Ehrendoktor für Snowden: Das Verfahren ist eröffnet
Edward Snowden soll Ehrendoktor werden. Die philosophische Fakultät der Universität Rostock will ihm die Würde im Sommer verleihen.
BERLIN taz | 17 Stimmen waren dafür, zwei dagegen, zwei enthielten sich. Damit ist das Ehrenpromotionsverfahren für Edward Snowden eröffnet; der Whistleblower soll den Ehrendoktor der philosophischen Fakultät der Universität Rostock bekommen. „Herr Snowdens Aktion befruchtet aktuelle wissenschaftliche Debatten über Globalisierung und Kosmopolitismus“, heißt es in der Begründung des Dekans der Fakultät, die der taz vorliegt.
Über die Verleihung selbst muss zwar im Mai abgestimmt werden. Der Dekan der Fakultät, Hans-Jürgen von Wensierski, ist jedoch zuversichtlich. Für die zweite Abstimmung ist eine Dreiviertelmehrheit nötig. Diese wurde in der ersten Abstimmung schon erreicht: Von den insgesamt 22 Mitgliedern mussten mindestens 17 für die Verleihung stimmen. „Ich vertraue den Kollegen, dass sie ihr Abstimmungsverhalten nicht mehr ändern“, sagte der Dekan der taz.
„Manche dachten, das sei ein Mediengag“, so Wensierski. Dem sei nicht so. Auch wenn die Mitglieder der Fakultät Snowden nicht persönlich kennen, so habe man sich über Sekundärmedien ein gutes Bild über die Person Edward Snowden gemacht. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass er eine beeindruckende Biographie habe. „Wir haben hier einen Jungen, der durch seine Geheimdienstarbeit Erfahrungen gemacht hat und sich dadurch entschließt, gegen das staatliche Unrecht aufzulehnen“, so Wensierski.
Dokumente für die Wissenschaft
Mitglieder des Fakultätsrates kritisierten zuvor, Snowdens Enthüllungen seien nicht wissenschaftlicher Natur. Der Dekan sieht die Ehrendoktorwürde als Auszeichnung für das Bereitstellen von Dokumenten. Diese seien für die Wissenschaft interessant. Die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock trägt unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck. Auch er wurde für die Bereitstellung von Dokumenten geehrt, im Zuge der historischen Aufklärung über die Stasi.
Der philosophischen Fakultät gehe es nicht nur darum, Wissen zu generieren. Eine wissenschaftliche Institution sei auch für die Bildung ihrer Studierenden und das Aufgreifen aktueller Debatten zuständig. Snowdens Wissensschatz, so die Begründung der Fakultät, „ist geeignet, die Facebook-Generation der Studenten aufzuklären und sie für den Wert von Demokratie und die strukturellen Voraussetzungen für individuelle Freiheit sensibel zu machen.“
Edward Snowden selbst wurde von der Fakultät bisher nicht über sein Glück informiert. Er soll nach der zweiten Abstimmung von einem Kontaktmann in Russland gefragt werden, ob er die Ehrendoktorwürde annehmen möchte.
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