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EU stärkt Langlebigkeit von GerätenEs muss nicht mehr immer ein Neukauf sein

Ab 20. Juni sollen Smartphones und Tablets länger Updates bekommen und einfacher zu reparieren sein. Das sind gute Nachrichten. Doch es gibt Haken.

Alte Komponenten raus, neue rein? Das soll künftig besser gehen Foto: panthermedia/imago

Berlin taz | Smartphones und Tablets sollen ab dem 20. Juni länger halten und leichter repariert werden können. Die entsprechenden Regeln einer EU-Verordnung werden am Donnerstag wirksam. Hersteller müssen demnach für Geräte, die ab dann auf den Markt kommen, unter anderem Ersatzteile bereithalten und an Händler und Kun­d:in­nen verschicken sowie die Geräte über mindestens fünf Jahre mit Updates versorgen. „Es ist großartig, dass es jetzt endlich so weit ist“, sagt Dörte Heimann vom Runden Tisch Reparatur.

Bislang gelten Smartphones und Tablets für viele Menschen fast als Verbrauchsmaterial: Knapp die Hälfte der Nut­ze­r:in­nen gab im vergangenen Jahr bei einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom an, dass das eigene Gerät jünger ist als ein Jahr. Drei Jahre dürfen damit als fast schon biblisches Alter für Smartphones gelten.

Doch wer willens ist, das eigene Smartphone oder Tablet lange zu nutzen, dem machen es die Hersteller schwer. Denn bislang kaufen Kun­d:in­nen beim Smartphone häufig eine Blackbox: Wie lange wird es Updates geben? Gibt es Ersatzteile und wenn ja welche und wie lange? Wie einfach oder schwierig ist es, gängige Teile wie Akku oder Display zu tauschen?

Haltbarkeit und Nachhaltigkeit sind Punkte, mit denen nur wenige Hersteller offensiv werben. Gerade bei Geräten mit dem Google-Betriebssytem Android, bei dem jeder Hersteller bislang selbst über seine Update-Policy entscheidet, gibt es große Unterschiede – und längst nicht immer verbindliche Angaben der Hersteller. Dabei entstehen ohne Updates schnell kritische Sicherheitslücken. Dennoch sind viele Geräte im Einsatz, bei denen diese Lücken nicht mehr gestopft werden. Aus Umweltsicht ist das zwar gut – für die eigene Datensicherheit aber nicht.

Die neuen Vorgaben

Damit Smartphones und Tablets leichter reparierbar werden und länger halten, gelten nun also für Geräte, die ab dem 20. Juni auf den Markt kommen, neue Vorgaben: Die fünf Jahre, die Hersteller Updates liefern müssen, werden ab dem Tag berechnet, an dem das Produkt wieder vom Markt genommen wurde. Darüber hinaus haben Ver­brau­che­r:in­nen und Werkstätten Anspruch auf eine Reihe von Ersatzteilen.

Die Pflicht zur Ersatzteillieferung gilt sieben Jahre, nachdem das Modell auf den Markt gekommen ist. Akkus und Displays sollen so verbaut sein, dass auch Menschen ohne Technikkenntnisse sie wechseln können. Erfüllt das Gerät nicht bestimmte Standards für Wasser- und Staubdichtheit, muss es einen wechselbaren Akku haben, wie das früher bei Handys der Fall war. Vorgeschrieben ist außerdem, dass der Akku nach 800 Ladezyklen noch mindestens eine Kapazität von 80 Prozent erreicht.

Der Reparaturindex zeigt auch an, wie gut ein Gerät einen Sturz übersteht

Darüber hinaus werden Kun­d:in­nen in Läden und Onlineshops künftig eine weitere Neuerung sehen, die die EU zusammen mit der neuen Ökodesign-Richtlinie einführt: einen Reparaturindex. Der soll zeigen, wie langlebig und reparierbar ein Gerät ist. Bisher gibt es so einen Index auf nationaler Ebene, etwa in Frankreich, in Deutschland jedoch fehlt eine entsprechende Kennzeichnung. Diese Lücke soll der neue EU-weite Index schließen.

Optisch sieht er aus wie ein etwas erweitertes Energielabel, das Ver­brau­che­r:in­nen schon von zahlreichen anderen Elek­trogeräten wie Waschmaschinen oder Lampen kennen. Doch er enthält auch fünf neue Kategorien. Die Batterielaufzeit soll angeben, wie lange das Gerät mit einer Ladung läuft. Von A bis E zeigt die Zuverlässigkeitsklasse an, wie gut das Gerät einen Sturz übersteht. Ebenfalls von A bis E wird die Reparierbarkeit benotet. Dazu kommt die Angabe, wie gut das Gerät gegen Partikel und Feuchtigkeit abgedichtet ist und nach wie vielen Ladezyklen der Akku nur noch 80 Prozent seiner Kapazität hat.

Die Refurbishing-Branche, die gebrauchte Geräte wieder aufbereitet und verkauft, verspricht sich von den neuen Regeln positive Effekte. Denn die Neuerungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem es aus technischer Sicht kaum Vorteile hat, sich ständig ein neues Smartphone zu kaufen. Kamera, Prozessor, Akku, Speicher, Bildschirm – all das wird längst nicht mehr so schnell besser und leistungsfähiger wie noch vor 15 Jahren.

Profitieren könnte auch der Gebrauchtmarkt

„Die neuen EU-Regeln zum Recht auf Reparatur können den Markt für gebrauchte Elektronik deutlich stärken – wenn sie konsequent umgesetzt werden“, sagt Tim Seewöster, Co-Geschäftsführer der Firma asgood­asnew. Derzeit mangele es bei vielen Geräten nicht nur an Reparierbarkeit – sondern auch am Zugang zu Ersatzteilen. Zudem hofft Seewöster auf eine Veränderung der Konsumgewohnheiten: „Wenn Geräte länger halten und einfacher repariert werden können, steigt die Bereitschaft, auf Refurbished-Modelle umzusteigen.“

Philipp Gattner, Geschäftsführer von rebuy, begrüßt die Neuerungen ebenfalls. Er sagt: „Heute müssen wir circa fünf Prozent der Geräte, die eingeschickt werden, zurücksenden, da wir sie nicht reparieren können, beziehungsweise eine Reparatur zu aufwendig wäre.“ Dabei wären die Schäden häufig einfach zu beheben – wenn die Hersteller auf eine reparaturfreundlichere Bauweise setzen würden.

Auch Expertin Heimann vom Runden Tisch Reparatur ist froh über die neuen Regeln – sie erkennt aber auch Defizite. Denn bei der Preisgestaltung für die Ersatzteile sind die Hersteller frei, zumindest weitgehend. In der EU-Verordnung ist lediglich festgeschrieben, dass die Preise für Ersatzteile „angemessen“ sein müssen. „Wenn eine Firma den Akku aber zu einem absurd hohen Preis anbietet, steht das einer Reparatur im Weg“, kritisiert Heimann. Nicht einmal im Reparierbarkeits-Index sei der Preis von Ersatzteilen berücksichtigt. Das sei bei dem französischen Index besser gelöst. „Wahrscheinlich wird man klagen müssen, um herauszufinden, was ein angemessener Preis ist“, sagt Heimann.

Zudem gelten die neuen Pflichten nur für Geräte, die nun neu auf den Markt kommen. Wer sich also derzeit über ausbleibende Updates Sorgen macht oder gerne einen Ersatz für den in die Jahre gekommenen Akku eines alten Geräts hätte, profitiert noch nicht.

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