EU-Paket zur Asylpolitik: Reform für mehr Abschreckung
Jahrelang rang die EU um eine neue Asylpolitik. Menschenrechtler rechnen mit mehr illegalen Pushbacks und einem kruden Geflecht an Sonderregeln.
Personen aus Ländern, bei denen die Asylanerkennungsquote europaweit unter 20 Prozent liegt, sollen anschließend kein normales Asylverfahren, sondern ein beschleunigtes Grenzverfahren durchlaufen. Dafür werden sie maximal drei Monate in gefängnisähnlichen Lagern inhaftiert, auch Familien mit Kindern sind davon nicht ausgenommen. Wessen Asylantrag abgelehnt wird, soll direkt aus dem Haftlager zurückgeschoben werden. Während Screening und Grenzverfahren gelten die Geflüchteten juristisch als nicht eingereist und haben deswegen nur schwer Zugang zu rechtlicher Beratung.
Auch wer über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreist, soll ein Grenzverfahren durchlaufen, in der Regel abgelehnt und dann in den Drittstaat abgeschoben werden. Zudem wurden die Kriterien dafür, was einen Staat „sicher“ macht, deutlich abgesenkt.
Teil des Reformpakets ist aber auch die sogenannte Krisenverordnung. Die legt fest, dass viele der Einschränkungen, die normalerweise im Umgang mit Geflüchteten noch gelten, in bestimmten Fällen nicht mehr angewendet werden müssen. Die Verordnung soll greifen, wenn die Zahl der Geflüchteten massiv steigt, wenn „höhere Gewalt“ im Spiel ist oder Geflüchtete von anderen Staaten instrumentalisiert werden. Letzteres bezieht sich auf Fälle wie den an der Grenze zu Belarus, dessen Regime Geflüchtete nach Polen oder die baltischen Staaten schickt, um Druck auf die EU auszuüben.
Lasten in der EU nach wie vor ungleich verteilt
Besteht ein solcher Krisenfall, können die Grenzverfahren massiv ausgeweitet werden und Unterbringungsstandards abgesenkt werden. Geflüchtete dürfen dann nicht nur deutlich länger in Haft genommen werden, auch Gruppen, die sonst ausgenommen sind, dürfen dann den Grenzverfahren unterworfen werden. Auch die Frist, in der Schutzgesuche neu angekommener Geflüchtete offiziell registriert werden, verlängert sich im Krisenfall deutlich.
Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass es dadurch einfacher wird, illegale Pushbacks zu verschleiern, bei denen Geflüchtete direkt zurück über die Grenze gezwungen werden, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können. Insgesamt könnte die Krisenverordnung ein undurchsichtiges Geflecht von Sonderregelungen schaffen, das Rechtsbrüche erleichtert und Kontrolle durch Medien und Zivilgesellschaft erschwert.
Einen echten – das heißt bindenden – Verteilmechanismus für Geflüchtete sieht die GEAS-Reform nicht vor. Damit bleibt eins der zentralen Probleme in der EU weiter ungelöst. Dass Staaten wie Ungarn, die keine Geflüchteten aufnehmen, nun Geld zahlen müssen oder andere Unterstützung leisten sollen, ändert nichts daran, dass die Lasten der Migrationsbewegungen nach Europa weiter höchst ungleich verteilt bleiben. Ab 2026 treten die Verordnungen in Kraft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“