EU-Verteidigungspolitik: Lahme „schnelle Eingreiftruppe“
Die sicherheitspolitische Neuaufstellung der EU erscheint unentschlossen und bleibt unausgegoren. Für die aktuelle Krisenlage ist es ohnehin zu spät.
E inen „Strategischen Kompass“ haben die EU-Außenminister beschlossen, eine „Schnelle Eingreiftruppe“ wollen sie aufstellen. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine klingt das vielversprechend. Endlich, so scheint es, haben die EU-Politiker eine Strategie, um den Frieden in Europa wiederherzustellen. Nach langem Zögern wollen sie eingreifen und Russland in die Schranken weisen.
Doch der Eindruck täuscht. Die „schnelle“ EU-Truppe kommt ganz langsam und letztlich viel zu spät – erst 2025 dürfte sie einsatzfähig sein. In der Ukraine wird sie wohl nicht mehr eingreifen. Und der „Strategische Kompass“ ist gar keine Strategie. Er zählt auf, welche neuen militärischen Fähigkeiten die EU braucht – doch er sagt nicht, was geschehen muss, damit der Krieg in Osteuropa endet.
Dabei ist das die entscheidende Frage. Brauchen wir noch mehr Waffen, um Frieden zu schaffen? Müssen noch mehr Sanktionen her, damit Wladimir Putin zur Vernunft kommt? Die Europäer drücken sich um Antworten. Unklar bleibt auch, was die EU eigentlich will. Sind wir auf dem Weg zu einer europäischen Armee? Nein, sagt der Außenbeauftragte Josep Borrell. Für die Verteidigung soll auch künftig die Nato zuständig sein.
Ist das das Ende der Friedensunion? Auch das wird in Brüssel verneint. Die EU wolle sich zum „Security Provider“ weiterentwickeln, sagt Borrell. Dabei liegt die europäische Sicherheitsordnung längst am Boden. Die Europäer wollen ein bisschen Krieg führen – aber keine Kriegspartei sein. Sie wollen Waffen in die Ukraine liefern – aber kämpfen möchten sie nicht. Und einen Plan für eine neue Nachkriegsordnung haben sie auch nicht.
Letztlich kommt der „Strategische Kompass“ und die Eingreiftruppe zur Unzeit. Es macht einfach keinen Sinn, mitten im Krieg eine Strategie für den Frieden in den nächsten zehn Jahren zu entwerfen. Dass Deutschland sich nun bereit erklärt, die Leitung der ersten Eingreiftruppe zu übernehmen, macht die Sache auch nicht besser. Zumal sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht auch noch vergaloppiert hat.
Erst erweckte sie den Eindruck, die Bundeswehr wolle das gesamte erste Kontingent – bis zu 5.000 Soldaten – stellen. Dann hieß es, Berlin wolle nur das „Herzstück“ liefern. Dabei gehe es um den Gefechtsverband. Ja, was denn nun? Lambrecht fehlt genau das, was die EU nun stolz verkündet hat: ein strategischer Kompass.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“