Ehemalige RBB-Intendantin Schlesinger: Gier und jetzt

Der Fall Schlesinger ist ein gefundenes Fressen für misogyne Feinde der Öffentlich-Rechtlichen. Dabei hat Vetternwirtschaft in Berlin Tradition.

Das beleuchtete Logo des Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ist an der Fassade am Sitz des Senders an der Masurenallee angebracht.

Dunkle Machenschaften im RBB Foto: dpa | Carsten Koall

„GEZ is geil“, so der Arbeitstitel, der mir in den Sinn kommt. Ich bin nämlich dabei, ein Drehbuchexposé für eine genreübergreifende Miniserie zu verfassen. Gewissermaßen als Pilotprojekt. Es handelt sich um einen Wirtschaftskrimi im Wellnessmilieu. Dementsprechend spielt die Geschichte in der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RBR: Radio Bananenrepublik in der Masseur*innen-Allee.

Die Hauptakteurin ist keine Geringere als die Intendantin selbst. Sie reüssiert als eine sprichwörtliche Patrizierin in den besten Jahren. Denn es ist ihr im Laufe ihrer imponierenden journalistischen Karriere gelungen, alte Mauern einzureißen und sogar neue entstehen zu lassen: etwa mit grünen Pflanzen verzierte Wände, die über eine eigene Bewässerungsanlage verfügen.

Ich meine, wenn sie alleine für die Renovierung der Vorstandsetage zwischen 650.000 und 1,4 Millionen Euro ausgibt, dann sollten solch Annehmlichkeiten gleichsam drin sein. Wesentlich günstiger ist immerhin der Sekundenkleber, mit dem sie ihren Sessel übersät, ehe sie sich wieder hinsetzt und ihre Krisenfestigkeit unter Beweis stellt.

Doch auch als eine Alpha Woman, die inmitten der gnadenlosen Ellenbogengesellschaft zu bestehen versucht, ist die Eigenschaft der Empathie bei ihr nicht verloren gegangen. So kümmert sie sich rührend darum, dass ihr Ehegatte in den Genuss hochdotierter, wenn auch hochdubioser Beraterverträge kommt. Powerfrau als Familienfrau.

Das System Schlesinger

Es sei übrigens ausdrücklich erwähnt: Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist rein zufällig. Oder auch nicht.

Fakt ist, das System Schlesinger hat es in die Schlagzeilen geschafft. In Berlin, wo die Vetternwirtschaft zum Alltag zählt, ist das eigentlich eine Errungenschaft. Schon der Name dieser im frühen 13. Jahrhundert aus der Taufe gehobenen Stadt bedeutet,,Sumpf“.

Was die Thematik Korruptionsskandale betrifft, da steppt der BER. Es war immer so. Siehe die Causa der Gebrüder Sklarek aus den Jahren 1929 bis 1933. Untreue, Vorteilsnahme, fingierte Rechnungen. Da lief alles wie geschmiert. Die Bekleidungsunternehmer Sklarek mussten sich am Ende splitterfasernackt ausziehen, wie auch zahlreiche Banker, Beamte und Buchhalter, die als Komplizen von dem Sog erfasst wurden. Männer und Machtgier halt.

Doch irgendwie ist besonders störend, dass eine Frau, eine moderne, medienbewusste Frau wie Patrizia Schlesinger es riskieren würde, in flagranti ertappt zu werden. Sich selbst saftige Gehaltserhöhungen und Boni zu gönnen, während sie der Belegschaft den Geldhahn zudreht?

Gläserne Decken und Scherbenhaufen

Es herrscht die Unschönvermutung, aber es geht dabei um mehr als die Optik. Die Vorwürfe, mit denen Frau Schlesinger konfrontiert wird, sind kein erfundenes, sondern vielmehr ein gefundenes Fressen für die schäumenden Todfeinde des sogenannten Staatsfunks, die diese Gelegenheit nutzen, um auch ihre Misogynie frei laufen zu lassen.

Man müsste wiederum nicht zu den Demagogen zählen, um zu begreifen, dass der ÖRR buchstäblich von A wie ARD bis Z wie ZDF dringend reformbedürftig ist, und zwar nicht,,nur“, was den laxen Umgang mit unseren GEZ-Gebühren betrifft. In den Rundfunkräten sind Menschen mit Einwanderungsgeschichten auf eklatante Weise unterrepräsentiert.

Was auch immer aus dem,,fiktiven“ Drehbuch wird und wie auch immer die echten Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft ausgehen, ist eine Sache klar: Patrizia Schlesinger hat auf fulminante Weise die berühmt-berücktigte gläserne Decke durchbrochen und einen Scherbenhaufen hinterlassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner trans* Frau mit afroamerikanischen Wurzeln, ist eine „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Autorin des Februar 2022 erschienenen Buches RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (Verlag GrünerSinn: ISBN 9783946625612). Ebenjene historisch fundierte Einführung reüssiert als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus. Dudley, eine gelernte Juristin (Juris Doctor, US) schreibt auch für den Tagesspiegel, die Siegessäule, die Zeit / das Goethe, Missy Magazine, Rosa Mag und den Verlag GrünerSinn. Zudem tritt sie als Kabarettistin, Keynote-Rednerin und Diversity-Expertin in Erscheinung. Ihr Themenspektrum umfasst Anti-Rassismus, Feminismus und die Bedürfnisse der LGBTQ-Community. Elegant und eloquent, reüssiert die intersektional agierende Aktivistin als die „Diva in Diversity“. Als impulsgebende Referentin arbeitet sie mit der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, der Frankfurter Buchmesse und dem Goethe-Institut zusammen. In der Fernsehsendung „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF, 25.08.2020) hat sie ihre Ballade „Owed to Marsha“ zu Ehren der queeren Ikone Marsha P. Johnson uraufgeführt. In einer anderen Folge (17.06.2020) hatte sie für die „Meinungsverantwortung“ plädiert, als sie die Äußerungen der Schriftstellerin J.K. Rowling in puncto Transsexualität kritisierte. Immer wiederkehrend kommentiert sie brandaktuelle Themen (ARD, MDR, RBB, WDR). Ihr satirisches, musikalisch untermaltes Kabarettprogramm heißt: „Eine eingefleischt vegane Domina zieht vom Leder“. Sie liebt die Astrophysik, spielt gerne Schach, spricht u.a. Latein und lebt tatsächlich vegan. Ihre Devise: „Diversity ist nicht einfach, sondern mehrfach schön. Kein Irrgarten, sondern ein Wir-Garten.“

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.