EU-Parlament droht EU-Kommission: Streit über Ungarn eskaliert
Weil die Kommission Geld für Ungarn freigegeben hat, will das Parlament sie verklagen. Der Streit kommt für Kommissionschefin von der Leyen ungelegen.
Unterhändler des Parlaments hätten sich darauf geeinigt, „die nötigen Schritte für ein Verfahren gegen die EU-Kommission zu ergreifen“, teilte der grüne Abgeordnete Daniel Freund auf X (ehemals Twitter) mit. „Wir werden gegen die Freigabe von 10 Milliarden Euro für Ungarn klagen“, kündigte Freund an.
Er sprach von einem „schmutzigen Deal“. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán habe nicht die nötigen Rechtsstaatsreformen vollzogen. Deshalb habe die EU-Kommission die Fördermittel nicht freigeben dürfen. Demgegenüber sagt die Brüsseler Behörde, Ungarn habe mehrere Rechtsstaatschecks bestanden.
Der Streit ist politisch hochbrisant. Ungarn hatte im Dezember damit gedroht, ein Veto gegen die geplanten EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine einzulegen. Nach der Freigabe der EU-Fördergelder enthielt sich Orbán überraschend der Stimme. Kurz darauf blockierte er eine geplante Finanzhilfe für die Ukraine.
Von der Leyen braucht Orbáns Stimme
Die Ukraine-Hilfe von 50 Milliarden Euro soll bei einem Sondergipfel am 1. Februar bewilligt werden. Die EU-Kommission und Deutschland versuchen, Orbán gnädig zu stimmen, sodass er doch grünes Licht gibt. Der Streit über die Fördergelder kommt für Kommissionschefin Ursula von der Leyen denkbar ungelegen.
Von der Leyen hatte sich persönlich für die Freigabe der umstrittenen 10 Milliarden Euro eingesetzt. Vor der Europawahl könnte sie Ungarn sogar noch weitere Milliarden zusagen. Denn für ihre Wiederwahl als Kommissionspräsidentin braucht die CDU-Politikerin auch die Stimme Orbáns.
Einige Europaabgeordnete wie der frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt haben für diesen Fall bereits mit einem Misstrauensvotum gegen von der Leyen und ihre Kommission gedroht. So weit will die Mehrheit im Parlament allerdings (noch) nicht gehen. Sie droht mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, womit auch die Freigabe weiterer EU-Gelder blockiert würde.
Parallel dazu gibt es im Europaparlament den Versuch, auch den Rat – die Vertretung der Mitgliedstaaten – unter Druck zu setzen. Abgeordnete aus mehreren Fraktionen fordern, ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren einzuleiten, um Ungarn das Stimmrecht im Rat zu entziehen. Dem müssten alle anderen 26 EU-Staaten zustimmen.
Eine entsprechende Entschließung soll am Donnerstag in Straßburg verabschiedet werden. Über die Details wird allerdings noch verhandelt. Sollten sich die Fraktionen nicht auf ein Artikel-7-Verfahren einigen, wollen die Liberalen entsprechende Änderungsanträge einbringen, um den Druck aufrechtzuerhalten.
Ungarn übernimmt am 1. Juli die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft. Orbán könnte dann noch mehr Macht über die EU bekommen, fürchten viele Abgeordnete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen