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EU-Regeln für PlastiktütenGanz dünne Beute(l)

Die EU will Einwegtüten-Verbrauch eindämmen – doch die Hersteller setzen Sonderregeln durch. In Deutschland soll sich erst mal nichts ändern.

Schnell mal weggeworfen: eine Plastiktüte. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Zum Schluss hatte nur noch einer Bedenken. Ausgerechnet Frans Timmermans, der mächtige Vize von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, forderte Freiheit für die Plastiktüte. „Wir teilen alle das Ziel, diesen Müll zu bekämpfen“, sagte der liberale Sozialdemokrat aus den Niederlanden. Bei der Umsetzung müssten die EU-Staaten aber ganz vorsichtig sein.

Timmermans fürchtet neue Bürokratie und Probleme im Einzelhandel. Deshalb hätte Junckers oberster Bürokratie-Bekämpfer die neuen EU-Regeln am liebsten wieder geschreddert, wie viele andere Pläne zum Umweltschutz auch. Doch damit hätte er sich sowohl im Europaparlament als auch im Ministerrat unbeliebt gemacht, die den Vorschlag schon im November abgenickt hatten.

Und so war es eigentlich nur noch Formsache, dass die EU den löchrigen Kompromiss am Montag endgültig beschlossen hat. Er sieht vor, dass jeder EU-Bürger im Jahr 2025 im Durchschnitt nur noch 40 Einwegtüten pro Jahr verbraucht. 2010 waren es noch 198. Um den Verbrauch zu senken, könnte es künftig Gebühren, Steuern oder Verbote geben. Die Details sollen die nationalen Regierungen aber selbst festlegen können.

Beutelverbote weltweit

USA: Ab Juli dürfen kalifornische Super- und Drogeriemärkte keine kostenlosen Einweg-Plastiktüten mehr verteilen, ab Juli 2016 gilt das Verbot auch für kleinere Lebensmittelgeschäfte. Für wiederverwertbare Plastiktaschen sowie Papiertüten müssen Kunden eine Gebühr von zehn US-Cent bezahlen. Auch in Teilen des US-Bundesstaates Texas werden keine Einweg-Plastiktüten mehr verteilt, etwa in Austin.

Mexiko: 36 Stunden Haft, bis zu 9.000 Euro Bußgeld. Das sind die Strafen, die Ladenbesitzern seit 2010 in Mexiko-Stadt drohen, wenn sie ihren Kunden kostenlos eine Plastiktüte anbieten.

China: Supermärkte dürfen die Tüten nicht ungefragt an ihre Kunden ausgeben, zudem sind seit 2008 die ganz dünnen Plastiktüten verboten.

Ruanda: Schon 2006 hat das ostafrikanische Land die Plastiktüte verboten. Wer in Ruanda mit einer Plastiktüte einreist, muss sie an Grenze oder Flughafen abgeben. (dpa, taz)

Doch die neue EU-Richtlinie bleibt weit hinter dem ursprünglichen Ziel zurück, die Einwegtüte ganz zu verbieten. Selbst vom nun geplanten Rückzug gibt es Ausnahmen: Nicht betroffen sind große Plastiktaschen und hauchdünne Beutel, wie sie an der Gemüsetheke liegen. Diese Sonderregeln hatten vor allem deutsche Tütenhersteller durchgesetzt – durch massives Lobbying. Für Deutschland dürfte sich auch wenig ändern: Die deutschen Verbraucher nutzen bereits heute vergleichsweise wenige Tüten, oft müssen sie dafür auch schon ein paar Cent berappen.

Gegen ein Verbot hatten sich neben der Plastik-Lobby auch CDU/CSU im Europaparlament ausgesprochen. „Ich glaube, auch wenn die Mitgliedstaaten hier freie Hand haben, dass Verbote nicht das beste Mittel sind“, sagte Peter Liese (CDU). EU-Staaten wie Irland und die skandinavischen Länder hätten durch marktwirtschaftliche Maßnahmen sogar bessere Zahlen erreicht, so der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion.

Grafik: Infotext-Berlin.de

Grüne und Sozialdemokraten hatten härtere Auflagen gefordert, konnten sich jedoch nicht durchsetzen. So konnte das EU-Parlament letztlich auch kein Verbot der besonders umweltschädlichen Oxo-Plastiktüten erreichen. Diese Plastiktüten zerfallen in Mikroplastikteilchen, verschmutzen die Umwelt und bereiten Probleme im Recycling-Prozess, betont Margrete Auken von den Grünen.

„Statt eines Verbots müssen wir nun auf eine Studie der EU-Kommission warten, um weitere Schritte gegen die Oxo-Tüten zu unternehmen“, kritisiert Auken. „Nachhaltigkeit und Umweltschutz zählen für die Juncker-Kommission offenbar nicht viel.“ Dennoch will sich die Brüsseler Behörde nun als Siegerin im Tütenstreit präsentieren. Auch die Bundesregierung ist zufrieden.

In Berlin schätzt man vor allem, dass Deutschland nun weitgehend die Hände in den Schoß legen kann. „Bei einer Abwägung von Aufwand und Nutzen spricht derzeit aus unserer Sicht nichts dafür, in Deutschland Abgaben oder gar Verbote einzuführen“, sagte eine Sprecherin von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Vielmehr setze man auf freiwillige Maßnahmen. Der Handel habe schon seine Kooperationsbereitschaft bekundet, freute sich die Sprecherin. Wen wundert’s – schließlich wurde alles, was die Wirtschaft stört, schon im Vorfeld geschreddert.

