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EU-Minister einigen sich zu SubventionenAgrarreform ist eine Nullrunde

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Kompromiss der EU-Minister über neue Regeln für die Agrarsubventionen bringt kaum etwas für die Umwelt. Die neuen Ökoregelungen werden verpuffen.

Agrarwirtschaft: Ein Landwirt erntet Kartoffeln auf einem staubtrockenen Feld in der Region Hannover Foto: dpa

D ie Einigung der EU-Agrarminister auf eine Reform der milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft bedeutet vor allem eines: Stillstand. Der Kompromiss bringt so gut wie keine Fortschritte für die Umwelt, die stark unter der Branche leidet. Daran wird wohl auch das EU-Parlament kaum etwas ändern, wie die ersten Abstimmungen des Plenums zeigen.

Die Vorschriften für das zentrale Element der Reform, die „Öko-Regelungen“, sind sehr vage. Die Mitgliedstaaten sollen weitgehend selbst entscheiden, wie viel Umweltschutz sie von den Bauern verlangen, damit sie diese Zahlung erhalten. Diese Freiheit werden die Regierungen von Staaten wie Polen oder Ungarn nutzen, denen beispielsweise Klimaschutz nicht so wichtig ist. Sie werden die Ökoregelungen so anspruchslos gestalten, dass die meisten Bauern weitermachen können wie bisher.

Dieses Umweltdumping in anderen EU-Staaten wird zum Beispiel auch Deutschland unter Druck setzen, ebenfalls sehr wenig zusätzlich von den Landwirten zu verlangen. Schließlich konkurrieren die deutschen Bauern mit ihren Berufskollegen in den anderen EU-Ländern. Mit der Warnung vor Wettbewerbsnachteilen hat der Deutsche Bauernverband schon häufig zum Beispiel strengere Tierschutzvorschriften verhindert.

Die Agrarminister haben versagt. Sie nutzen den potenziell sehr langen Hebel der jährlich rund 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen nicht, um zur Lösung eklatanter Probleme beizutragen: Die Landwirtschaft verursacht 12 Prozent des Treibhausgasausstoßes in der Europäischen Union. Die Branche trägt maßgeblich zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten bei. Die meisten Tiere werden unter abscheulichen Bedingungen gehalten. Viele Arbeiter wie Erntehelfer werden ausgebeutet. Immer mehr kleine Höfe werden von Großbetrieben verdrängt.

Schuld sind die Wähler

Dass die Ressortchefs so entschieden haben, liegt an uns: den Wählern. Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat bei der EU-Entscheidung nur das verwirklicht, was ihre CDU vor der Wahl versprochen hatte. Von einer Ökoreform der Agrarsubventionen war da nie die Rede. Wer echten Umwelt- und Tierschutz will, der muss mehr Wähler überzeugen, für andere Parteien zu stimmen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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5 Kommentare

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  • 7G
    75787 (Profil gelöscht)

    An dem Prinzip "Wachse oder weiche" wird auch diese "Agrarreform" nichts ändern. Aktuell entfallen in Deutschland knapp 70 Prozent der Fördermittel auf lediglich 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe. Kriterien hinsichtlich Biodiversität, artgerechetr Tierhaltungoder suberer Luft spielen dabei kaum eine Rolle.

  • 1G
    15797 (Profil gelöscht)

    Es braucht keine Agrarreform, sondern nur Verbot und Zerschlagung der Lebensmittelindustrie. Damit lösen sich ganz schnell alle damit und dadurch entstandenen Probleme. Lebensmittel gehören wieder in die Hand der Handwerker, die für ihre Produkte bürgen

    • @15797 (Profil gelöscht):

      Und das Verbot mit Lebensmittel an den Börsen zu spekulieren. Mit Lebensmittel spekulieren ist eine Wette auf den Hunger !!!

    • @15797 (Profil gelöscht):

      "Lebensmittel gehören wieder in die Hand der Handwerker, die für ihre Produkte bürgen."

      Um Himmels willen, wenn ich sowas lese dann frag ich mich wirklich wie sich manche Leute Lebensmittelproduktion vorstellen. Überall schön kleine Bauernlädchen und kleine handwerkliche Betriebe. Dann kann man die Lebensmittel auch gleich vergolden.



      Wenn man effizient produzieren will kommt man einfach nicht um eine industrialisierte Produktion herum und dagegen ist auch im Prinzip nichts einzuwenden. Und auch wenn man die Lebensmittelindustrie zerschlagen würde, würden die Bauern Glyphosat und sonstwas aussprühen solange es profitabel ist. Der kleine Bauer ist auch letztlich Unternehmer und man sollte den Berufsstand nicht romantisieren. Das Problem ist halt wie fast überall "the tragic of the commons". Von einem Blühstreifen z.B. profitiert der einzelne Bauer wenig bis gar nicht. Genauso profitiert der einzelne Schweinezüchter nicht wenn er weitestgehend auf Antibiotika verzichtet, die Gesellschaft aber schon (technisch betrachtet mögen einzelne Schweinezüchter profitieren, wenn sie das so vermarkten, aber der Markt für diese Produkte ist eben begrenzt). Da braucht es eben Anreizsysteme und nötigenfalls Verbote für bestimmte Verfahren. Wer meint man zerschlägt die großen Unternehmen und alles wird gut lebt in einer Traumwelt.

      Wobei ich aus anderen Gründen durchaus dafür wäre die Marktkonzentration zu verringern. Es kann doch nicht sein, dass eine Handvoll Unternehmen effektiv entscheiden was zu welchen Bedingungen produziert wird und teilweise Preise diktieren können. Aber das ist ein ganz anderens Thema.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Es ist eine kleine Verbesserung hätte mir auch mehr gewünscht aber im Vergleich zur europäischen Groß-Agrar Lobby ist die NRA ein kompromissbereiter vernünftiger Haufen. Habe nichts erwartet bin leicht überrascht.