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EU nimmt sich Zeit fürs KlimaNeue Klimagesetze erst in 9 Monaten

Gerade hat Kommissionspräsidentin Von der Leyen schärfere Klimaziele angekündigt. Die Umsetzung in Gesetze wird aber dauern, heißt es tags darauf

Ursula von der Leyen kündigt einschneidende Reformen an – für später Foto: European Union/xinhua/dpa

Brüssel taz | Das neue Klimaziel steht, doch die Umsetzung lässt auf sich warten: Erst im Juni 2021 will die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorlegen, mit dem die Emissionen von Treibhausgas bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. Dies sagte der für Klimaschutz zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans am Donnerstag in Brüssel.

Zwischen der pompösen Ankündigung von Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch und der Umsetzung liegen also neun Monate. Immerhin verriet Timmermans schon einmal, wie er das neue, schärfere Klimaziel erreichen will: Mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbare Energien sollen den CO2-Ausstoß auf die neue Zielmarke drücken.

Die Liste der geplanten EU-Gesetze lässt ahnen, was noch alles zu tun ist. Brüssel kündigt die Überarbeitung und Ausweitung des Emissionshandelssystems, neue Regeln für die Landnutzung, den Ausbau der Maßnahmen in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie eine Verschärfung der CO2-Normen für Straßenfahrzeuge an.

Bei Energieeffizienz sei in den meisten EU-Staaten noch „viel, viel zu leisten“, so Timmermans. Die umstrittene Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff müssten „erprobt und in größtem Maßstab getestet und auf den Markt gebracht werden“. Zudem will er die Klima-Vorgaben für Flotten der Autobauer weiter verschärfen.

Kritik von allen Seiten

Dagegen formiert sich bereits Widerstand. In Deutschland forderte der Verband des Automobilindustrie, die EU und die Mitgliedstaaten müssten nun endlich die Voraussetzungen für ein Durchstarten bei alternativen Antrieben und Kraftstoffen schaffen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte vor „enormen Herausforderungen“.

Auch die Gewerkschaften sind noch nicht überzeugt. Das neue, schärfere Klimaziel sei richtig, doch Brüssel habe zu wenig an die Arbeitnehmer gedacht, kritisiert der Europäische Gewerkschaftsbund. So fehle Geld im „Just Transition Fund“, der für einen sozialen Ausgleich sorgen soll. Der EU-Gipfel im Juli hatte das dafür vorgesehene Budget von 40 auf 17,5 Milliarden Euro gekürzt.

Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. 55 Prozent reichten nicht, erklärte der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. „Wir brauchen 65 Prozent weniger Schadstoffausstoß, um das Pariser Klimaziel zu erreichen.“ Zudem dürfe die Kommission das Klimaziel nicht mit Zahlenspielereien schönrechnen.

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11 Kommentare

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  • 55% bis 2030 sind ein Witz, das ist kaum mehr als der in den 10er Jahren bereits gedrosselte Ausbau der Erneuerbaren.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Klimaschutz kann nur im großen Maßstab wirksam sein. China, Brasilien, USA sind die Haupttäter.

    Wo es geht, sollten wir massiv etwas dagegen unternehmen.



    In den USA könnte sich das Problem teilweise selbst regeln, wenn noch mehr Wälder an der Westküste abbrennen und damit das Heim tausender Menschen.

    In Brasilien müsste dringendst eine massive Einmischung der EU oder auch Deutschlands alleine mit Hilfe von strengen Sanktionen erfolgen, solange bis der Urwald nicht mehr brennt und dieser menschenverachtende Präsident weg ist.



    VW in Brasilien hätte dann schlechte Karten aber es geht hier um uns alle. Ein völlig Verrückter kann nicht aus Eigeninteresse die Welt buchstäblich anzünden und uns die Luft zum atmen nehmen.

    Ähnliches gilt für China und ihren Raubzügen in der Natur.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Nein, die Reiehenfolger der Klimasünder ist: de.wikipedia.org/w...2_emissions%22.png



      Dabei liegt Deutschland weit z.B. vor Brasilien. Wenngleich das Abbrennen der Amazonaswälder eine Katastrophe ist.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wie hat der Grüne Bütighofer kürzlich anlässlich der Rede von UvdL gesagt, ein "echter von der Leyen". Schaut man danach ins Körbchen, ist nichts drin!

  • "In Deutschland forderte der Verband des Automobilindustrie, die EU und die Mitgliedstaaten müssten nun endlich die Voraussetzungen für ein Durchstarten bei alternativen Antrieben und Kraftstoffen schaffen". Dass ich nicht lache...Na klar, die Autoindustrie muss auf Direktiven aus Brüssel warten. Na sowas aber auch! Dann kann man ja solange weiter irgendwelche SUVs mit "frisierten" Abgastechniken bauen.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @joaquim:

      Ich würde das nicht ganz so pessimistisch sehen, was die neuen Kraftstoffe angeht.



      Innovationen finden tatsächlich statt, früher oder später.



      Ich persönlich glaube hingegen nicht wirklich an einen gut funktionierenden und akzeptierten ÖVNP.



      In Berlin sieht man, was für Probleme es schon seit Jahren gibt.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Das Problem (hoffentlich mit einem gut funktionierenden ÖPNV) auch in D wird sich genau so lösen müssen, wie im Ausland. Die Städte haben keine Parkplätze!

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @tazreader:

          Das ist die grüne Strategie in Berlin!



          Dafür werden dann Kaufprämien an die Autokonzerne gezahlt - mit unseren Steuergeldern.



          Irgendwie passt da was nicht zusammen.

  • Der Ansatz ist schonmal brauchbar. Klimaschutz lässt sich nicht im Alleingang von Kleinstaaten machen, dafür braucht es gemeinsame, verbindliche Regeln. Und einen durchgerechneten Umsetzungsplan, an dem sich alle orientieren können! Hoffentlich kommt nicht wieder so etwas wie die Verordnung über den Import von Karamellbonbons oder die Backanleitung von Pizza heraus.

    • @Luftfahrer:

      Schon, aber irgendeiner der großen Staaten muß aktiv vorangehen und einen Grundriss vorlegen.

      Wenn man von Anfang an jedes Detail mit Fidesz und den Klerikalfossilisten in Polen aushandeln will, kommt in 90 Monaten noch nicht mal eine Verordnung über den Import von Karamellbonbons oder die Backanleitung von Pizza heraus.

      Naja vielleicht macht's Macron ja. Sonst wird das nüscht. Spanien und Italien können nicht, UK will nicht, und Merkel wird in 8einhalb Monaten in der Zentrale in Wolfsburg anrufen und fragen ob sie ihr nicht einen Eckdatenentwurf machen und kurz mal rüberfaxen können.

      • @Ajuga:

        Ich würde Deutschland nicht als großen Staat bezeichnen. Zudem wirkt unser Beispiel momentan wohl eher abschreckend: horrende Strompreise, rekordverdächtige Steuerlast, ... . Kein Wunder, dass andere Staaten da nicht mitmachen. Nicht alle Völker nehmen das so leicht hin wie die Deutschen. Siehe Gelbwesten.