Betreuung zweiter Klasse: Hamburg spart bei Flüchtlingskindern

In der Erstaufnahme Papenreye wurde eine „Kita“ eröffnet, doch die Zusage fürs Personal fehlt. In reguläre Kitas kommen die wenigsten – obwohl viele Anspruch hätten.

Kinder spielen auf dem neuen Spielplatz neben den Wohncontainern der Erstaufnahme an der Hamburger Papenreye.

Toller Spielplatz, kein Betreuungspersonal: Die „Kita“ des ASB an der Papenreye Foto: ASB

HAMBURG taz | Es sollte eine feierliche Eröffnung werden. Mit einer riesigen roten Schleife war der neue Spielplatz auf dem Hof der Erstaufnahme Papenreye umgrenzt, das Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel durchschnitt, bevor rund 50 Kinder vor laufender Kamera Rutsche und Schaukeln erstürmten.

Zuvor gab es eine Pressekonferenz in der inzwischen wieder leer geräumten Tennishalle, in der bis zum Sommer über 300 Menschen lebten und schliefen. Die Container, in denen die Familien inzwischen leben, seien „noch lange nicht schön“, sagte Martin Schäfer vom Arbeiter-Samariter-Bund, welcher die Flüchtlingsunterkunft in der Papenreye betreibt. Aber es seien „menschengerechtere Unterkünfte“. Nötig sei Integration vom ersten Tag. „Mit wem geht das besser als über die Kinder?“

Und die zum Spielplatz gehörende neue Kita sei so schön, „da könnte ich meine Kinder sofort drin abgeben“, sagte Anselm Sprandel. Danach berichtete Barbara Wolter, Leiterin der Erzieherfachschule in Altona, wie ihre ehrenamtlich helfenden SchülerInnen auf die Idee für die Container-Kita gekommen waren: „Es war deprimierend für sie, nach zwei Stunden das Spielzeug wieder einzupacken.“ Die Schüler sammelten Material und Möbelspenden, Schüler der Gewerbeschule Holztechnik tischlerten Einbauten und Regale. Eine Kita mit Elterncafé und Mal-Atelier entstand.

Personal gibt es für die Kinderbetreuung nicht

„Nur“, sagte Wolter, „brauchen wir Personal für die Öffnung. Noch ist das nicht gesichert.“ Es wäre schön, wenn aus der Eröffnung eine echte Öffnung würde. „Wir kämpfen sehr darum, dass wir das Personal kriegen“, sagte auch Einrichtungsleiter Frank Zimmermann. Dafür sei die Sozialbehörde zuständig.

Es geht nicht mal um die Stellen für eine echte Kita, sondern um die für eine „halb offene Betreuung“. In den 19 der 32 Erstaufnahmen gibt es so ein Minimalangebot, nur für Kinder von drei bis sechs, nur vier Stunden am Tag. Ab 25 Kindern wird eine halb offene Betreuung eingerichtet, dafür gibt es 4.500 Euro im Monat.

An der Unterfinanzierung der Kita in der Papenreye sei der Betreiber der Unterkunft Schuld, sagt der Sprecher der Sozialbhörde Marcel Schweitzer: Der Arbeiter-Samariter-Bund habe den Antrag zunächst unvollständig gestellt, dann habe sich herausgestellt, dass dort zu wenige Kinder seien, um eine halb offene Betreuung einzurichten. Nötig wären 25 Drei- bis Sechsjährige, gerade seien es aber nur 16. Es sei ein wenig „unverständlich“, dass der Arbeiter-Samariter-Bund mit dem Finger auf die Behörde zeige. Gleichwohl sitze eine Mitarbeiterin der Sozialbehörde erneut mit dem Träger zusammen. „Wir wollen da eine gute Lösung finden.“

Simone Will, „Kids Welcome“

„Wir sind am Rande unser Kräfte und kriegen von der Stadt nichts“

Ehrenamtliche springen ein, der Staat zahlt nichts

Zwölf Erstaufnahmen bieten – wie bis jetzt die Papenreye – nicht mal eine halb offene Betreuung an. Und für ältere Kinder gäbe es nachmittags in den tristen Unterkünften nichts zu tun, wäre da nicht die Gruppe „Kids Welcome“, die seit über einem Jahr mit großen Mühen Kinderbetreuung organisiert. „Kids Welcome“ bietet Spielzeiten und Ausflüge, die Ehrenamtler fahren mit einem Kinderfilm-Kino, einer Kinderdisco und einer Zahnputzschule in die Unterkünfte.

„Wir sind am Rande unserer Kräfte und kriegen von der Stadt nichts“, sagt Simone Will von „Kids Welcome“. Seit Kurzem helfen vier junge Flüchtlinge als Bufdis (Bundesfreiwilligendienstler) mit. Das sei sehr gut, sagt Will. Doch die Ehrenamtlichen müssten nicht nur alles Material, sondern sogar die obligatorischen 150 Euro Verwaltungsgebühr aus eigener Tasche zahlen, die für jeden Bufdi monatlich fällig werden. „Nötig, damit wir arbeiten können, wären im Monat 2.000 bis 3.000 Euro“, sagt Will. „Kids Welcome“ könne ja einen Antrag beim Integrationsfonds der Bürgerschaft stellen, sagt Sozialbehörden-Sprecher Schweitzer.

Fast keine Flüchtlinge in normalen Kitas

Zum 15. November lebten 857 Kinder im Kita-Alter in den 32 Erstaufnahmeeinrichtungen. 633 sind länger als sechs Monate dort und haben somit Anspruch auf einen normalen Kitaplatz in der Stadt. Und da sie unter prekären Bedingungen leben, auf Wunsch der Eltern auch auf einen Ganztagsplatz. Nach Ansicht des Deutschen Jugendinstituts haben Flüchtlingskinder sogar ab dem ersten Tag einen Kita-Anspruch.

Nach einer Abfrage bei den Kitabetreibern ist von 19 der 857 Flüchtlingskinder sicher bekannt, dass sie eine Kita besuchen. Da hat die Stadt viel Geld gespart.

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