EU-Fördergelder an Ungarn: Deutlichere Warnsignale an Budapest
Bislang ist Orbán davongekommen, auch ohne den Bedingungen der EU nachzukommen. Diesmal könnte es jedoch ernst für ihn werden.
![Ungarns Regierungschef Viktor Orbán Ungarns Regierungschef Viktor Orbán](https://taz.de/picture/5949087/14/31560008-1.jpeg)
E insicht in eigene Verfehlungen gehört nicht zu den Tugenden, die Ungarns Premier Viktor Orbán und sein rechtsnationalistisches Umfeld auszeichnen. „Die Feinde Ungarns“ in Brüssel seien schuld, dass 13 Milliarden Euro aus diversen Fördertöpfen zurückgehalten würden. Dass die EU von Ungarn so grundlegende Pfeiler der Demokratie, wie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen die Korruption einfordert, wird über die staatlich gelenkten Medien im Puszta-Staat nicht kommuniziert.
Also die „Feinde Ungarns“ und „Verräter aus den eigenen Reihen“ seien schuld, wenn das ungarische Volk jetzt darben müsse, sagte Kanzleiminister Gergely Gulyás am Mittwoch. Mit den „Verrätern“ sind ungarische EU-Abgeordnete der Oppositionsparteien gemeint, die mit den „linken und liberalen Kräften“ in Brüssel gemeinsame Sache machten.
Sie seien verantwortlich, dass Familienzuwendungen nicht verbessert, die Lehrergehälter nicht erhöht und die Ungarn nicht mit billiger Energie versorgt werden könnten. Ungarn hat zwar, was das heimische Publikum so auch nicht erfährt, versprochen, auf die Bedingungen der EU einzugehen. Umgesetzt ist aber sehr wenig. Es geht um 27 Bedingungen, EU-Kommissar Johannes Hahn spricht von „27 Super-Ecksteinen“, die voll umgesetzt sein müssen, ehe Geld nach Budapest fließt.
Und der österreichische Kommissar klingt entschlossener als früher. Seine ÖVP gehört derselben Parteienfamilie an, wie Ungarns Fidesz bis zum vergangenen Jahr. Seit sich Orbán von den Konservativen abgewandt und rechtsextremen Parteien wie der AfD und Giorgia Melonis Fratelli d'Italia zugewandt hat, schwindet auch im EVP-Lager das Verständnis für den autoritären Ungarn.
Qualifizierte Mehrheit nötig
Bisher ist Orbán meist mit kosmetischen Korrekturen davongekommen, die Brüssel beruhigt, an der Substanz seiner de-facto-Einparteienherrschaft aber wenig verändert haben. Auch auf Polen, das politisch einen ähnlichen Kurs steuert, konnte er sich meist verlassen. Zu groß ist aber jetzt die Befürchtung, dass von den Fördergeldern der Löwenanteil wieder an Günstlinge der Regierung fließt, die bei den Ausschreibungen von Staatsaufträgen mit ihren überhöhten Angeboten regelmäßig zum Zug kommen.
Wenn sich nächste Woche die Finanzminister der EU treffen, um über die eingefrorenen Ungarn-Gelder abzustimmen, wird sich zeigen, wie ernst es der Union mit den Demokratiekriterien ist. Für die erforderliche qualifizierte Mehrheit müssen mindestens 15 der 27 EU Staaten, die zusammen mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, dem Vorschlag der Kommission zustimmen.
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