EU-Pläne für Asylzentren: 6.000 Euro pro Flüchtling
In Papieren, die der taz vorliegen, nennt Brüssel Details für Lager in und außerhalb der EU. Staaten, die freiwillig aufnehmen, sollen Geld erhalten.
Innerhalb Europas spricht die Kommission dabei von „Controlled Centers“. Die Idee: Flüchtlinge, die Europa erreichen, werden in diesen zentralisierten Lagern untergebracht. Dazu sollen die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis Asylbeamte entsenden, die EU will Kosten für Betrieb und Versorgung der Flüchtlinge tragen.
Nach ihrer Ankunft in den Zentren soll die Grenzschutzagentur Frontex die Identität der Personen klären, die Polizeibehörde Europol einen Sicherheitscheck durchführen. Wenn die Ankommenden keinen Asylantrag stellen wollen, soll Frontex direkt die Abschiebung einleiten.
Stellen sie einen Asylantrag, dann sollen diese in den Zentren innerhalb von acht Wochen geprüft werden. Diese Prüfungen soll das EU-Asylbüro EASO koordinieren, durchführen sollen sie abkommandierte Asylbeamte aus den Mitgliedstaaten. Nach einer Ablehnung soll die Abschiebung schnell erfolgen.
Die entscheidende Frage ist: Wird ein Antrag positiv entschieden – in welches Land kommt der Flüchtling dann? Die EU-Kommission in Brüssel will Staaten, die sich zur Aufnahme freiwillig melden, 6.000 Euro pro Flüchtling zahlen. Doch ob das reicht, ist fraglich.
„Ad hoc und temporär“
Die Controlled Centers sollen nicht unbedingt dauerhaft an festen Orten entstehen, sondern könnten „ad hoc und temporär“ dort eingerichtet werden, wo jeweils viele Flüchtlinge und MigrantInnen ankommen. Voraussetzung sei, dass der entsprechende EU-Staat dies – auf freiwilliger Basis – gestatte, heißt es in dem Papier. Offen ist, ob die Flüchtlinge interniert werden oder das Lager verlassen dürfen.
Die Kommission verweist darauf, dass die Controlled Centers Gewähr bieten, dass Asylverfahren einheitlich durchgeführt werden und die Aufnahmebedingungen dem EU-Recht entsprechen. Die Zentren sollen auch Sekundärmigration verhindern – also die Weiterreise von Migranten in andere EU-Staaten, so Brüssel.
In Italien und Griechenland hat die EU nach 2016 ähnliche Einrichtungen aufgebaut. Dort heißen sie Hotspots: Flüchtlinge sind eingesperrt, Menschenrechtsorganisationen haben Grundrechtsverletzungen dokumentiert, die Presse hat keinen Zutritt. Der Unterschied zu Controlled Centers: In den Hotspots wird nur die Identität der Flüchtlinge geklärt, Asylverfahren werden nicht durchgeführt, der Aufenthalt ist eher kurz.
Die Kommission will in einem Pilotprojekt ein Controlled Center mit 500 Plätzen „so schnell wie möglich“ errichten und dafür etwa 200 Beamte bereitstellen.
Das Pilotprojekt soll der Dublin-Reform nicht vorgreifen, heißt es in dem Papier. Seit Jahren sucht die EU nach einem Kompromiss für die Richtlinie, die bislang regelt, dass immer der Staat für einen Flüchtling zuständig ist, in den dieser zuerst eingereist ist. Bislang war keine Einigung in Sicht. Mit den Controlled Centers könnte die EU versuchen, das Problem zu entschärfen.
Papier bleibt ungefähr
Der Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, forderte derweil, ein solches Aufnahmezentrum in Spanien einzurichten. „Derzeit kommen mehr Menschen über das Meer nach Spanien als nach Italien“, sagte Knaus der Welt (Bezahlschranke). „Warum richten Deutschland, Frankreich und die Niederlande nicht gemeinsam mit Madrid ein Aufnahmezentrum in Spanien ein?“ Anerkannte Flüchtlinge würden dann auf Deutschland, Frankreich, Spanien und die Niederlande verteilt. Knaus gilt als Vordenker des EU-Türkei-Abkommens.
Die EU plant indessen auch, gerettete Flüchtlinge außerhalb Europas, etwa in Nordafrika, abzusetzen. Hierfür hat sie ein Konzept für „regionale Ausschiffungs-Arrangements“ entwickelt. Das dreiseitige Papier bleibt allerdings weitgehend im Ungefähren. Gemeinsam mit dem UNHCR soll in Nordafrika der Schutzanspruch Geretteter geprüft werden. Ein Teil von diesen Menschen soll auf freiwilliger Basis in die EU gebracht werden. Ein reguläres europäisches Asylverfahren sieht das Konzept nicht vor. So will die Kommission Anreize vermeiden, sich auf die Reise zu begeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja