EU-Wahl und Israel: Techtelmechtel der Rechtsparteien
Auf den ersten Blick erscheint das Bündnis europäischer Rechter mit Israels Rechtsradikalen paradox. Man trifft sich indes schon beim Fremdenhass.
I m Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament suchen rechte Parteien auf dem ganzen Kontinent nach alten und neuen Verbündeten. Zu diesen Verbündeten gehören auch Vertreter der israelischen Rechten. Der prominenteste unter ihnen ist Diasporaminister Amichai Chikli, der auf einer Konferenz der rechtsextremen Partei Vox in Spanien sprach. Zuvor hatte sich Chikli mit Vertretern der Schwedendemokraten getroffen.
Wie in den Niederlanden, Schweden, Italien und Ungarn sind auch in Israel die Rechten an der Macht. Das offizielle Israel pflegt eine gewisse Ambivalenz gegenüber der europäischen Rechten, aber die Rhetorik vieler seiner Sprecherinnen und Sprecher lässt keinen Zweifel an ihrer wahren Haltung ihr gegenüber. Der Knessetabgeordnete Ariel Kellner vom Likud, der für die Beziehungen zum Europäischen Parlament zuständig ist, hat so extremistische Äußerungen gemacht, die eine Reihe von EU-Abgeordneten dazu veranlassten, seinen Rücktritt zu fordern.
lehrt Jüdisches Denken am Sapir College in Sderot und ist Autor vieler Sachbücher und Romane. Auf Englisch erschien im Mai sein Spionagethriller „The March Angel“.
Es scheint seltsam, dass die israelische Rechte, die sich permanent über den Antisemitismus in der ganzen Welt beschwert, sich ausgerechnet Parteien anschließt, die, wenn nicht in ihrem Handeln, so doch zumindest hinsichtlich ihres historischen Erbes mit dem Antisemitismus identifiziert werden. Warum buhlt Israels Rechte um die Gunst der europäischen Rechten? Die Hauptgründe sind sicher die gemeinsame islamophobe Weltanschauung und die giftige Atmosphäre der Fremdenfeindlichkeit, die die Rechten verbreiten.
Welche Fremden gemeint sind, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist nicht die Identität des verhassten Fremden, sondern das ständige Bemühen, zwischen dem Einheimischen und dem Fremden, zwischen den Unseren und den Anderen zu unterscheiden. Es gibt einen bekannten TV-Sketch: Jüdische Einwanderer, die mit dem Boot anlegen, werden von der Gruppe, die vor ihnen ins Land kam, mit Beleidigungen begrüßt. Chiklis Auftritt in Spanien weckt Assoziationen zu diesem Sketch.
Leben im permanenten Ausnahmezustand
Einwanderung gilt es zu bekämpfen und die „schädliche Idee“ des Multikulturalismus zurückzuweisen. Der zweite Grund ist vielleicht, dass der Antisemitismus in Europa die israelische Rechte nicht wirklich besorgt. Donald Trump ist auch ein bisschen antisemitisch, aber das hält sie nicht davon ab, sich ihm freudig anzuschließen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die israelische Rechte pragmatisch ist und ihre Vertreter sich sagen: Uns ist egal, ob du uns hasst, solange du unseren Interessen dienst.
So erklärt sich auch die langjährige Allianz zwischen den Siedlern und den amerikanischen Evangelikalen, die sie nur deshalb unterstützen, weil sie glauben, dass sie die Erlösung beschleunigen. Am Ende würden die Siedler entweder zum Christentum konvertieren oder sterben müssen. Eine andere Erklärung ist aber, dass die Rechte sich tatsächlich gerne mit Antisemiten verbündet, weil sie sich auf einer unbewussten Ebene eine antisemitische Welt wünscht.
Tatsächlich gedeiht die Rechte ganz gut in einer antisemitischen Atmosphäre, unter Bedingungen der Angst und des Hasses. Es ist das masochistische Märtyrertum, worüber schon der jüdische Autor Mendele Moicher Sforim schrieb, der Jude freue sich, ein Opfer zu sein. Als er dies schrieb, dachte er an Juden in der osteuropäischen Diaspora, aber es scheint, dass diese Neurose auch auf Menschen wie Amichai Chikli übertragen wurde, einen ehemaligen Infanterieoffizier in Eliteeinheiten.
Die israelische Inkarnation dieser jüdischen Pathologie ist der Wunsch, sich zu stärken, sich zu bewaffnen, vom Schwert zu leben in einem permanenten Ausnahmezustand.
Übersetzt aus dem Hebräischen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance