Ein Jahr #MeToo: Richtig laut geworden
Vor einem Jahr wurde die Affäre um den US-Produzenten Harvey Weinstein bekannt – und der Hashtag #MeToo groß. Was ist seitdem passiert?
5. Oktober 2017: Veröffentlichung der Vorwürfe gegen Harvey Weinstein Ronan Farrow veröffentlicht in der New York Times einen Artikel, in dem Frauen dem US-Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuelle Belästigung und Vergewaltigung vorwerfen. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf, Weinstein wird als Aufsichtsrat von seiner Firma entlassen. Amazon und Disney kündigen die Zusammenarbeit, die Oscar-Academy schließt ihn aus, sein Name wird aus dem Abspann seiner Produktionen gelöscht.
15. Oktober 2017: Ein Hashtag wird wiedergeboren Die US-Schauspielerin Alyssa Milano twittert: „Me too. Ein Freund hat die Idee: Wenn alle Frauen, die sexuell belästigt worden sind, als Statusmeldung ,me too' schreiben würden, bekämen wir ein Gefühl dafür, wie riesig dieses Problem ist.“ Am ersten Tag folgen 200.000 Frauen dem Aufruf, mittlerweile haben Millionen Frauen in über 85 Ländern unter #MeToo ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt geteilt. Ursprünglich wurde der Hashtag 2006 von der afroamerikanischen Aktivistin Tarana Burke ins Leben gerufen.
29. Oktober 2017: Der Fall Kevin Spacey Der US-Schauspieler Anthony Rapp erzählt Buzzfeed, er sei in den 1980ern von Schauspieler Kevin Spacey bedrängt worden. Rapp sei damals 14, Spacey 26 Jahre alt gewesen. Spacey twittert später, er könne sich daran nicht erinnern, wolle sich aber entschuldigen. Im gleichen Zug outet sich Spacey als schwul. In den folgenden Monaten werfen über 30 Männer Spacey sexuelle Belästigung vor. Netflix unterbricht die Serienproduktion von „House of Cards“, die Serie wird später ohne Spacey weitergeführt. Vorwürfe gegen weitere Männer in der Unterhaltungsbranche und darüber hinaus folgen – darunter der US-Schauspieler Morgan Freeman und der US-mexikanische Komiker Louis C.K.
1. November 2017: Politik in Großbritannien Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon tritt zurück. Er soll laut einem Bericht des Guardian im Jahr 2002 bei einem Abendessen der Journalistin Julia Hartley-Brewer mehrfach ans Knie gefasst haben, bis sie ihm mit einer Ohrfeige gedroht habe.
3. Januar 2018: #MeToo kommt nach Deutschland Mehrere Schauspielerinnen und ehemalige Mitarbeiter*innen werfen dem Regisseur Dieter Wedel gewalttätige und sexuelle Übergriffe vor, die er in den 1990er Jahren begangen haben soll. Die Frauengaben dazu eidesstattliche Versicherungen ab, Wedel widerspricht den Vorwürfen. Am 22. Januar tritt er als Intendant der Bad Hersfel der Festspiele zurück.
11. Januar 2018: Der chinesische Weinstein Sechs ehemalige Studentinnen werfen Hochschulprofessor Chen Xiaowu vor, er habe sie über Jahre hinweg sexuell belästigt. Die Pekinger Beihang-Universität feuert Chen Xiaowu, der alle Vorwürfe bestreitet. An mehr als 40 Universitäten gibt es Proteste, der Hashtag #MeToo wird nun auch in China millionenfach geteilt. Seit Februar werden #MeToo-Einträge in den sozialen Netzwerken Chinas binnen Minuten zensiert und gelöscht.
9. Januar 2018: Kritik am Hashtag Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve veröffentlicht mit rund 100 weiteren prominenten Frauen in der französischen Zeitung Le Monde einen Brief, in dem sie MeToo als „Denunziationskampagne“ gegen Männer scharf kritisiert.
17. März 2018: Mediendebatte in Schweden Benny Holger Fredriksson, Theaterdirektor in Schweden, soll ein Betriebsklima geduldet haben, in dem Mitarbeiter sexuell belästigt worden seien. Im Dezember tritt er von seinem Posten als Theatergeschäftsführer zurück, zwei Monate später nimmt er sich das Leben. Sein Suizid löst eine Debatte über die Medienberichterstattung zu #MeToo aus. Der schwedische Presserat rügt mehrere Zeitungen, die Namen von Beschuldigten genannt hatten.
20. Januar 2018: Vom Hashtag zur Bewegung In 250 US-amerikanischen Städten gehen Millionen Frauen für Frauenrechte und gegen die frauenfeindliche Politik von Donald Trump auf die Straße. Die Demo fand schon ein Jahr vorher zur Amtseinführung Trumps statt und bekommt durch #MeToo neuen Auftrieb.
5. April 2018: Öffentlich-Rechtliche in Deutschland Correctiv und Stern berichten im Frühjahr von drei Fällen, in denen WDR-Mitarbeitern sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Mehrere Frauen, darunter die Autorin Charlotte Roche, werfen dem Spielfilmchef Gebhard Henke im Spiegel vor, sie sexuell belästigt zu haben. Zwei der Beschuldigten müssen den WDR verlassen.
1. Juli 2018: Reform des Sexualstrafrechts in Schweden „Ja heißt ja“ gilt seit dem Sommer in Schweden, das heißt: Sex ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller Beteiligten legal. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet, auch wenn sich der Partner nicht körperlich wehrt oder Nein sagt.
20. August 2018: Vorwürfe gegen #MeToo-Aktivistin Der Schauspieler Jimmy Bennett wirft der Schauspielerin und #MeToo-Mitinitiatorin Asia Argento vor, ihn 2013 als 17-Jährigen in einem Hotel in Kalifornien sexuell missbraucht zu haben. Die New York Times berichtet, die beiden hätten sich außergerichtlich geeinigt, Argento soll Bennett umgerechnet 330.000 Euro gezahlt haben. Nach der Veröffentlichung beteuert Argento, keine sexuelle Beziehung mit Bennett gehabt zu haben. Ende September räumt die Schauspielerin dann aber gegenüber dem italienischen Sender La7 ein, dass sie Sex mit Bennett gehabt habe, er sich jedoch förmlich über sie hergemacht habe.
Die Debatte
Ausgelöst von den veröffentlichten Anschuldigungen gegen den US-Produzenten Harvey Weinstein entstand eine internationale Debatte über sexualisierte Gewalt. Während einige sie als feministische Revolution feiern, kritisieren andere den generellen Umgang mit dem Thema. Doch was ist seit dem 5. Oktober 2017 passiert? Hat sich unsere Gesellschaft in diesem Jahr verändert oder ist alles beim Alten?
Die Serie
Den Oktober über werden auf dieser Seite und auf taz.de verschiedene Aspekte der Debatte betrachtet.
16. September 2018: Die Kavanaugh-Anhörung Die Vergewaltigungsvorwürfe von Christine Blasey Ford gegen Brett Kavanaugh, Trumps Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, werden bekannt. Dieser soll als 17-Jähriger die 15-jährige Blasey in den 1980ern bei einer Party massiv sexuell bedrängt haben. Vier weitere Frauen erheben Vorwürfe gegen ihn, Kavanaugh streitet alles ab. Ende September müssen er und Blasey Ford vor dem Justizausschuss des Senats aussagen. Das FBI untersucht die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und übergibt dem Weißen Haus den entsprechenden Bericht. Am Freitag schon könnte der Senat über die Berufung Kavanaughs abstimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands