EU-Türkei-Streit um Erdgasvorkommen: Unvernünftiger Rohstoff-Neid
Aus purem Nationalismus bohrt die Türkei vor Zypern nach Gas – trotz schmerzhafter Strafmaßnahmen der EU. Ankara orientiert sich kaum noch an Europa.
D ie Erdgasfelder, die in den vergangenen Jahren im Mittelmeer entdeckt wurden, sind gewaltig. Zypern, Libanon, Israel, Ägypten – die bisherigen Habenichtse in Sachen Rohstoffe gehören nun zu den Reichen. Sie haben sich, allen politischen Feindseligkeiten zum Trotz, bei der Exploration der Felder sogar zu einer Einigung durchgerungen. Durchaus nachvollziehbar, dass in Ankara der Neid ausbricht. Welche Regierung hätte nicht gern eine zuverlässig sprudelnde Geldquelle, zumal im Angesicht des eigenen wirtschaftlichen Niedergangs?
Doch Neid und der feste Glaube, auch selbst Anspruch auf einen Anteil am Rohstoffkuchen zu haben, begründen noch keinen tatsächlichen Anspruch. Es spricht sehr wenig dafür, dass die Türkei recht bekäme, würde sie rechtlich einklagen wollen, dass die Gasfelder zu ihrem „Festlandsockel“ gehören.
Ankara sieht es vielmehr als Frage der Ehre an, sich nicht nur für die eigenen, sondern auch für die Rechte der türkischen Zyprioten im Norden der Insel einzusetzen. Deswegen ließe sich die Begründung für die politisch riskanten Probebohrungen auch so zusammenfassen: Nationalismus.
Die Türkei handelt aus Nationalismus gegen die eigenen Interessen, denn die EU hat durchaus schmerzhafte Strafmaßnahmen gegen Ankara beschlossen. Unter anderem werden die EU-Gelder für die Türkei gekürzt und die Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen eingestellt. Brüssel sieht das türkische Handeln als illegal an, will aber schon aus Solidarität mit dem EU-Mitglied Zypern die türkischen Provokationen nicht hinnehmen.
Für die europäisch-türkischen Beziehungen ist all das eine schlechte Nachricht. Es zeigt, dass das Regime in Ankara sich immer weniger an Europa orientiert und im Zweifelsfall bereit ist, alles aufs Spiel zu setzen und jeden Nachteil hinzunehmen.
Bei den Bohrungen im Mittelmeer geht es deshalb um weit mehr als einen Rohstoffstreit. Hier entsteht ein neuer Konflikt, den angesichts der vielen anderen Krisen in der Region niemand gebrauchen kann.
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