Ehrenamtliche statt Lehrer: „Die langweilen sich“
In zehn Hamburger Großunterkünften haben Kinder noch immer keine Schule. Kinderbetreuung übernehmen oft Ehrenamtliche.
Die ZEA Bargkoppelstieg in einem Gewerbekomplex in Meiendorf zum Beispiel ist seit September mit über 1.000 Menschen belegt. Darunter sind auch Kinder. Im Dezember waren es 190, wie Claudia Folkers von der Organisation Meiendorf Hilft berichtet. Doch eine Lerngruppe gibt es nicht, nur die Ehrenamtlichen kümmern sich.
Genauso verhält es sich in den früheren Max-Bahr-Hallen in Bergedorf und Eidelstedt, in der ZEA Papenreye, die sich in einer Tennishalle befindet, sowie in den Unterkünften Graf Baudissin Kaserne, Wiesendamm, Kurdamm, Kieler Straße, Vogt-Köln-Straße und Flagentwiet. Ehrenamtliche Helfer berichten von weiteren Notunterkünften, in denen die Kinder keine Schule haben. Ob auch dort Lerngruppen fehlen, ließ sich bis Redaktionsschluss nicht klären.
In Hamburg gibt es 33 Erstaufnahmen, in denen insgesamt über 18.000 Menschen leben. Man habe dort insgesamt 64 Lerngruppen mit 992 Schülern, berichtet Behördensprecher Peter Albrecht. Laut Stand 15. Dezember gab es 1.536 schulpflichtige Kinder. Dass viele unversorgt sind, „ist so“. „Damit sind auch wir unzufrieden.“
Gerade bei den Notunterkünften sei dies zunächst aufgrund der „unklaren Registrierungssituation und hoher Fluktuation“ nicht möglich gewesen. Man suche jetzt aber Lehrer und Räume und setze alles dran, dass in den nächsten Monaten das Angebot „deutlich ausgeweitet“ werden könne.
Ganz ähnlich ist das Bild übrigens bei der Kinderbetreuung. Laut des Büros des Flüchtlingskoordinators gibt es an 17 ZEAs täglich eine vierstündige Betreuung für Kinder von drei bis sieben Jahren. Für die älteren Kinder, die übrige Zeit und die übrigen ZEAs bleiben nur die Angebote der Ehrenamtlichen, wie sie das Kinderprogramm Erstaufnahme des Vereins Baschu seit Monaten an zehn Standorten organisiert. Die fehlende Schule sei ein Problem, sagt Initiatorin Nadja Frenz. „Die Kinder langweilen sich und wollen unbedingt lernen. Wir merken, wie durstig die sind.“ Die Ehrenamtlichen wären bereit, den Deutschunterricht zu übernehmen. Es wäre redlich, den GruppenleiterInnen einen 450-Euro-Job anzubieten, sagt Frenz.
Auch am Bargkoppelstieg sind es Ehrenamtliche, die sich um die Kinder kümmern. Es gibt einen Deutschkurs für Kinder und Mütter, der vom Bund bezahlt wird. Doch der ist nur für Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien mit sicherer Bleibeperspektive, nicht für Menschen aus Afghanistan etwa. „Da haben wir keinen Einfluss drauf“, sagt Susanne Schwendtke vom städtischen Betreiber Fördern und Wohnen. Aber auch die Ehreamtlichen machten einen Kurs. „Der steht für alle offen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?