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8 Kommentare

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  • Welchen Unterschied gibt es zwischen der Glühlampe und der Plastiktüte? Im Gegensatz zur Glühlampe kann man keine so richtig profitable Alternative platzieren. Das Problem ist nicht die Plastiktüte, das Problem ist der Mensch der seinen Müll skupellos auf diesem Planeten "verklappt", im Kleinen wie Großen. Wie ist eigentlich die Ökobilanz der Papierherstellung (Holz, Wasser, Chemie - lange nix mehr gelesen, war vor ein paar Jahren immer mal wieder ein Thema)gegenüber der Folientüte? Warum sammelt man heute regelmäßig Hundekot in Plastiktüten? Soll Archäologen in ein paar hundert Jahren die Möglichkeit gegeben werden über die Tierernährung des 21. Jh. zu promovieren?

    Ich kenne noch Zeiten, da packte die Verkäuferin im Gemüseladen die lose Ware in eine flink geformte Tüte aus alter Zeitung (damit würde manche Zeitung heute wieder eine Existenzberechtigung erfahren) die zu Hause im Altpapier entsorgt wurde...

    Wer gestern Abend im ZDF die Doku zum Film über die Bamberger Hexenprozesse verfolgt hat, konnte zudem erfahren, dass die Akten über dieselben nur gerettet wurden, weil die Stadt bei Archivbereinigung dieselben als Packpapier verkaufte und in Privatinitative gesichert wurden. Wäre das nicht eine Möglichkeit für Behörden aller Art - bis hin nach Brüssel - ihre Aktenberge abzubauen und zusätzlich Transparenz zu fördern? ;-)

  • Nur ein alltägliches Beispiel:

     

    Wer im Supermarkt angenommene fünf Sorten Obst und Gemüse kauft, und das nur einmal pro Woche, der hat ob er will oder nicht, schon mal zwangsläufig jährlich seine rund 350 kleinen alternativlosen Plastiktütchen. Die steckt er an der Kasse ganz umweltbewusst in seinen großen Sammel-Baumwollbeutel. Damit stimmt dann sein Image, aber das ist auch schon alles.

     

    Aus meiner Sicht können die Zahlen nicht stimmen, mit denen sich die Regierung jetzt schmunzelnd schmückt und sich damit unter dem Lobbyistendruck vor weiteren Maßnahmen drückt. Denn Plastiktüte ist doch Plastiktüte, egal wie dünn oder groß sie ist. Plastiktüten-Abeitsplätze ließen sich doch sicherlich auch in gleicher Zahl ersetzen in der Herstellung von Papiertüten, selbst wenn dann das Kilo Äpfel statt 1,99 künftig 2 Euronen kostet.

     

    Ich vermute, dass gerade die dünnen Tütchen im Meer eine besonders große Gefahr darstellen, von Vögeln oder Meerestieren verschluckt zu werden, die daran qualvoll verenden.

    • @noevil:

      Nunja ... ausgehend von Deutschland gelangt wohl keine einzige Tüte ins Meer.

       

      Letztlich aber zersetzt sich aber jeder (nicht verbrannte) Kunststoff auf Mülldeponien früher oder später in kleine Teile und dann sind die Giftstoffe nicht mehr aus der Umwelt zu bekommen inkl. der Tierwelt.

       

      Die größte Katastrophe sind dann noch irgendwelche Pealing-Kosmetikprodukte oder Zahnpasten, die schon winzig kleine Plastikteile in die Umwelt entlassen und nicht einmal bei Kläranlagen halt machen.

       

      Eine ausschliessliche Berücksichtung von Plastikeinkaufstüten bzgl. der Müllbelastung der Meere hinsichtlich Kunstoff ist ein Witz sondergleichen.

      • @EDL:

        Meinen Sie damit meinen Kommentar oder die Statistik, auf die ich mich bezogen habe?

  • Da erinnere ich mal an Zeiten, in denen Menschen stolz waren, wenn sie den letzten Rest von Einwegverpackungen aus ihrem Leben verbannt hatten. Das waren die Zeiten, in denen die Reallöhne nicht so stark sanken und die Menschen noch Muße hatten für höhere Ziele.

     

    Das Leben der Menschen ist nicht mehr so golden. Arbeitszeiten wurden verdichtet, die Lebesnarbeitszeit erhöht, die Einstiegsgehälter sanken, ... Diese Entwicklung wurde doch gerade von der damaligen rot-grünen Bundesregierung noch einmal angetrieben.

     

    Und was für Begründugnen der gierigen Regierenden udn ihrer Amigos wurden da nicht weiterverbreitet! In einer Gesellschaft mit Massenarbeitslosigkeit wurde ernsthaft der demographische Wandel als Begründung für die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 propagiert. Wenn es den Menschen schlecht geht, geht es halt auch der Umwelt schlecht. Ökologische Moral muss mensch sich leisten können.

  • Ach ja das Plastiktütenproblem ...

     

    ... und morgen früh erfreut uns der Supermarkt um die Ecke wieder mit einem hochgradig eingeschweisten Sortiment unterschiedlichster Produkte.

     

    Weinen oder Lachen?

  • Jede Plastiktüte mit 25 Cent Pfand belegen und das Problem wird sich von selbst lösen. Die, die es sich leisten können werden diese 25 Cent pro Tüte wegwerfen! Und die, die jetzt schon Flaschen sammeln müssen werden sich noch mehr freuen! Das wäre mal eine echte soziale Umverteilung von Oben nach Unten.

  • 3G
    3618 (Profil gelöscht)

    Na, klar unsere Klima-und Umweltkanzlerin, was ist da auch anders zu erwarten als Lobbykriecherei.