EU-Sanktionsverordnung: Für das Budget und die Menschen

Die EU muss für Kürzungen den Nachweis liefern, dass eine ordnungsgemäße Verwendung der EU-Gelder gefährdet ist. Die Einschränkung war notwendig.

Victor Orban im Profil

Es ist im Interesse der Bevölkerung, dass EU-Gelder nicht bevorzugt an Günstlinge von Victor Orbán gehen Foto: Beata Zawrzel/imago

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt, aber viele haben das Urteil nicht richtig gelesen. Ja, der EuGH hat für finanzielle Sanktionen grünes Licht gegeben, wenn EU-Staaten die Rechtsstaatlichkeit missachten. Geschützt werden damit aber nur die finanziellen Interessen des EU-Haushalts.

Die EU kann nun also nicht gleich mit milliardenschweren Zuschusskürzungen auf die Korruption in Ungarn und die zügige Abschaffung unabhängiger Gerichte in Polen reagieren. Sie muss stets deutlich machen, dass hier eine ordnungsgemäße Verwendung von EU-Mitteln gefährdet ist.

Diese Einschränkung ist unpopulär, deshalb wird sie von vielen verschwiegen, die jetzt das EuGH-Urteil feiern. Aber so steht es schon in der neuen Sanktionsverordnung, die der EuGH nun geprüft und gebilligt hat.

Typisch EU, werden manche sagen, die Eurokraten denken nur an ihren Haushalt und nicht an die inakzeptablen Missstände in den Mitgliedstaaten und an die Probleme, die das für die Menschen bringt.

Doch die Einschränkung war nötig, damit die EU-Staaten überhaupt mit Mehrheit – gegen die Stimmen von Polen und Ungarn – einen derartigen Sanktionsmechanismus einführen konnten. Laut EuGH handelt es sich nämlich nur um „Haushaltsvorschriften“, die auch mit Mehrheit beschlossen werden durften. Eine Änderung des EU-Vertrags, wo ein echter Sanktionsmechanismus hingehört hätte, wäre nie zustande gekommen, denn dafür ist Einstimmigkeit erforderlich.

Außerdem ist die Fokussierung auf den EU-Haushalt auch nicht völlig unempathisch und kontraproduktiv. Polen und Ungarn bekommen viele Milliarden aus dem EU-Säckel, deutlich mehr, als sie einzahlen. Deshalb ist die EU in diesen Ländern auch recht beliebt. Es ist also durchaus auch im Interesse der Bevölkerung in Ungarn und Polen, dass EU-Gelder nicht bevorzugt an Günstlinge von Victor Orbán gehen und dass die Verwendung von EU-Geldern in Polen durch unabhängige Richter kontrolliert werden kann. Der Kampf für Rechtsstaatlichkeit kann also sowohl dem EU-Haushalt als auch den Menschen nutzen.

Welche Rolle der neue Sanktionsmechanismus spielen wird, kann niemand sagen. Der EuGH hat erst einmal nur das Regelwerk abgenickt.

Es besteht auch keine Eile, dass die EU-Kommission nun schon nächste Woche Sanktionen verhängen müsste. Denn Polen und Ungarn warten schon seit Monaten auf die Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds, die die EU-Kommission wegen der rechtsstaatlichen Mängel in beiden Ländern blockiert. Das EuGH-Urteil hat diese De-facto-Sanktionen nun nachträglich auch legitimiert.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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