bombardieren. Genauer muss man nicht hinsehen. Gelten 90% "Kollateralschäden", wie die USA ihre Kriegsverbrechen nennen, eigentlich schon als ein Fall für den IGH?

    • @Residente:

      Das muss der IDF untersuchen.

  • Und wieder ist ein Stück Hoffnung, ein wenig Zukunft brutal ermordet worden. Hoffentlich nicht auch noch mit deutschen Waffen. Das sollten sich diejenigen die noch immer Waffen an Israel liefern ernsthaft fragen.