EU-Lieferkettengesetz: Für mehr Menschenrechte und Klima
EU-Abgeordnete haben den Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz verabschiedet. Nun beginnen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.
Der Kompromiss wurde auch mit Mitgliedern der konservativen EVP ausgehandelt, der größten Fraktion im Europaparlament. Einen Tag vor der Abstimmung stellten sich Teile der konservativen Fraktion allerdins quer, vor allem der deutschen CDU/CSU-Delegation. Sie stellten 50 neue Änderungsanträge. Bis zuletzt war nicht klar, ob es die EU-Richtlinie für unternehmerische Sorgfaltspflichten am Donnerstag durchs Parlament schaffen würde.
Umso größer war dann die Erleichterung von Wolters und Mitstreiter*innen, als 366 Parlamentarier für die Richtlinie stimmten. 225 stimmten dagegen und 38 enthielten sich. Damit hat das EU-Lieferkettengesetz eine weitere Hürde genommen. Nun geht es in Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten im EU-Rat.
Die „Achterbahnfahrt“, wie Wolters den Prozess am Mittwoch nannte, ist damit noch nicht zu Ende. Gerade auch Wirtschaftsverbände und Unionsmitglieder aus Deutschland machen weiterhin Druck. Sie befürchten Mehrarbeit durch Bürokratie und warnen, dass europäische Unternehmen sich aus dem Globalen Süden zurückziehen werden.
Das EU-Lieferkettengesetz geht weiter als das deutsche
Dabei hatten sich auch viele Unternehmen für ein Lieferkettengesetz eingesetzt, etwa aus der Textil- und Schokoladenindustrie. Sie haben im Rahmen von Selbstverpflichtungen bereits Sorgfaltsprüfungen etabliert und wollen gleiche Regeln für andere Unternehmen, die sich bislang davor scheuten.
Gleichzeitig haben freiwillige Selbstverpflichtungen es nicht geschafft, Menschenrechte entlang der Lieferkette zu wahren. Immer noch schaffen es viele Produkte in europäische Supermärkte oder Verabeitungswerke, die durch Sklavenarbeit produziert worden sind oder die mit Landvertreibungen oder Umweltverschmutzung einhergehen.
Mit Durchsetzung des EU-Lieferkettengesetzes werden Unternehmen verpflichtet, ihre Lieferketten auf die Auswirkungen auf Menschenrechte und Klima zu analysieren. Im nächsten Schritt müssen sie Maßnahmen ergreifen, um Missstände zu beheben. Das europäische Lieferkettengesetz geht dabei weiter als das deutsche, das im Januar 2023 in Kraft trat.
Mehr Klimaschutz im Entwurf
Betroffen sind nach Wunsch der Parlamentarier Firmen mit 500 und später mit 250 Beschäftigten. Auch Unternehmen außerhalb der EU mit mehr als 150 Millionen Umsatz, von denen 40 Millionen in der EU erwirtschaftet wurden, unterliegen der Richtlinie.
Eine weitere Neuerung gegenüber dem deutschen Gesetz ist, dass die EU-Richtlinie neben Zulieferern die gesamte Kette betrifft, also auch Verkauf, Vertrieb und Logistik. Der Rat wollte in seiner Position die betroffenen Unternehmen eingrenzen und fordert eine Beschränkung der Kontrolle auf direkte Zulieferer.
Regulierungen zur Unternehmensführung, um Menschenrechte und Nachhaltigkeit zu stärken, stießen auf großen Widerstand bei den Konservativen. Sie schafften es dann auch, einen weiteren Punkt in der Abstimmung am Donnerstag vom Tisch zu nehmen. Gestrichen wurde die Regel, dass Vorstände über Pläne, Risiken und Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten unterrichtet werden.
Eine Sorgfaltspflicht von Unternehmenschefs ist aber weiterhin im aktuellen Entwurf verankert. Unternehmensleiter sollen zudem weiterhin an das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens gebunden werden. Auch kann die Auszahlung von Boni davon abhängen, ob sie die Klimabilanz des Unternehmens dahin gehend verbessern. Die Zielvorgaben für Nachhaltigkeit wurden noch einmal gestärkt. Unternehmen müssen auch Bezogen auf Umweltschäden Risiken analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Diskussion um Investoren und Klagerechte
Für Diskussion mit dem Rat wird die Einbeziehung des Finanzsektors in die Richtlinie sorgen. Anders als das deutsche Lieferkettengesetz, sieht der europäische Entwurf vor, das auch Investoren zu Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöfungskette verpflichtet werden. In den Kompromiss schafften es allerdings nur noch dessen direkte Beziehungen.
Heiß umstritten sind auch die Klagerechte, die es in den Kompromiss vom Donnerstag geschafft haben. Sie werden aber voraussichtlich weiterhin für Krach mit dem Rat sorgen. Im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz sieht das europäische Lieferkettengesetz als weitere Kontrollinstanz vor, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten europäischer Unternehmen vor Gerichten in der EU klagen können.
Bislang sind viele solcher Prozesse gescheitert, auch weil Gerichte die Zuständigkeit abgewiesen haben, verjährt waren oder Opfer nicht genug Beweise aufbringen konnten. So etwa der Prozess gegen den Textilhändler Kik wegen eines Brands in der Zulieferfabrik in Karatschi, Pakistan, bei dem 260 Menschen starben.
Nicht durchgesetzt hatte sich bereits im Rechtsausschuss die Forderung, dass die Beweislast umgekehrt werden soll. Dann hätten nicht die Opfer Beweise von Verletzungen erbringen müssen, sondern Unternehmen ihre Unschuld beweisen müssen. Im aktuellen Entwurf ist zumindest eine Verjährung erst ab 10 Jahren vorgesehen.
Interessengruppen sollen gestärkt werden
Das EU-Parlament forderte außerdem Vorgaben, die Interessengruppen in die Sorgfaltspflichtsprüfung einzubeziehen. Dieser Punkt wurde vor allem von Gewerkschaften und indegenen Gruppen vorgetragen, die sich in dem Prozess bislang benachteiligt sahen und betonten, nur in Kooperation könnten Risiken akkurat analysiert werden und passende Maßnahmen bei Missständen gefunden werden. Sie wollen nun besseren Zugang zu Informationen aus Unternehmen bekommen und in Konsultationen einbezogen werden.
Ob Unternehmen die neuen Regelungen wirklich einhalten, sollen die Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten kontrollieren. Sie können Geldstrafen von mindestens 5 Prozent des weltweiten Umsatzes erheben.
Nächste Woche sollen die Verhandlungen mit dem EU-Rat beginnen. Dann beginnt die nächste Achterbahnfahrt für Wolters und ihre Mitstreiter*innen. Einfach wird es nicht, aber das EU Lieferkettengesetz ist nur noch schwer aufzuhalten.
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