EU untersucht fragwürdige Personalie: Niemand will Juncker widersprechen
Das EU-Parlament befasst sich am Montag mit dem Fall „Selmayr“. Die überraschende Berufung des Juristen zum Generalsekretär wirft einige Fragen auf.
Doch seit seiner überraschenden Beförderung zum Generalsekretär der EU-Behörde sorgt Selmayr für Schlagzeilen. Am Montag will sich sogar das Europaparlament mit dem „Fall Selmayr“ befassen.
Es gehe um „Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht“, heißt es in einer Pressemitteilung des Parlaments. Von einem „Staatsstreich“ spricht die französische Tageszeitung Libération. Der belgische Europaabgeordnete Bart Staes (Grüne) denunziert eine „Machtergreifung, die einen an Diktaturregime denken lässt“. Die EU-Kommission sei außer Kontrolle geraten.
Was ist passiert? Das wollen die Europaabgeordneten mit einer Plenardebatte und einer Untersuchung im Haushaltskontrollausschuss aufklären. Der auch für Personalpolitik zuständige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) soll Rede und Antwort stehen. Denn Juncker und seine Pressesprecher waren bisher nicht in der Lage, die Hintergründe im „Selmayrgate“ (Libé) aufzuklären.
Dabei hatte die Angelegenheit im grellen Rampenlicht begonnen. Juncker verkündete den kometenhaften Aufstieg seines Kabinettschefs höchstpersönlich im Pressesaal der EU-Kommission. Man habe schnell handeln müssen, da der bisherige Generalsekretär Alexander Italianer zurückgetreten sei, begründete er seine Entscheidung. Juncker habe „das Recht, seinen Generalsekretär auszuwählen“, sekundierte Oettinger.
Auch das Verhalten Oettingers sei fragwürdig
Doch warum ging alles so schnell? Wieso wurden die EU-Kommissare nicht vorab informiert – selbst Oettinger will nichts gewusst haben? Wieso wurde Selmayr erst zum Vize-Generalsekretär befördert und Minuten später zum General? Warum zog sich die einzige Gegenkandidatin zurück, und warum wurde sie zu Junckers neuer Kabinettschefin ernannt?
„Das Verfahren rückt die gesamte Kommission in ein schlechtes Licht“, kritisiert der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. „Keiner wagt es, Juncker zu widersprechen.“ Auch das Verhalten Oettingers sei fragwürdig. Daher sei es richtig, dass er sich nun vor dem Parlament verantworten muss.
Personelle Konsequenzen will Giegold allerdings nicht fordern. Man müsse erst die Ergebnisse der Untersuchung abwarten, sagte er der taz. Stattdessen wollen die Grünen mit einem Fünfpunkteplan für mehr Transparenz werben. Die französischen Sozialisten gehen weiter: Sie fordern, dass Juncker persönlich vor dem Parlament erscheinen soll. Ansonsten werde „das Misstrauen der Bürger gegenüber unseren Institutionen“ noch mehr steigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion