EU testet Lügendetektor an Außengrenzen: Virtuelle Grenzbeamte
Was ist in Ihrem Koffer? – Die Europäische Union will Einreisende maschinell überprüfen. Die Fehlerquote ist dabei hoch.
![EU-Fahne: blauer Grund mit gelben Sternen. EU-Fahne: blauer Grund mit gelben Sternen.](https://taz.de/picture/3049396/14/EU_Fahnejpg.jpeg)
Amerikanische TV-Kommissare schwören auf diese Technik. Kritiker sagen, man kann genauso gut eine Münze werfen. Eines steht außer Frage: Die Treffsicherheit eines Lügendetektors ist umstritten. Dennoch testet die Europäische Union nun den Einsatz dieser Systeme in Ungarn, Lettland und Griechenland an deren Grenzen zu Nicht-EU-Ländern.
Der Lügendetektortest ist Teil von „iBorderControl“, einem sechsmonatigen Pilotprogramm. Bevor die Menschen an der Grenze befragt werden, müssen sie ein Online-Formular ausfüllen und persönliche Dokumente, wie den Reisepass, die Einreisebewilligung und einen Nachweis finanzieller Mittel hochladen. Anstatt der üblichen menschlichen Grenzbeamten wird ein KI-System den Reisenden anschließend die typische „Haben Sie etwas zu verzollen?“- Frage stellen und die Antworten nach ihrem Wahrheitsgehalt auswerten. Die Fragen werden je nach Geschlecht, Sprache und ethnischer Zugehörigkeit der Person ausgewählt.
Wie der „News Scientist“ berichtete, wird der virtuelle Grenzbeamte Fragen stellen, wie „Was ist in Ihrem Koffer?“ oder „Wenn Sie jetzt den Koffer öffnen und mir zeigen, was dort drin ist, würde das mit Ihren Antworten übereinstimmen?“ Während die Reisenden die Fragen beantworten, müssen sie in eine Webcam schauen. Das KI-System analysiert dann die Emotionen und die Mimik der Personen und wertet diese aus.
Stellt der Lügendetektor fest, dass der Reisende die Wahrheit sagt, dann bekommt er einen QR-Code zugeteilt, mit dem er dann einreisen darf. Besteht aber der Verdacht, dass der Reisende lügt, wird er noch einmal genauer kontrolliert. So werden Daten wie Fingerabdrücke und Handflächenstruktur aufgenommen und ein zusätzlicher Test mit einer Gesichtserkennungssoftware durchgeführt. Anschließend wird der Verdächtige zu einem menschlichen Grenzbeamten geschickt, der die Ergebnisse nachprüft und die Situation dann dementsprechend bewertet.
Reaktion auf Terror-Anschläge
George Boultadakis des Software- und Serviceentwicklers European Dynamics aus Luxemburg koordiniert das Projekt. Er ist überzeugt: „Wir verwenden bereits existierende und erprobte Technologien und kombinieren sie mit neuen. Das System hilft den Grenzbeamten, genauere und effizientere Grenzkontrollen durchführen zu können.“ Laut Boultadakis sei der Einsatz der neuen Technologie eine Reaktion auf die „immer mehr werdenden Terror-Anschläge in Europa und der Flüchtlingskrise.“
Was aber, wenn solche Systeme Fehler machen und in Zukunft unschuldige Personen am Grenzübergang gehindert werden, während gefährliche Personen einreisen dürfen? Eine Gruppe von Forschern hat den Lügendetektor im Vorfeld auf seine Treffsicherheit getestet. Das Ergebnis: das KI-System liegt mit seinen Einschätzungen nicht immer richtig. Laut der Forscher lag die Trefferquote lediglich bei 76 Prozent. Jedoch hoffe man, diese bald auf bis zu 85 Prozent zu erhöhen. Da das Programm noch in der Versuchsphase stecke, werde derzeit niemand vom Reisen abgehalten, nur weil das System eine potenzielle Lüge entlarvt hat.
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