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Ehemalige JVA in GöttingenInitiative will in den Knast

Göttingen hat ein leer stehendes Gefängnis zum Verkauf ausgeschrieben. Die Ini, die dort für ein soziales Zentrum kämpft, will die Immobilie erwerben.

Hier könnte ein Soziales Zentrum in der Göttinger Innenstadt entstehen Foto: Stefan Rampfel/dpa

Göttingen taz | In ihrem Bemühen, in der früheren Göttinger Justizvollzugsanstalt (JVA) ein soziales Zentrum aufzubauen, lässt die Initiative „Soziales Zentrum Göttingen“ nicht locker. Bei einer Kundgebung vor dem leer stehenden Gebäude gab sie am Sonntag den Startschuss für eine Spendenkampagne. Mit möglichst viel auf diese Weise eingesammeltem Geld will die Initiative die Immobilie erwerben und umbauen. „Wir sind froh, dass wir nun an dem Punkt angelangt sind, Spenden sammeln zu können“, sagt Almut Schilling, eine der Aktiven.

Das ehemalige Untersuchungsgefängnis in der nördlichen Innenstadt gehört seit 2008 der Stadt und ist seitdem ungenutzt. Bemühungen um eine Nachnutzung blieben lange Zeit ohne Ergebnis – Pläne, die JVA etwa zu einem Hostel umzubauen, scheiterten an der Finanzierung. Erst vor zwei Jahren kam die Debatte wieder in Schwung.

Die Initiative für ein soziales Zentrum legte ein detailliertes Konzept vor, das unter anderem Beratungs- und medizinische Angebote für Geflüchtete und andere Bedürftige vorsah. Die überfällige Sanierung sollte die Stadt stemmen – und dafür knapp sechs Millionen Euro bereits bewilligte Fördermittel für den Stadtteil verwenden.

Doch Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) entschied quasi im Alleingang, die JVA an die Firma Trafo Hub aus Braunschweig zu veräußern, die dort ein nebulöses Konzept für sogenannte Co-Working- und Co-Living-Spaces umsetzen wollte. Im Oktober 2022 besetzte eine Gruppe namens „Autonome Stadtverwaltung Göttingen“ das Gebäude. Eine Räumung durch die Polizei wenige Tage später verlief vollkommen friedlich – allerdings sind vor Gericht Strafprozesse gegen mutmaßliche Be­set­ze­r:in­nen anhängig.

Käufer sollen Erfahrungen nachweisen

Kurz darauf zog sich die Trafo Hub zurück, angeblich wegen veränderter Rahmenbedingungen wie Baukosten- und Zinssteigerungen sowie der Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Auf eine Entwicklung des Hauses gemeinsam mit Nachbarn und Initiativen wollten sich die Stadtratsmehrheit aus SPD, CDU und FDP sowie die Verwaltung aber weiterhin nicht einlassen. Stattdessen hat die Stadt die JVA in einer öffentlichen Ausschreibung zum Verkauf angeboten. Bis zum 1. Juni 2024 können sich Interessierte bewerben.

Die Stadt will die Bewerber nach einem bestimmten Kriterienkatalog bewerten. So soll der Käufer etwa anhand von Referenzen Erfahrung in der Entwicklung ähnlicher Immobilien nachweisen können und die Bereitschaft zeigen, einen Vertrag zu unterschreiben, „der die städte­baulichen und bauleitplanerischen Ziele der Stadt“ absichert. Als Mindestpreis nennt die Stadt 140.000 Euro.

Möglich ist aber auch die Option Erbbaurecht – also das Recht, eine Immobilie auf fremdem Grundstück zu bauen oder zu nutzen. Der Erbbaurechtnehmer wird Eigentümer der Immobilie, pachtet jedoch das Grundstück. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet letztendlich der nicht öffentlich tagende Verwaltungsausschuss, in dem die drei genannten Parteien die Mehrheit haben.

Hoffen auf Spenden und Fördergelder

Die Initiative für ein soziales Zentrum beteiligt sich nun an der Ausschreibung. Gemeinsam mit anderen Gruppen aus der Nachbarschaft gründete sie bereits Anfang des Jahres einen gemeinnützigen Verein, um dem Vorstoß einen formalen Rahmen zu geben.

Die jetzt gestartete Spendenkampagne stellt allerdings nur den Beginn der Finanzierung dar. „Spenden sind für uns eine wichtige Anschubfinanzierung, um die Bewerbung zu stemmen“, sagt Anna Siegert, eine der Mitstreiterinnen der Initiative. Für den Kauf und den Umbau hofft sie auf Fördermittel. Ein weiterer Teil der Finanzierung soll aus Direktkrediten kommen, bei denen es im Falle einer nicht erfolgreichen Bewerbung Möglichkeiten der Rückerstattung gibt.

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